04.07.2018

Das OLG Frankfurt a.M. hat sich kürzlich mit einer Frage befasst, die bei der Beratung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) sowie deren Gesellschaftern häufig auftritt: Unter welchen Voraussetzungen besteht ein Stimmrechts- und Vertretungsverbot von Gesellschaftern?

Der Sachverhalt:

In der Entscheidung des OLG Frankfurt a.M. gründeten Eltern mit ihren vier Kindern eine GbR. Zweck dieser GbR ist die Verwaltung mehrerer Grundstücke, welche mit Mehrfamilienhäusern bebaut sind. An dieser GbR war auch die Beklagte, eines der vier Kinder der Eltern, beteiligt. Die GbR ist die Klägerin des Verfahrens.
Neben der Gesellschaft vereinbarten die Eltern in einem weiteren Vertrag mit den vier Kindern, das jedem Kind das Recht zustehe, zwei Mietobjekte auf den Liegenschaften anzumieten. Diese Vereinbarung enthielt für die Mieter (Kinder) günstige Regelungen zur Miethöhe. Von diesem Recht machten neben der Beklagten noch ein weiteres Kind der Eltern Gebrauch.

Die Gesellschafter der Klägerin bestimmten auf einer Gesellschafterversammlung einstimmig, dass Beschlüsse über Maßnahmen der Geschäftsführung der GbR im Umlaufverfahren gefasst werden können, soweit der Gesellschaftsvertrag keine abweichende Regelung vorsieht. Die Beklagte hat diesem Beschluss zugestimmt; später hat sie diesem widersprochen. Im Anschluss daran kam es zum Streit zwischen der Klägerin und der Beklagten über die Miethöhe. Die drei Gesellschafter der Klägerin beschlossen daraufhin in einem Umlaufbeschluss, dass das Mietverhältnis der Klägerin mit der Beklagten gekündigt wird. Die Beklagte war weder an der Beschlusserörterung noch an der Abstimmung beteiligt. Im Anschluss erklärte die Klägerin (GbR), vertreten durch die drei weiteren Gesellschafter, gegenüber der Beklagten die Kündigung.


Das OLG in Frankfurt hat sich mit der Frage befasst, unter welchen Voraussetzungen in einer GbR ein Stimmrechts- und Vertretungsverbot von Gesellschaftern besteht.

Das OLG Frankfurt a.M. hatte neben mietrechtlichen Fragen darüber zu entscheiden, ob die GbR (Klägerin) durch die drei Gesellschafter bei der Kündigung gegenüber der vierten Gesellschafterin (Beklagten) ordnungsgemäß vertreten war. Das OLG Frankfurt a.M. verneinte dies. Die Kündigung der Klägerin gegenüber der Beklagten war unwirksam.

Die Entscheidung:

Das OLG Frankfurt a.M. hatte im Kern die Frage zu klären, ob und in welchem Umfang bei einer GbR ein Gesellschafter wegen „Interessenswiderstreits“ von der Beschlussfassung sowie der Vertretung ausgeschlossen werden kann. Eine ausdrückliche Regelung für den „Interessenswiderstreit“ enthält das Recht der GbR im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) nicht. Die gesetzlichen Regelungen sehen vor, dass einem Gesellschafter das Geschäftsführungs- und Vertretungsrecht durch Beschluss „der übrigen Gesellschafter“ entzogen werden kann.

Daraus wird abgeleitet, dass bei dieser Beschlussfassung der betroffene Gesellschafter nicht stimmberechtigt ist.

Demgegenüber sieht sowohl § 34 BGB als auch § 47 GmbHG den Ausschluss des Stimmrechts bei einem Vereinsmitglied oder bei einem Gesellschafter einer GmbH vor, wenn gegenüber diesem Vereinsmitglied/Gesellschafter ein Rechtsgeschäft „vorgenommen“ werden soll. Es stellt sich daher die Frage, ob diese Regelungen des Kapitalgesellschaftsrechts auch für das Recht der GbR Anwendung finden.
Das OLG Frankfurt a.M. hat zunächst festgestellt, dass eine allgemeine Übernahme dieser kapitalgesellschaftsrechtlichen Regelungen zum Stimmrechtausschluss sowie zum Vertretungsverbot einer GbR nicht angezeigt sei. Es müsse in jedem Einzelfall geprüft werden, ob der betreffende Gesellschafter von dem Stimmrecht aus „sachlichen Grund“ ausgeschlossen sei. In dem Urteilsfall nahm das OLG Frankfurt a.M. diesen „sachlichen Grund“ nicht an. Neben der Beklagten hat noch ein weiterer Gesellschafter von dem Angebot der Eltern Gebrauch gemacht und Immobilien nach der zusätzlichen Vereinbarung zwischen den Eltern und den Kindern angemietet. Die Regelung zur Miethöhe galt auch für das Mietverhältnis dieses weiteren Kindes. Wenn die Klägerin das Mietverhältnis gegenüber der Beklagten wegen dieser Regelung zur Miethöhe kündige, müsse dies aus Gründen der gesellschaftsrechtlichen Gleichbehandlung auch für das Mietverhältnis gegenüber dem anderen Gesellschafter gelten. Die Klägerin habe bei diesem Mietverhältnis gegenüber dem anderen Gesellschafter keine Kündigung in Erwägung gezogen, obwohl auch dieser Gesellschafter von den günstigen Regelungen zur Bestimmung der Miethöhe profitiert habe. Diese „Ungleichbehandlung“ verstoße gegen den Grundsatz der gesellschaftsrechtlichen Gleichbehandlung. Die Beklagte hätte daher bei der Beschlussfassung sowie bei der Kündigung des Mietverhältnisses beteiligt werden und ihr zustimmen müssen.

Empfehlung:

Die Entscheidung des OLG Frankfurt a.M. vom 22. März 2018 dürfte für diesen (Sonder-)Fall zutreffen. Es ist mit dem gesellschaftsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz kaum vereinbar, wenn eine Gesellschaft bei zwei vergleichbaren Mietverhältnissen mit Gesellschaftern ein Mietverhältnis wegen der Regelung zur Miethöhe kündigt, das andere Mietverhältnis zu einem anderen Gesellschafter aber unberührt lässt. Das OLG Frankfurt a.M. hat die Revision zugelassen. Die Klägerin hat die Revision beim BGH auch eingelegt. Die Praxis wird daher mit Interesse abwarten, welche Entscheidung der Bundesgerichtshof (BGH) dazu fällt.

Möglicherweise wird sich der BGH nicht die Mühe machen müssen wie das OLG Frankfurt a.M. Nach der Sachverhaltsschilderung war die Beklagte noch nicht einmal bei der Beschlussfassung über die Kündigung ihres Mietverhältnisses beteiligt. Nach allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Grundsätzen ist ein Beschluss nichtig, wenn ein Gesellschafter an der Beschlussfassung nicht beteiligt wird. Dies gilt unabhängig von einem etwaigen Stimmrechtsverbot. Selbst wenn ein Gesellschafter vom Stimmrecht ausgeschlossen ist, ist er an der Beschlussfassung zu beteiligen. Bei einer förmlichen Gesellschafterversammlung geschieht dies dadurch, dass der Gesellschafter an der Erörterung über diesen Tagesordnungspunkt teilnehmen kann, auch wenn er von der Abstimmung ausgeschlossen ist. Bei einem Umlaufbeschluss ist der Gesellschafter jedenfalls hiervon zu informieren. Ihm muss auch die Gelegenheit eingeräumt werden, die übrigen Gesellschafter von seiner Sicht der Dinge zu informieren. Ausnahmen werden nur bei Kapitalanlagegesellschaften diskutiert, wenn diese in der Rechtsform einer Personengesellschaft (GbR, OHG oder KG) geführt werden. Die Vertretungsbefugnis der Gesellschafter einer GbR ist gemäß § 714 BGB durch die Geschäftsführungsbefugnis begrenzt. Daraus folgt, dass Gesellschafter auch nur insoweit die Gesellschaft vertreten können, soweit es eine wirksame Geschäftsführungsmaßnahme gibt. Ist die Geschäftsführungsmaßnahme unwirksam − wie hier der Beschluss über die Kündigung des Mietverhältnisses −, haben die Gesellschafter keine Vertretungsmacht gegenüber der Gesellschaft. Haben die Gesellschafter ohne Vertretungsmacht für die Gesellschaft gehandelt, führt dies bei „einseitigen“ Rechtsgeschäften wie der Kündigung im Regelfall dazu, dass dieses „Rechtsgeschäft“ − hier die Kündigung − unwirksam ist. Das OLG Frankfurt a.M. hätte daher die Klage auch aus diesem Grund abweisen können.

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