18.09.2018 -

In vielen Fällen haben Arbeitgeber nur einen Verdacht gegen einen Arbeitnehmer, den sie noch nicht beweisen können, z.B. wegen Vortäuschung einer Arbeitsunfähigkeit oder einer unerlaubten Konkurrenztätigkeit. Es stellt sich dann für den Arbeitgeber die Frage, wie er weitere Beweismittel erlangen kann. Oftmals wird dann ein Detektivbüro eingeschaltet und mit der Überwachung des Arbeitnehmers beauftragt. Diese Überwachung greift aber in das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer ein. Aus diesem Grund unterliegt die Überwachung durch einen Detektiv strengen Voraussetzungen und ist auch an dem Beschäftigtendatenschutz des BDSG zu messen. Werden die Voraussetzungen nicht erfüllt, können die durch einen Detektiv erlangten Erkenntnisse in einem späteren arbeitsgerichtlichen Prozess nicht verwertet werden. Welche Anforderungen hier gelten und in welchen Fällen eine Verwertung zulässig ist, hat nun das Bundesarbeitsgericht in einem wichtigen aktuellen Urteil entschieden (BAG v. 29.6.2017, 2 AZR 597/16).


Das Bundesarbeitsgericht hat in einem wichtigen aktuellen Urteil entschieden, welche Voraussetzungen der Arbeitgeber bei Überwachung des Arbeitnehmers durch einen Detektiv zu erfüllen hat und wann eine spätere Verwertung zulässig ist.

Der Fall:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung sowie den Ersatz von Detektivkosten.

Der beklagte Arbeitgeber stellt Stanzwerkzeuge und -formen her. Der klagende Arbeitnehmer war bei dem Arbeitgeber bereits seit Dezember 1978 als Mitarbeiter im Stanzformenbau beschäftigt. Er war im Jahre 2014 mehrfach arbeitsunfähig krankgeschrieben. Seit dem 20. Januar 2015 war ihm durchgehend Arbeitsunfähigkeit attestiert. Der Arbeitgeber leistete an ihm Entgeltfortzahlung bis zum 2. März 2015.

Der Geschäftsführer des Arbeitgebers erhielt im Mai 2015 Kenntnis von einer E-Mail der M. GmbH, einer im Jahre 2013 gegründeten Firma der Söhne des Klägers. Die E-Mail war an eine Kundin des beklagten Arbeitgebers gerichtet. Darin hieß es u.a., man verkaufe als Familienunternehmen günstig Stanzformen, der Kläger montiere dort seit 38 Jahren, es sei unglaublich was er alles so hinbekomme.

Der Arbeitgeber gab daraufhin dem Arbeitnehmer Gelegenheit zur Stellungnahme wegen des Verdachts wettbewerbswidriger Konkurrenztätigkeit und des Vortäuschens einer Erkrankung. Dieser äußerte sich nicht.

Daraufhin kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos, hilfsweise ordentlich.

Der Arbeitnehmer wandte sich dagegen mit einer Kündigungsschutzklage. Er habe nicht in der Firma seiner Söhne gearbeitet, sondern sei tatsächlich arbeitsunfähig krank gewesen.

Der Arbeitgeber hingegen berief sich auf die Erkenntnisse eines Detektivbüros. Nach der E-Mail der M. GmbH aus Mai 2015 habe er ein Detektivbüro beauftragt. Ein Detektiv der sich als Fahrer einer Kundenfirma ausgegeben habe, habe den Kläger bei der Firma M. Tätigkeiten erbringen sehen, wie er sie ebenso bei der Beklagten zu verrichten gehabt hätte. Der Kläger schulde ihr daher Schadensersatz für die Detektivkosten in Höhe von 746,55 Euro.

Das Arbeitsgericht hat die Kündigungsschutzklage abgewiesen und den Kläger zum Ersatz der Detektivkosten verurteilt. Das Landesarbeitsgericht hat hingegen der Klage stattgegeben und den Erstattungsanspruch der Detektivkosten abgelehnt.

Die Entscheidung:

Im Revisionsverfahren hat das Bundesarbeitsgericht die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts aufgehoben, den Rechtsstreit aber zur erneuten Sachaufklärung und Verhandlung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

I. Wichtiger Grund zur fristlosen Kündigung

Zunächst hat das Bundesarbeitsgericht klargestellt, dass die Verstöße des Klägers „an sich“ einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung nach § 626 Abs. 1 BGB darstellen. Ein Arbeitnehmer, der während des bestehenden Arbeitsverhältnisses Konkurrenztätigkeiten entfaltet, verstößt gegen seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers aus § 241 Abs. 2 BGB. Es handelt sich in der Regel um eine erhebliche Pflichtverletzung, die „an sich“ geeignet ist, eine außerordentliche Kündigung zu rechtfertigen.

Dabei ist dem Arbeitnehmer aufgrund des Wettbewerbsverbotes nicht nur eine Konkurrenztätigkeit im eigenen Namen und Interesse untersagt. Es ist ihm ebenso wenig gestattet, einen Wettbewerber des Arbeitgebers zu unterstützen.

Das Erschleichen von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen kann ebenfalls einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung bilden. Das gilt nicht nur, wenn sich der Arbeitnehmer für die Zeit einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit Entgeltfortzahlung gewähren lässt und damit regelmäßig einen Betrug zu Lasten des Arbeitgebers begeht. Täuscht er eine Arbeitsunfähigkeit erst nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums vor, aber zu dem Zweck, während der attestierten Arbeitsunfähigkeit einer Konkurrenztätigkeit nachgehen zu können, verletzt er ebenfalls in erheblicher Weise seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Arbeitgebers.

II. Unzulässige Beweiserhebung durch Einsatz eines Detektives?

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht ist grundgesetzlich geschützt, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG. Eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts kann zu einem Sachvortrags- oder Beweisverwertungsverbot im Prozess führen. Das Gericht hat zu prüfen, ob die Verwertung von heimlich beschafften persönlichen Daten und Erkenntnissen mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Betroffenen vereinbar ist. Das Grundrecht schützt dabei neben der Privat- und Intimsphäre und seiner speziellen Ausprägung als Recht am eigenen Bild auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, dass die Befugnis garantiert, selbst über die Preisgabe und Verwendung persönlicher Daten zu befinden.

Die Bestimmungen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) über die Anforderungen an eine zulässige Datenverarbeitung konkretisieren und aktualisieren den Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und am eigenen Bild. Ist deshalb die Datenverarbeitung gegenüber einem betroffenen Arbeitnehmer nach den Vorschriften des BDSG zulässig, liegt insoweit keine Verletzung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung und am eigenen Bild vor.

Im vorliegenden Fall handelt es sich bei der Observation des Arbeitnehmers durch einen Detektiv im Juni 2015 im Auftrag des Arbeitgebers um eine Datenerhebung im Sinne des BDSG. Durch die Observation lag zugleich ein Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers vor. Dies gilt unabhängig davon, ob Fotos, Videoaufzeichnungen oder Tonmitschnitte angefertigt werden und damit zugleich ein Eingriff in das Recht am eigenen Bild bzw. Wort vorliegt. Ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung setzt auch nicht notwendig voraus, dass die Privatsphäre des Betroffenen ausgespäht wird.

III. Konkreter Verdacht notwendig

Das Bundesarbeitsgericht hat sehr ausführlich und auf vielen Seiten zu den Bestimmungen des Arbeitnehmerdatenschutzes in § 32 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BDSG Stellung genommen, die hier im Detail nicht wiederholt werden sollen. Im Ergebnis hat der 2. Senat klargestellt, dass eine verdeckte Überwachung zulässig ist, wenn sie das praktisch einzig verbleibende Mittel darstellt und sie insgesamt nicht unverhältnismäßig ist. Es muss auch nicht zwingend der Verdacht einer Straftat vorliegen, sondern es reicht aus, wenn andere schwere Verfehlungen zu Lasten des Arbeitgebers im Raum stehen. Das Landesarbeitsgericht hatte hingegen einen Verstoß gegen das BDSG angenommen, da keine konkrete Straftat im Raum stünde. Dem hat das Bundesarbeitsgericht widersprochen. Die Verfehlungen eines Arbeitnehmers gegen die Interessen des Arbeitgebers müssen nicht zugleich eine Straftat darstellen.

Hinweis für die Praxis:

Das Bundesarbeitsgericht hat allerdings den Rechtsstreit nicht abschließend entscheiden können, sondern zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen. Allerdings ist den Hinweisen des Bundesarbeitsgerichts zu entnehmen, dass es von einer Verhältnismäßigkeit und einer zulässigen Überwachung ausgeht.

Fazit:

Der Einsatz von Detektiven im Arbeitsverhältnis zur Überführung von Arbeitnehmern ist weiterhin grundsätzlich zulässig. Allerdings ist der Einsatz am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und den Maßstäben des Beschäftigtendatenschutzes des BDSG zu messen. Es bedarf eines konkreten Verdachts und mildere andere Mittel dürfen nicht zur Verfügung stehen bzw. müssen vorher ausgeschöpft werden. Hierauf haben Arbeitgeber zu achten, wenn sie einen Mitarbeiter wegen einer schweren Verfehlung verdächtigen. Wird vorschnell ein Detektiv eingeschaltet, kann dies zu einem Beweisverwertungsverbot im Prozess führen. Die Erkenntnisse eines Detektivbüros dürfen dann nicht verwertet werden. Diese Grundsätze sind daher dringend einzuhalten, um Rechtsnachteile zu vermeiden.

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