23.06.2015 -

Was in der juristischen Fachliteratur und in der erst- und zweitinstanzlichen Rechtsprechung bereits weitgehend anerkannt war, dürfte nach der jüngsten Entscheidung des Bundessozialgerichts nun auch für die bis zuletzt (ver)zweifelnden K(Z)Ven anerkannt sein. Es ist zulässig, dass ein (Zahn-)Arzt zwei hälftige Versorgungsaufträge erhält, die sogar in zwei unterschiedlichen Zulassungs- und K(Z)V-Bezirken liegen können. Soweit im nachfolgenden allein auf Zahnärzte Bezug genommen wird, so liegt das an dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt. Die Entscheidungsgründe gelten aber im gleichen Maße für Ärzte.

Problemaufriss

Lange Zeit galt in der höchstrichterlichen Rechtsprechung, dass einem (Zahn-)Arzt nur ein Versorgungsauftrag in Form der Zulassung übertragen werden könne. Die Rechtsprechung erging allerdings noch vor dem gesetzlichen Hintergrund, dass grundsätzlich nur ein ganzer Versorgungsauftrag erteilt werden konnte. Dies hat sich mit dem Vertragsarztrechtsänderungsgesetz geändert. Gemäß § 19a Abs. 2 Zahnärzte-Zulassungsverordnung kann ein Zahnarzt nun auch mit einem hälftigen Versorgungsauftrag teilnehmen. Hieran entspann sich die Rechtsfrage, ob ein Arzt auch für zwei Standorte jeweils einen hälftigen Versorgungsauftrag beantragen und genehmigt bekommen könnte.

Dies hat das Bundessozialgericht nun in einer ausführlich begründeten Entscheidung im Einklang mit den beiden Vorinstanzen entschieden.

Der Fall

In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt hatte ein Zahnarzt einen ganzen Versorgungsauftrag in Bezirk der KZV T und beantragte für einen Standort im Bezirk der KZV S eine Zweigpraxisgenehmigung. Nachdem dieser Antrag abschlägig beschieden wurde, verzichtete er auf einen hälftigen Versorgungsauftrag in T und beantragte für den Standort in S ebenfalls eine hälftige Zulassung. Diese wurde ihm vom Zulassungsausschuss in S genehmigt. Dagegen ging die KZV in T – also dem ursprünglichen KZV-Bezirk des Zahnarztes – in Widerspruch.

Die KZV sah keine Rechtsgrundlage für eine zweite Zulassung. Vielmehr werde Zulassung in den einschlägigen Vorschriften immer nur im Singular verwendet. Der Gesetzgeber habe für die Fälle, in denen der Zahnarzt an anderen Orten als seinem Vertragszahnarztsitz tätig werden wolle, alleine die Zweigpraxis und die ausgelagerten Praxisräume vorgesehen.

Der Berufungsausschuss wies den Widerspruch zurück, das Sozial- und das Landesgericht wiesen die Klage und Berufung ab. Das Bundessozialgericht hat nun auch die Revision zurückgewiesen.

Die Entscheidung

Das Bundessozialgericht stellte zunächst unmissverständlich klar, dass die Untersagung oder die Versagung einer Genehmigung immer eines gesetzgeberischen Verbots darf, wobei dieses zum einen ausdrücklich geregelt, zum anderen aber sich aus den einzelnen Vorschriften abgeleitet sein könne. Aus den gesetzgeberischen Vorschriften ließe sich aber weder ein ausdrückliches Verbot entnehmen, noch würden bestimmte gesetzgeberische Vorgaben ein Verbot von zwei Teilzulassungen zur Folge haben. Auch ließe sich den Gesetzesbegründungen ein solch gesetzgeberischer Wille nicht entnehmen.

Die Übernahme eines zweiten hälftigen Versorgungsauftrag sei auch nicht als eine Tätigkeit zu qualifizieren, die der Wahrnehmung des ersten hälftigen Versorgungsauftrags im Sinne von § 20 Abs. 1 Ärzte-ZV entgegenstünde. Vielmehr ließe der hälftige Versorgungsauftrag – schon terminologisch eine Selbstverständlichkeit – gerade Raum für einen zweiten hälftigen Versorgungsauftrag.

Die Verwendung der Begriffe Zulassung und Vertragsarztsitz im Singular in einzelnen Vorschriften ließe nicht auf einen bestimmten gesetzgeberischen Willen schließen, dass jeder Vertragsarzt nur eine Zulassung bzw. einen Vertragsarztsitz haben könne. Die Vorschriften seien vielmehr so zu verstehen, dass sie auf die jeweilige Zulassung bzw. den jeweiligen Vertragsarztsitz anzuwenden seien.

Hierauf aufbauend würde das Argument der Klägerin, eine vertragsärztliche Tätigkeit sei nur im Rahmen von Zweigpraxen oder ausgelagerten Praxisräumen möglich ebenfalls nicht verfangen. Es handele sich eben gerade nicht um eine Tätigkeit außerhalb des Vertragsarztsitzes, wenn für den Tätigkeitsort ein Vertragsarztsitz bestehe.

Den mit der Tätigkeit an zwei Vertragszahnarztsitzen verbundenen Schwierigkeiten bei der Abrechnung könne begegnet werden. Hier verweist das BSG zum einen auf die bereits geltenden Vorschriften für die bezirksübergreifende ÜBAG, auch wenn diese nicht unmittelbar anwendbar seien. (Dies kann als Hinweis an den Gesetzgeber verstanden werden.)

Zum anderen könne den Problemen aber auch mit den jetzigen Vorschriften begegnet werden. Die Punktzahldegression bzw. dessen Umgehung bei Zahnärzten könne durch die entsprechende Anwendung der Regelung über die Teilzeitbeschäftigung, § 85 Abs. 4b S.5 SGB V, verhindert werden. Auch die Doppelmitgliedschaft in zwei KZÄVen sei vom Gesetzgeber bereits für die angestellen Zahnärzte vorgesehen und könne nicht gegen die zweifache Teilzulassung sprechen.

Ein völlig unbedingtes Recht auf zwei Teilzulassungen bestände aber nicht. Denn insbesondere die Entfernung zwischen den beiden Standorten dürfe nicht die Beeinträchtigung der Versorgung an einem der Standorte zur Folge haben.

Fazit

Die Entscheidung überzeugt und gibt hoffentlich in diesem Zusammenhang Rechtssicherheit. Es ist grundsätzlich zulässig, zwei hälftige Versorgungsaufträge zu bedienen. Das damit die Versorgung der Versicherten nicht beeinträchtigt werden darf, versteht sich von selbst, eröffnet den KZVen aber wiederum Spielraum, unliebsame Doppelzulassungen abzulehnen oder anzugreifen. Es bleibt abzuwarten, welche Sachverhalte in diesem Zusammenhang von den Sozialgerichten zu entscheiden sein werden.

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