Die Rechtslage im Falle eines ungeregelten Austritts Großbritanniens aus der EU hat der MEYER-KÖRING Anwalt Thomas Krümmel am 13. Februar in der ntv-Sendung Telebörse kommentiert: „Wir müssen uns ziemlich klar darauf einstellen, dass es mit dem geregelten Brexit nichts mehr wird“, so die Einschätzung des Fachanwalts für Internationales Wirtschaftsrecht.

Für Verbraucher, die von Deutschland aus einen Kaufvertrag mit einem britischen Unternehmen abschließen, ändert sich künftig wenig. Ein durch das Parlament in Westminster verabschiedetes, aber noch nicht voll in Kraft gesetztes Gesetz sieht vor, dass bei grenzüberschreitenden Verträgen die EU-Regeln zum Internationalen Vertragsrecht in nationales Recht umgewandelt werden. „Obwohl die Regierung sich hierfür ein 2-jähriges Änderungsrecht eingeräumt hat, können wir davon ausgehen, dass beispielsweise bei Online-Käufen weiterhin das Heimatrecht des Verbrauchers gilt“, so der Experte. Für Käufe im Land selbst gelten diese Regelungen freilich nicht, hier kommt nach dem Brexit rein nationales Recht zur Anwendung, dessen Einzelheiten bisher noch nicht vollständig absehbar sind. Bei einem Autokauf direkt vor Ort in England rät Thomas Krümmel deshalb erst einmal zur Vorsicht.


Ein durch das britische Parlament verabschiedetes Gesetz sieht vor, dass bei grenzüberschreitenden Verträgen die EU-Regeln zum Internationalen Vertragsrecht in nationales Recht umgewandelt werden. (Copyright MelindaNagy/stock.adobe)

Hier ein Überblick über die wichtigsten Verbraucherrechte:

Bei jetzt schon bestehenden Verträgen gilt:

  • Bisheriges Recht bleibt anwendbar. Der Rechtsgrundsatz pacta sunt servanda, nach dem sich jede Partei an das einmal Vereinbarte zu halten hat, gilt im deutschen wie im britischen Rechtssystem und ändert sich auch durch den Brexit, egal in welcher Erscheinungsform er kommen mag, nicht.
  • Die Vertragspartei in UK muss sich auch dann weiterhin an den Vertrag halten, wenn sich die wirtschaftlichen oder politischen Umstände infolge des Brexit verändern. Sowohl nach britischem als auch nach deutschem Recht reichen Zölle, schlechtere Wechselkurse oder Einfuhr- und Einreisebeschränkungen nicht aus, um eine Vertragsanpassung oder gar -aufhebung verlangen zu können.

Bei Verträgen, die noch vor dem Brexit neu abgeschlossen werden, gilt:

  • Um zu wissen, welche Rechte Verbrauchern bei einem grenzüberschreitenden Kauf zustehen, stellt sich immer die Frage, ob deutsches oder britisches Recht anwendbar ist, beispielsweise wenn Garantiemängel zu beseitigen sind. Das ist bis jetzt einfach, denn in D und UK richtet sich das nach einheitlichen EU-Regeln, der sog. Rom I-Verordnung.
  • Demnach gilt fast immer das Heimatrecht des Verbrauchers, für uns also deutsches Recht, wenn der Unternehmer (z.B. Verkäufer) seine Tätigkeit (auch) auf Deutschland ausgerichtet hat, also z.B. etwa bei Online-Angeboten oder Katalogversandhändlern.
  • Nur wenn der Vertrag wirklich mit jemandem abgeschlossen wird, der in UK handelt, beispielsweise wenn man in England im Laden eines englischen Händlers etwas kauft, war bisher schon UK-Recht anwendbar und wird es voraussichtlich auch weiterhin sein.

Bei Verträgen, die nach dem Brexit neu abgeschlossen werden, gilt:

  • Nach dem Brexit gibt es diese Vereinheitlichung nicht mehr. Aus deutscher Sicht bleibt zwar alles beim Alten. Wenn man also hier in Deutschland online etwas gekauft oder ersteigert hat und es treten später daran Mängel auf, dann gilt deutsches Recht als das Heimatrecht des Verbrauchers. Ob das aus britischer Sicht ebenfalls weiter so ist, hängt davon ab, ob Großbritannien den Stand des EU-Rechts – also auch die EU-Schutzvorschriften über anwendbares Recht – per Austrittstag ins nationale Recht übernimmt und auf die Anwendbarkeit deutschen Rechts verweist.
  • Ein Gesetz dieses Inhalts (den European Union [Withdrawal] Act 2018, kurz „EUWA 2018“) gibt es zwar schon. Ob es wirklich so in Kraft tritt und bleibt, steht aber noch in den Sternen. Die britische Regierung kann das Gesetz nämlich innerhalb von zwei Jahren nach dem Brexit noch umfassend ändern, und zwar durch einfache Ministerverordnung, an der das Parlament nicht beteiligt ist. Allerdings ist es ziemlich unwahrscheinlich, dass das UK gerade die Errungenschaften des europäischen Verbraucherschutzes über Bord werfen könnte, denn Verbraucherschutz spielt in Großbritannien traditionell eine sehr wichtige Rolle.
  • Angenommen, der EUWA 2018 träte so in Kraft, dann kann der deutsche Online-Käufer den britischen Verkäufer, falls die Reklamation z.B. über Amazon Marketplace oder eBay nach deren eigenen Regeln nicht klappt, nach deutschem Kaufrecht in Anspruch nehmen, also Nacherfüllung verlangen, zurücktreten, den Kaufpreis mindern sowie Schadens- oder Aufwendungsersatz verlangen.
  • Vorsicht aber beim Widerrufsrecht, das nicht zum Kern des Kaufrechts gehört und ausschließlich über die Umsetzung einer EU-Richtlinie in die nationalen Rechte aller Mitgliedstaaten gelangt ist, so auch in das britische Recht. Auch hier steht aber noch nicht fest, ob Großbritannien an dieser nationalen, von der EU herrührenden Regelung auch nach dem Brexit unverändert festhält. Das gleiche gilt für andere Verbraucherrechte wie die Rücksendung von Artikeln bei Nichtgefallen.
  • Wenn man direkt in UK kauft, gilt nach wie vor dortiges Recht. Es ist momentan aber aus den oben angeführten Gründen unklar, welche Ansprüche man dort konkret geltend machen kann.

Für Forderungsdurchsetzung gilt:

  • Wenn man gegen den Verkäufer vor Gericht muss, dann darf man das als deutscher Verbraucher vor und nach dem Brexit in Deutschland tun und muss nicht vor ein britisches Gericht ziehen. Die einheitlichen EU-Vorschriften, die zur gerichtlichen Zuständigkeit bislang in Deutschland und UK galten (die sog. Brüssel Ia-Verordnung), bleiben jedenfalls aus deutscher Sicht auch nach dem Brexit anwendbar; nur das ist für das angerufene deutsche Gericht nötig, um sich für zuständig zu erklären.
  • Allerdings wird das Verfahren schwieriger. Z.B. kann das deutsche Gericht Schriftstücke und Urteile nicht mehr nach denselben Regeln an den Verkäufer in UK zustellen wie bisher nach gemeinsamem EU-Recht. Und wenn man einmal ein Urteil in der Hand hat, ist es nicht mehr so einfach, in UK zu vollstrecken, es muss dort erst gerichtlich anerkannt werden. Auch hier ist derzeit ganz unklar, ob das UK in seinem nationalen Recht ähnliche Erleichterungen schaffen wird, wie sie bisher nach EU-Recht bestanden.
  • Vor und nach dem Brexit gilt als Faustregel, dass sich für einen deutschen Verbraucher Verfahren vor britischen Gerichten erst wirklich lohnen, wenn es um Beträge in einer Größenordnung ab etwa 3.000 Euro geht. Denn in UK gibt es keine gesetzlichen Anwaltsgebühren, und britische Anwälte sind in der Regel sehr teuer, sie arbeiten zu bisweilen hohen Stundenhonoraren. Auch gilt in UK nicht die deutsche Regelung, dass der Verlierer eines Verfahrens die ganzen Kosten zu tragen und dem Gegner dessen Kosten zu erstatten hat. Man muss also immer damit rechnen, auf den Kosten seiner anwaltlichen Vertretung in UK auch bei Obsiegen im Verfahren ganz oder teilweise sitzenzubleiben.

Fazit:

Bis auf Weiteres sollte man zumindest bei größeren, aus Deutschland heraus getätigten Verbraucherkäufen in UK die Entwicklung nach dem Brexit genau beobachten und im Zweifel eine Erstberatung durch einen qualifizierten Anwalt in Anspruch nehmen; diese kostet höchstens 190 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer. Kauft man selbst eine Ware vor Ort in UK, dann muss man sich vernünftigerweise so verhalten, wie wenn man in anderen Nicht-EU-Ländern (z.B. USA oder China) etwas kaufen will, nämlich äußerst vorsichtig und in dem Bewusstsein, im Zweifelsfall sein Geld nicht mit normalem Aufwand wiederzubekommen, wenn etwas schief geht.

Autor

Bild von  Thomas Krümmel, LL.M.
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