Vorschnelle Annahme des Vermächtnisses durch den Pflichtteilsberechtigten kann zum Verlust des Anspruchs auf Auskunft und Wertermittlung führen

Pflichtteil und Vermächtnis
Achtung bei vorschneller Annahme des Vermächtnisses durch den Pflichtteilsberechtigten. (credit:adobestock)

Worum es geht

Wird ein Kind enterbt, bspw. zugunsten des neuen Ehegatten des Elternteils, steht ihm der Pflichtteil zu. Dem Pflichtteilsberechtigten stehen umfangreiche Auskunfts- und Wertermittlungsansprüche gegen den Erben zu. Dadurch soll gewährleistet werden, das der Pflichtteilsberechtigte die Höhe seines Pflichtteils sicher ermitteln und durchsetzen kann.

Als Kompensation für die Nichtberücksichtigung als Erbe wird zugunsten des enterbten Kindes regelmäßig ein Vermächtnis ausgesetzt, oft „in Höhe des Pflichtteils“. Nimmt in diesem Fall das pflichtteilsberechtigte Kind das Vermächtnis an, entfällt der Pflichtteilsanspruch. Und damit entfallen auch die gesetzlichen Ansprüche auf Auskunft und Wertermittlung (§ 2314 BGB). Insbesondere ein Wertermittlungsanspruch auf Kosten des Nachlasses steht dem Vermächtnisnehmer in einem solchen Fall nicht zu.

Es verbleibt allenfalls ein auf Treu und Glauben gestützter Auskunftsanspruch (§ 242 BGB). Der Anspruch nach § 242 BGB umfasst u.a. nur die Vorlage eines privaten, nicht aber die eines notariellen Nachlassverzeichnisses. Eine effektive Kontrolle der angemessenen Höhe des zugewendeten Vermächtnisses ist dann kaum möglich.

Diese Folge einer vorschnellen Annahme eines Vermächtnisses bestätigte jüngst das OLG München mit Urteil vom 21.11.2022 – 33 U 2216/22.

Empfehlung:

  • Will der Erblasser den Auskunfts- und Wertermittlungsanspruch des Kindes erhalten, empfiehlt es sich, diese Ansprüche ausdrücklich mitzuvermachen, also ebenfalls zum Gegenstand des Vermächtnisses zu machen.
  • Will der Erblasser hingegen genau die nachteiligen Folgen für sein enterbtes Kind provozieren, könnte er ein Vermächtnis in Höhe des Pflichtteils zzgl. einer kleine Draufgabe als Lockmittel aussetzen. Greift des Kind zu, entfallen Auskunfts- und Wertermittlungsanspruch.
  • Für betroffene Pflichtteilsberechtigte kann es eigentlich nur eine Empfehlung geben:
    • Im ersten Schritt als Pflichtteilsberechtigter Auskunft und ggf. Wertermittlung nach § 2314 BGB geltend machen,
    • erst danach im zweiten Schritt entscheiden, das Vermächtnis anzunehmen oder auszuschlagen.

Autor: Andreas Jahn

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