11.07.2018 -

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 26.10.2017 (- 6 AZR 158/16 -) entschieden, dass die Verlängerung der gesetzlichen Kündigungsfrist in Arbeitsverträgen auf drei Jahre im Einzelfall unwirksam sein kann, weil der Arbeitnehmer durch eine so lange Frist in seiner grundrechtlichen Berufswahlfreiheit beschnitten wird.

Der Fall

Konkret ging es um die Eigenkündigung eines Speditionskaufmanns. In einer Zusatzvereinbarung zu seinem Arbeitsvertrag war bestimmt, dass nicht die gesetzlichen Kündigungsfristen aus § 622 BGB gelten sollten, sondern sowohl für Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer eine Frist von drei Jahren zum Monatsende. Außerdem enthielt die Vereinbarung eine Gehaltserhöhung von 1.400 Euro auf 2.400 bis 2.800 Euro im Monat für die nächsten drei Jahre.

Bei seiner Kündigung hielt der Arbeitnehmer die verlängerte Frist nicht ein und wurde von der Spedition verklagt. Diese wollte vom Arbeitsgericht Leipzig festgestellt wissen, dass das Arbeitsverhältnis bis zum Ende der Kündigungsfrist fortbesteht.


Eine Verlängerung der gesetzlichen Kündigungsfrist in einem Arbeitsvertrag kann dann unwirksam sein, wenn nicht ein angemessener Ausgleich für die Einschränkung der beruflichen Bewegungsfreiheit erfolgt. 

Die Entscheidung

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Sächsische Landesarbeitsgericht hat die Klage vollständig abgewiesen. Das BAG hat das Urteil des Landesarbeitsgerichts bestätigt.

Es betonte in seiner Entscheidung zwar, dass angesichts des verbreitet bestehenden Fachkräftemangels auf dem Arbeitsmarkt ein großes Interesse des Arbeitgebers bestehen kann, einen Arbeitnehmer so lange wie möglich an sich zu binden. Auf der anderen Seite müsse man aber auch die berufliche Bewegungsfreiheit von Arbeitnehmern berücksichtigen, die im Rahmen des Grundrechts auf Berufswahlfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes besonderen Schutz genießt. Der Arbeitnehmer hatte insoweit die Auffassung vertreten, dass es ihm praktisch unmöglich sei, einen neuen Arbeitsplatz zu finden, weil andere Arbeitgeber sich nicht auf eine Wartezeit von drei Jahren einlassen würden. Das BAG gab ihm hierin recht.

Es sah in der Zusatzvereinbarung eine Allgemeine Geschäftsbedingung (AGB) und keine individuell ausgehandelte Vertragsabrede, weil sie dem Arbeitnehmer lediglich zur Unterschrift vorgelegt wurde, ohne dass er wirklich Einfluss auf den Inhalt nehmen konnte. Auch wenn die Verlängerung der Kündigungsfrist mittelbar die Hauptleistung des Arbeitsvertrags berührt, weil die Pflicht zur Arbeit sich damit auf einen zeitlich verlängerten Rahmen erstreckt, hielt das BAG die Klausel für eine Nebenabrede, die nicht unmittelbar in das Gegenseitigkeitsverhältnis von Arbeit und Lohn fällt. Damit ist die Klausel einer gerichtlichen Inhaltskontrolle zugänglich gewesen.

Das BAG wies zunächst darauf hin, dass eine erheblich verlängerte Kündigungsfrist nicht grundsätzlich gesetzlichen Regelungsgedanken widerspricht (sog. Leitbildverstoß). Schließlich ergibt sich aus dem Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) in § 15 Abs. 4, dass sogar eine Bindung von bis zu fünf Jahren ohne Kündigungsmöglichkeit zuzüglich einer sechsmonatigen Kündigungsfrist zulässig sein kann.

Die Unwirksamkeit der Bestimmung ergab sich letztlich aber aus Treu und Glauben. Das BAG kam nach einer Abwägung der grundrechtlichen Positionen von Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu dem Ergebnis, dass die Verlängerung der Kündigungsfrist auf drei Jahre in AGB eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers gemäß § 307 Abs. 1 S. 1 BGB darstellt, wenn diese starke Bindung nicht durch einen erheblichen Vorteil auf Arbeitnehmerseite ausgeglichen werden kann. Der Arbeitgeber vertrat hierzu die Auffassung, dass dieser Vorteil sich einerseits aus der mitvereinbarten Gehaltserhöhung ergibt und andererseits aus dem Umstand, dass die Frist für beide Seiten gelten sollte.

Das BAG hielt das aber für zu wenig, um den Nachteil der stark eingeschränkten beruflichen Bewegungsfreiheit beim Arbeitnehmer auszugleichen, weil durch die Vereinbarung gleichzeitig weitere Gehaltserhöhungen für die nächsten drei Jahre ausgeschlossen waren und der Arbeitnehmer für das vereinbarte, erhöhte Arbeitsentgelt 45 Stunden in der Woche arbeitete. Auch den Einwand, dass die Dreijahresfrist ebenfalls für eine Kündigung durch den Arbeitgeber maßgeblich sein sollte, ließ es nicht gelten.

Fazit und Folgen für die arbeitsrechtliche Praxis

Insgesamt wird durch das Urteil die Position von Arbeitnehmern gestärkt, die beruflich bei der Wahl des Arbeitgebers beweglich bleiben wollen.

Arbeitgeber, denen – gerade in Zeiten des Fachkräftemangels – daran gelegen ist, kompetente Mitarbeiter so lange wie möglich an sich zu binden, müssen sich bei der Vertragsgestaltung künftig stärker an den gesetzlichen Kündigungsfristen orientieren und darauf achten, dass diese nicht zu erheblich überschritten werden. Verlässliche Grenzen nannte das BAG jedoch nicht. Auch wenn es nicht pauschal die Unwirksamkeit von dreijährigen Kündigungsfristen in AGB annimmt, sondern bei angemessenem Ausgleich im Einzelfall von deren Zulässigkeit ausgeht, wird dem Arbeitnehmer auf der anderen Seite doch ein erheblicher Vorteil versprochen werden müssen, der nicht nur in einer mäßigen Gehaltserhöhung liegen darf.

Co-Autor: Rechtsanwalt Christian Hrach.

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