28.11.2018 -

Werden Kündigungen nicht von dem vertretungsberechtigten Organ der Gesellschaft unterzeichnet und ausgesprochen, müssen andere Personen im Unternehmen bevollmächtigt werden. Denkbar ist auch die Erteilung von Prokura oder die Ausübung einer Funktion, mit der üblicherweise die Befugnis zur eigenständigen Vornahme von Kündigungen einhergeht, insbesondere also bei einem Personalleiter. Dennoch kann es hier zu Unsicherheiten kommen, wenn bei Geschäftsführern oder Prokuristen Gesamtvertretung vorgesehen ist. Dies kann sogar zur Unwirksamkeit einer Kündigung führen, was eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg belegt (LAG Berlin-Brandenburg v. 21.06.2017, 17 Sa 180/17).


Eine aktuelle Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg belegt, dass wenn bei Geschäftsführern oder Prokuristen Gesamtvertretung vorgesehen ist, dies zur Unwirksamkeit einer Kündigung führen kann.

Der Fall:

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung. Die Arbeitnehmerin befand sich in einem befristeten Arbeitsverhältnis als Patientenberaterin. Noch vor Ablauf der Befristung kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis fristlos aus wichtigem Grund. Das Kündigungsschreiben trägt die Unterschrift des Prokuristen der Beklagten und einer Personalreferentin. Dem Prokuristen wurde von dem Arbeitgeber Gesamtprokura erteilt; er kann also den Arbeitgeber danach nur mit einem Geschäftsführer oder einem weiteren Prokuristen vertreten.

Die Personalreferentin fügte der Kündigung eine Handlungsvollmacht mit u.a. folgendem Wortlaut bei:

„Mit diesem Schreiben erteilt die … GmbH Frau J. Handlungsvollmacht gem. § 54 HGB. Frau J. ist berechtigt, das Unternehmen ab sofort in allen Personalangelegenheiten zusammen mit einem Geschäftsführer, einem Prokuristen oder einem anderen Handlungsbevollmächtigten zu vertreten.“

Die Klägerin wies die Kündigung unverzüglich zurück. Sie stellte in Abrede, dass der Prokurist und Frau J. zum Ausspruch der Kündigung bevollmächtigt waren. So habe der Prokurist nur Gesamtprokura, die eine gemeinsame Vertretung mit einer Handlungsbevollmächtigten nicht zulasse. Umgekehrt regele die Handlungsvollmacht allein die Bevollmächtigung der Frau J. und sei für die Vertretungsmacht des Prokuristen ohne Belang.

Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben.

Die Entscheidung:

Im Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht die Entscheidung des Arbeitsgerichts bestätigt.

I. Gesamtvertretung

Prokuristen oder anderen Personen in einem Unternehmen kann die Vertretung des Unternehmens übertragen werden. In Betracht kommt Einzelvertretungsbefugnis oder Gesamtvertretungsbefugnis. Ist ein Geschäftsführer oder Prokurist einzelvertretungsbefugt, so kann er das Unternehmen allein vertreten. Bei Gesamtvertretung aber eben nicht! In diesen Fällen bedarf es stets für die korrekte Außenvertretung der Hinzuziehung einer weiteren Person, die zur Mitzeichnung befugt ist.

Hinweis für die Praxis:

Bei der Einräumung der Vertretungsbefugnisse sollte sich die Gesellschaft Gedanken darüber machen, ob Gesamtvertretung sinnvoll ist. Natürlich führt die Bestimmung eines 4-Augen-Prinzipes zu wechselseitiger Kontrolle. Auf der anderen Seite müssen dann die Personen, die zur Mitvertretung notwendig sind, auch stets erreichbar sein, um das Unternehmen handlungsfähig zu halten.

II. Fehlende Gesamtvertretung

Im vorliegenden Fall wurde sowohl der Mitarbeiterin mit Handlungsvollmacht als auch dem Prokuristen Gesamtvertretung eingeräumt. Die Gesamtvertretung der Handlungsbevollmächtigten Frau J. war erfüllt. Sie hatte Vollmacht und hatte auch gemeinsam mit einem weiteren Prokuristen unterzeichnet, wie es in der Handlungsvollmacht vorgesehen war.

Aber: Der mitunterzeichnende Prokurist durfte nur mit einem weiteren Prokuristen oder der Geschäftsführung unterzeichnen. Für seine Gesamtvertretung genügte es also nicht, dass lediglich eine handlungsbevollmächtigte Person mitunterzeichnete. Dies führte hier zu dem etwas kuriosen Ergebnis, dass zwei gesamtvertretungsberechtigte Personen die Kündigung unterzeichnet hatten, eine wirksame Vertretung aber dennoch nicht vorlag. Die rechtzeitige und unverzügliche Zurückweisung der Kündigung nach § 174 BGB führte daher zur Unwirksamkeit der Kündigung.

Fazit:

Die Entscheidung macht einmal mehr deutlich, dass der Ausspruch von Kündigungen sorgfältig vorbereitet werden muss. Es geht nicht nur darum, den rechtzeitigen und fristgerechten Zugang zu gewährleisten. Der Arbeitgeber muss sich auch darüber Gedanken machen, wer die Kündigung unterzeichnet und ob die Vertretungsbefugnisse ausreichend sind. Besteht nur Gesamtvertretung, müssen mehrere Personen unterzeichnen. Dies gilt auch für Geschäftsführer. Ausnahmen bestehen nur dann, wenn Personen unterzeichnen, die üblicherweise mit der Befugnis zur eigenständigen Erklärung von Kündigungen ausgestattet sind, was die Rechtsprechung regelmäßig für Personalleiter bejaht. Hier genügt aber dann nicht allein die Position des Personalleiters, sondern die Arbeitnehmer müssen zusätzlich über die eigenständige Kündigungsbefugnis informiert werden. Auch dazu ist der Arbeitgeber beweisbelastet. In zweifelhaften Fällen sollten daher immer die vertretungsberechtigten Geschäftsführer unterzeichnen oder aber es sollten Vollmachtsurkunden im Original beigefügt werden.

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