Der Erwerb einer Wohnung von Todes wegen durch ein Kind ist nicht steuerbefreit, wenn die Wohnung durch den Erwerber nicht selbst genutzt wird. Dies gilt auch bei einer unentgeltlichen Überlassung der Wohnung an nahe Angehörige oder Dritte.

Der Fall:
Die Beteiligten streiten um die Anwendung des § 13 Abs. 1 Nr. 4c des Erb- und Schenkungssteuergesetzes (ErbStG) auf ein von Todes wegen erworbenes Familienheim.

Klägerin ist die Tochter des Verstorbenen und Alleinerbin des hälftigen Miteigentumsanteils an der elterlichen Wohnung. Eigentümerin der zweiten Hälfte der Wohnung ist die Mutter der Klägerin, welche die Erbschaft nach dem Tod ihres Ehemanns ausgeschlagen hatte. Nach dem Tod des Vaters überließ die Klägerin ihrer Mutter die unentgeltliche Nutzung der vererbten Miteigentumshälfte und übernachtete dort selbst nur gelegentlich. Für die Verwaltung des Nachlasses nutzte die Klägerin einen Raum der Wohnung.

Die Klägerin beantragte 2010 in ihrer Erbschaftsteuererklärung für den Erwerb des hälftigen Miteigentumsanteils an der Wohnung die Steuerbefreiung des § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG. Der Beklagte (Finanzamt) gewährte die Steuerbefreiung nicht und setzte eine entsprechende Erbschaftsteuer fest. Zur Begründung verwies das Finanzamt darauf, dass keine Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken im Sinne der Vorschrift gegeben sei.

Nachdem Einspruch und Klage ohne Erfolg geblieben waren, legte die Klägerin Revision ein.

Die Entscheidung:
Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück.

I. Selbstnutzung bestimmt sich nach der tatsächlichen Nutzung

Nach § 13 Abs. 1 Nr. 4c ErbStG ist u.a. der Erwerb eines Miteigentumsanteils an einer Wohnung von Todes wegen durch Kinder des Verstorbenen steuerfrei, wenn der Erblasser die Wohnung bis zu seinem Tod bewohnt hat oder aus zwingenden Gründen daran gehindert war, sie von dem Erwerber unverzüglich zur Selbstnutzung zu eigenen Wohnzwecken bestimmt wird und die Wohnfläche der Wohnung 200 qm nicht übersteigt. Die Steuerbefreiung entfällt jedoch mit Wirkung für die Vergangenheit, wenn der Erwerber das Familienheim innerhalb von zehn Jahren nach dem Erwerb nicht mehr zu Wohnzwecken selbst nutzt, es sei denn, er ist aus zwingenden Gründen daran gehindert.

Nach dem Wortlaut der Vorschrift muss der Erwerber die Wohnung für eigene Wohnzwecke vorsehen. Da eine solche Absicht allerdings eine innere Tatsache ist und sich nur anhand äußerer Umstände feststellen lässt, ist es nach dem BFH erforderlich, die Wohnung tatsächlich zu bewohnen. Die Wohnung muss dabei den Lebensmittelpunkt des Erwerbers bilden. Die bloße Erklärung z.B. gegenüber den Finanzbehörden reicht nicht aus.

II. Keine Selbstnutzung bei unentgeltlicher Überlassung an Dritte oder Angehörige

Keine Selbstnutzung ist dagegen gegeben, wenn der Erwerber die Wohnung Dritten zur Nutzung überlässt – auch dann nicht, wenn es sich bei den Betreffenden um nahe Angehörige handelt. Denn bereits die Gesetzesbegründung macht den Schutz des familiären Lebensraums (Familienheim) und die hierzu eingeführte Steuerbefreiung davon abhängig, dass eine tatsächliche Selbstnutzung durch das erwerbende Kind erfolgt. Dass in der Gesetzesbegründung lediglich Verkauf, Vermietung und längerer Leerstand ausdrücklich als schädlich aufgeführt werden, führt jedoch nicht dazu, dass die Überlassung an Dritte oder nahe Angehörige unschädlich ist.

Dass die Aufgabe der Selbstnutzung (Satz 5 der Vorschrift) regelmäßig auch die Steuerbefreiung rückwirkend entfallen lässt – es sei denn, es läge ein zwingender Grund hierfür vor – spricht außerdem dafür, dass die tatsächliche Selbstnutzung nicht vollständig entbehrlich ist. Diese Auslegung steht zudem im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung, nach der zwar auch dann von der Nutzung einer Wohnung zu eigenen Zwecken auszugehen ist, wenn weitere Verwandte in einem gemeinsamen Hausstand wohnen – dies jedoch dann gerade nicht der Fall ist, wenn kein gemeinsamer Hausstand geführt wird.

Schließlich gebieten die vom BFH geäußerten verfassungsrechtlichen Zweifel an der Vorschrift eine wortlautnahe enge Auslegung der Norm, um die verfassungsrechtlichen Bedenken nicht noch zu vergrößern.

Fazit:
Der BFH erteilt dem Versuch einer erweiternden Auslegung der Steuerbegünstigung von Familienunternehmen eine Absage. Für die Steuerbefreiung des Familienheims kommt es – entsprechend der gesetzgeberischen Intention, lediglich Familien„gebrauchs“vermögen zu schützen – auf die tatsächlichen Nutzung zu eigenen Wohnzwecken durch den Erwerber an. Eine Erweiterung der Selbstnutzung auch auf nahestehende Familienangehörige scheidet nach der Rechtsprechung selbst im nächsten Verwandtschaftsverhältnis aus.

Praxishinweis:
Soweit die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung für Familienheime bei einem Erwerb von Todes wegen relevant wird, empfiehlt sich eine genaue Einhaltung der Voraussetzungen: Ohne ausreichende Eigennutzung greift die Befreiung nicht. Ist ein solcher Fall gegeben, besteht grundsätzlich die Möglichkeit, den Vorteil der Steuerbefreiung durch Ausschlagung des Erbes „weiterzureichen“. Dann sollte allerdings feststehen, dass der „neue“ Erbe die Voraussetzungen der Befreiung erfüllt.

 

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