26.06.2018 -

In einer aktuellen Entscheidung hat das Bundessozialgericht (BSG) eine bislang streitige Rechtsfrage geklärt, die zuletzt noch vom Landessozialgericht Hessen anders beantwortet worden war: Nach heutiger Rechtslage (siehe § 95 Abs. 1a SGB V) können nur wenige Leistungserbringer Medizinische Versorgungszentren (MVZ) gründen. Es sind dies – im Gegensatz zur Rechtslage bis zum 31.12.2011 – nur noch

  • zugelassene Ärzte,
  • zugelassene Krankenhäuser,
  • Erbringer nichtärztlicher Dialyseleistungen,
  • gemeinnützige Träger, die aufgrund von Zulassung oder Ermächtigung an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen,
  • Kommunen.

Bis zum 31.12.2011 konnten MVZs auch von diversen weiteren Leistungserbringern wie beispielsweise Apothekern gegründet werden. Solche MVZs genießen auch in der Gegenwart Bestandsschutz und können weiterhin agieren.


Das Bundessozialgericht hat ikürzlich präzisiert: Neugründungen von MVZs können tatsächlich nur durch die in der aktuellen Fassung des § 95 Absatz 1a SGB V genannten Leistungserbringer erfolgen. „Alte“ MVZ genießen zwar Bestandsschutz, dürfen aber kein neues MVZ gründen.

Keine Gründungsberechtigung für Leistungserbringer mit Bestandsschutz

Streitig war im konkreten Fall, ob ein von einem Apotheker auf Basis der früheren Rechtslage gegründetes MVZ wiederum ein neues MVZ gründen konnte. Nach der derzeitigen Regelung in § 95 Abs. 1a SGB V wäre das nicht möglich. Dennoch war das Ansinnen des Apothekers nicht ganz fernliegend. In § 72 Abs. 1 S. 2 SGB V heißt es nämlich unter anderem:

„Ärzte, Zahnärzte, Psychotherapeuten, medizinische Versorgungszentren und Krankenkassen wirken zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung der Versicherten zusammen. Soweit sich die Vorschriften dieses Kapitels auf Ärzte beziehen, gelten sie entsprechend für Zahnärzte, Psychotherapeuten und medizinische Versorgungszentren, sofern nichts Abweichendes bestimmt ist“.

Der betroffene Apotheker leitete daraus ab, dass hier eine Gleichstellung des ihm genehmigten MVZs mit anderen Leistungserbringern geregelt sei, woraus sich wiederum die Befugnis ergebe, mit dem zugelassenen MVZ ein weiteres MVZ gründen zu können. In der zweiten Instanz, vor dem Landessozialgericht Hessen, hatte der Apotheker noch gewonnen. Das Landessozialgericht schloss sich insbesondere der Auffassung an, über die zitierte Verweisungsnorm in § 72 SGB V könne § 95 Abs. 1a SGB V angewendet werden.

Das Bundessozialgericht ließ dies hingegen nicht gelten. In seinem Terminbericht zur Entscheidung vom 16.05.2018, Az. B 6 KA 1/17 R) heißt es (verkürzt):

„In der Sache hat der Beklagte den Zulassungsantrag der klagenden GmbH zu Recht abgelehnt. Ein MVZ ist grundsätzlich nicht berechtigt, ein weiteres MVZ zu gründen. In § 95 Abs. 1a SGB V in der ab dem 1.1.2012 geltenden Fassung ist der Kreis der gründungsberechtigten Personen und Einrichtungen beschrieben. MVZ selbst sind dort nicht genannt. Eine Gründungsberechtigung ergibt sich auch nicht über die Verweisungsnorm des § 72 Abs. 1 Satz 2 SGB V. Danach gelten die auf Ärzte bezogenen Regelungen des 4. Kapitels des SGB V entsprechend für Zahnärzte, Psychotherapeuten und MVZ, soweit nichts Abweichendes bestimmt ist. Die Gründungsvorschriften für MVZ sind von dieser generellen Verweisung nicht erfasst, weil sich aus Systematik und Entstehungsgeschichte des § 95 Abs. 1a SGB V ergibt, dass der Gesetzgeber den Gründerkreis beschränken wollte. Die Bestandsschutzvorschrift des § 95 Abs. 1a Satz 2 SGB V greift hier nicht zu Gunsten der Klägerin ein: MVZ, die von Personen oder Einrichtungen gegründet worden sind, die nach der Beschränkung des Gründerkreises durch das GKV-VStG nicht mehr gründungsberechtigt sind, sollten uneingeschränkt zugelassen bleiben. Das Ziel des Gesetzgebers, Neugründungen von MVZ nach dem 1.1.2012 nur noch durch den in der Vorschrift genannten Kreis zuzulassen, würde unterlaufen, wenn MVZ, die von nach neuem Recht nicht gründungsberechtigten Personen gegründet worden sind, ihrerseits neue MVZ gründen könnten.“

Fazit:

Neugründungen von MVZs können tatsächlich nur durch die in der aktuellen Fassung des § 95 Absatz 1a SGB V genannten Leistungserbringer erfolgen. „Alte“ MVZ genießen zwar Bestandsschutz, können aber nicht mehr aktiv handeln und neue MVZ gründen.

Im betroffenen Fall hatte das streitige MVZ trotz des Rechtsstreits seine Tätigkeit zu einem sehr frühen Zeitpunkt aufgenommen: Der Apotheker hatte nämlich bereits kurz nach der ablehnenden Entscheidung des Zulassungsausschusses seine Gesellschaftsanteile an der Trägergesellschaft an einen Arzt übertragen, sodass das MVZ zugelassen werden konnte.

Prozessual interessant war in diesem Zusammenhang, dass sich die Gerichte – und auch das BSG – mit der rechtlichen Problematik befasst haben, obwohl sich die Frage eigentlich erledigt hatte. Die Gerichte bis hin zum BSG bejahten in diesem Falle die Zulässigkeit einer sogenannten Fortsetzungsfeststellungsklage. Eine solche Klage kann zulässig sein, wenn über die Erledigung hinaus ein besonderes rechtliches Interesse an der Klärung besteht.

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