13.06.2018

In den vergangenen 20 Jahren haben sich viele Investoren am „grauen“ Kapitalmarkt an Fondsgesellschaften beteiligt. Diese Fondsgesellschaften sind als Kommanditgesellschaften („GmbH & Co. KG“) gestaltet. Zwischenzeitlich sind viele dieser Fondsgesellschaften insolvent gegangen. Insolvenzverwalter nehmen nunmehr die Kommanditisten dieser Fondsgesellschaften in Anspruch. Für viele ein böses Erwachen.


Gehen Fondsgesellschaften insolvent, machen Insolvenzverwalter vermehrt Ansprüche aufgrund des „Wiederauflebens der Kommanditistenhaftung“ geltend.

„Wiederaufleben“ der Kommanditisten-Haftung

Die Fondsgesellschaften sind so konzipiert, dass sich eine Vielzahl von Gesellschaftern als Kommanditisten mit Einlagen an den Fondsgesellschaften beteiligen. Die Fondsgesellschaften investieren, etwa in ein Schiff, eine Immobilie oder in „Medien“ (Filme, Spiele, Musik). Die Gesellschaftsverträge der Kommanditgesellschaften sehen dabei in der Regel vor, dass die Gesellschafter während der Betriebsphase der Gesellschaft Auszahlungen erhalten. Mit Auflösung der Gesellschaft sowie Veräußerung des Investitionsgutes (Schiff, Immobilie, Medienbibliothek) erfolgen die Schlussausschüttungen, mit denen die Gesellschafter die prospektierten Gewinne erhalten sollen.

Aus steuerlichen Gründen wird häufig in den Gesellschaftsverträgen vereinbart, dass die Einlagesumme der „Haftsumme“ entsprechen soll. Die Haftsumme bedeutet, dass Kommanditisten bis zur Höhe dieses Betrages für die Gesellschaftsschulden haften. Wird die Einlage zurückgezahlt, lebt diese Haftung wieder auf. Bis vor wenigen Jahren war dies aus-schließlich ein theoretischer Gedanke. Durch die Schifffahrtskrise sowie die allgemeine Wirt-schaftskrise sind eine Vielzahl von Fondsgesellschaften in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Gehen diese Fondsgesellschaften in Insolvenz, macht der Insolvenzverwalter Ansprüche aufgrund des „Wiederauflebens der Kommanditistenhaftung“ geltend. Eine Vielzahl von Gesellchaftern erreichen daher seit einiger Zeit Schreiben von Insolvenzverwaltern, mit denen diese die Gesellschafter zur Rückzahlung von Ausschüttungen der Vorjahre auffordern.

BGH-Entscheidung zu den Abwehrrechten der Kommanditisten

Aufgrund der Vielzahl der Fälle muss sich auch die Rechtsprechung vermehrt mit Fragen rund um die Haftung der Kommanditisten beschäftigen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nunmehr mit Urteil vom 20. Februar 2018 – II ZR 272/16 – eine Entscheidung getroffen, die für die Kommanditisten und auch deren Berater von erheblicher Bedeutung ist. Im Kern geht es in dieser Entscheidung um Abwehrrechte der Kommanditisten, welche diese selbst geltend machen müssen. Der rechtliche Hintergrund für diese Entscheidung ist kompliziert:

Nach der Gesetzesregelung im Handelsgesetzbuch (HGB) dürfen Gesellschafter, die für die Gesellschaftsschulden vollständig mit ihrem privaten Vermögen haften (Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft, die Komplementäre einer Kommanditgesellschaft) Einwände in einem Verfahren wegen ihrer persönlichen Haftung nicht geltend machen, wenn diese Einwände auch bereits von der Gesellschaft hätten geltend gemacht werden können. Hat beispielsweise ein Gläubiger eine Forderung gegenüber einer offenen Handelsgesellschaft geltend gemacht und ein für ihn günstiges Urteil gegen die OHG erstritten, kann ein Gesellschafter dieser OHG, wenn dieser Gläubiger ihn für die Schuld der OHG in Anspruch nimmt, nicht einwenden, dass die Gesellschaft die Forderung des Gläubigers bereits erfüllt hätte. Der Gesellschafter ist mit dieser Einwendung der Gesellschaft (Erfüllung der Forderung) in einem gegen ihn gerichteten Verfahren ausgeschlossen.

Bei der Insolvenz einer Gesellschaft ist dieser „Einwendungsausschluss“ etwas komplizierter. In diesem Fall melden die Gläubiger der Gesellschaft ihre Forderungen gegenüber dem Insolvenzverwalter zur Insolvenztabelle an. Erhebt niemand Widerspruch gegen die angemeldete Forderung, wird die Forderung zur Tabelle „festgestellt“. Diese Feststellung hat die Wirkung eines Urteils. An dieser Stelle schließt sich der Kreis zwischen Insolvenzrecht und Handelsrecht: Wenn eine Forderung zur Tabelle rechtskräftig festgestellt worden ist, können Gesellschafter, die ihrerseits für die Gesellschaftsschulden in Anspruch genommen werden, nicht mehr argumentieren, dass die angemeldete Forderung nicht besteht. Genau hierum ging es in dem Fall des BGH.

Der Insolvenzverwalter, andere Insolvenzgläubiger sowie der „Schuldner“ haben das Recht, der von einem Gläubiger angemeldeten Forderung zu widersprechen. Bei einem Widerspruch muss der anmeldende Gläubiger seine Rechte in einem Gerichtsverfahren verfolgen. Weitere Einzelheiten sind insoweit unerheblich. Für das Urteil des BGH entscheidend war die Frage, wer als „Schuldner“ den Widerspruch wegen der Anmeldung einer Forderung durch einen Gläubiger erheben kann.


Der Bundesgerichtshof hat sich einem aktuellen Urteil zu den Abwehrrechten der Kommanditisten geäußert. Diese müssen dabei selbst aktiv werden. 

Der Fall:

Der Insolvenzverwalter in dem Verfahren des BGH hat einen Kommanditisten („Beklagten“) auf Rückzahlung von Ausschüttungen in Höhe von 2.600 Euro in Anspruch genommen. Der Beklagte verteidigte sich damit, dass er die zur Tabelle im Insolvenzverfahren der Gesellschaft angemeldeten Forderungen bestritt. Der Beklagte argumentierte, dass ihm die angemeldeten Forderungen nicht bekannt gewesen seien. Er sei von der Gesellschaft und dem Insolvenzverwalter hierüber auch nicht unterrichtet worden. Der Einwendungsausschluss sei daher nicht wirksam. Ihm sei das „rechtliche Gehör“ nicht gewährt worden.

Der BGH hat den Einwand des Beklagten verworfen. Das Widerspruchsrecht haben in einer Insolvenz der Gesellschaft nur die geschäftsführenden Gesellschafter, dies ist die persönlich haftende Gesellschafterin. Wenn ein Kommanditist eine angemeldete Forderung eines Gläubigers bezweifelt, muss er dafür sorgen, dass die Komplementär-GmbH Widerspruch einlegt. Dies gilt auch dann, wenn die Komplementär-GmbH ebenfalls Insolvenz anmelden muss. Dies geschieht im Regelfall. Auch hierbei muss der Kommanditist auf die Komplementär-GmbH einwirken, um den Widerspruch zu erklären. Unterbleibt dies, kann später nicht mehr eingewendet werden, dass eine Forderung dieses Gläubigers nicht mehr oder nicht in dieser Höhe besteht.

Empfehlung:

Häufig teilt die Fondsgesellschaft den Gesellschaftern mit, dass Insolvenzantrag gestellt worden ist. Die Gesellschafter verharren dann häufig im Nichtstun. Dies ist der falsche Weg. Schon zu diesem Zeitpunkt sollten Gesellschafter Beratung in Anspruch nehmen. Am Anfang eines Insolvenzverfahrens kann geprüft werden, ob angemeldete Forderungen tatsächlich bestehen. Die Kommanditisten haben Informationsrechte gegenüber der Fondsgesellschaft. Der Insolvenzverwalter muss diese erfüllen, wenn ihm diese Informationen vorliegen. Berater können sich zudem frühzeitig die Insolvenzakte durchsehen und mit dem Gesellschafter besprechen, ob die persönlich haftenden Gesellschafter zum Widerspruch aufgefordert werden sollen.

Spätestens wenn der Insolvenzverwalter den Kommanditisten in Anspruch nimmt, sollte Rat gesucht werden. Insolvenzverwalter dürfen Ausschüttungen nur insoweit zur Masse zurückfordern, soweit diese zur Gläubigerbefriedigung notwendig sind. Hieraus können sich Einwände gegen den Insolvenzverwalter ergeben. Beispielsweis dann, wenn dieser sämtliche Ausschüttungen zur Masse zurückverlangt, obwohl dies für die Befriedigung der Gläubiger nicht mehr erforderlich ist.

Autor

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