Die eigentlich erfreuliche Information über die Verabschiedung des ersten EU-Pharmapakets durch das Europäische Parlament am 22.09.2010 (siehe hierzu unseren aktuellen Beitrag „Mehr Arzneimittelsicherheit in Europa“) verdeutlicht leider auch, auf welchem Niveau mittlerweile die Rechtssprache der EU angelangt ist, und wie sehr dasselbe Europa, das gerade im Verbraucherbereich mit Feuer und Schwert für Transparenz kämpft, in seinen eigenen Rechtssetzungsverfahren Transparenz vermissen lässt.

Was genau hat das Parlament denn da eigentlich verabschiedet? In der Pressemitteilung des Parlaments zum Pharmapaket lesen wir: „Das neue Gesetz muss 18 Monate nach seiner Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union angewendet werden.“ Schon die Verwendung dieses Begriffs löst einiges Staunen aus. War es nicht so, dass neben dem EU-Vertrag (oder besser: dem „EU-Arbeitsweisevertrag“ [AEUV], wie er neuerdings heißt) als Primärrecht noch Verordnungen, Richtlinien und Beschlüsse als Sekundärrecht rechtlich bindende Wirkung entfalteten (Art. 288 AEUV)? Doch im Zuge der erstarkenden Rolle des Parlaments wurde offenkundig die Notwendigkeit gesehen, diesen Rechtsakten den Sammelbegriff „Gesetzgebung“ überzuziehen. So erklärt Art. 289 Abs. 3 AEUV: „Rechtsakte, die gemäß einem Gesetzgebungsverfahren angenommen werden, sind Gesetzgebungsakte.“

Wem das noch nicht Sprachverwirrung genug ist, der mag sich mit der exakten Grundlage für ein „gesetzgebendes Abkommen“ beschäftigen – ein solches stellt das Pharmapaket offenbar dar -, auch dies ein sprachliches Kleinod der Sonderklasse: Gesetze, die eigentlich begrifflich keine sind, werden zwischen Rat und einzelnen Parlamentariern „ausgehandelt“ und dann als „Bericht“ beschlossen – und der Boden, den der EU-Vertrag dafür bereitet, scheint nicht besonders tragfähig. Handelt es sich um die Vorbereitung zu einem „Gesetzgebungsakt„, der „in den in den Verträgen vorgesehenen Fällen auf Initiative einer Gruppe von Mitgliedstaaten im ordentlichen Gesetzgebungsverfahren erlassen“ wird (Art. 294 Abs. 15 AEUV)? Oder haben wir es gar mit einer „interinstitutionellen Vereinbarung“ zu tun, die „Parlament, Rat und Kommission unter Wahrung der Verträge schließen“ können und „die auch bindenden Charakter haben“ kann (Art. 295 AEUV)?

Der Pressestelle des Parlaments scheint angesichts dieses Begriffs-Babylon selbst nicht ganz wohl zu sein, und so stellt der Bericht über die Plenarsitzung am 22.09.2010 lakonisch, aber auch mit einem wenig legislativen Unterton, fest: „Der Deal sieht die Einrichtung von nationalen und europäischen Arzneimittel-Websites vor, um Patienten mehr Informationen zu liefern.“ Europa locuta, causa non finita: nicht nur im Arzneimittelbereich lassen solche Sprachentwicklungen nichts Gutes ahnen.

Autor

Bild von  Thomas Krümmel, LL.M.
Partner
Thomas Krümmel, LL.M.
  • Rechtsanwalt
  • Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht
  • Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht
Ihr Ansprechpartner für
  • Grenzüberschreitende Verträge
  • Auslandsbezogene Gerichts- und Schiedsverfahren
  • Immobilienakquisitionen und -verkäufe
  • Alle Themen rund um Gewerbeimmobilie und -miete

UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME

Sprechblasen

UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME

Sind Sie unsicher, ob Sie mit Ihrer Angelegenheit bei uns richtig sind?
Nehmen Sie gerne unverbindlich Kontakt mit uns auf und schildern uns Ihr Anliegen.
Wir freuen uns auf Ihren Anruf.

Kontakt aufnehmen