24.03.2019 -

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in vier Fällen zu Rückforderungsansprüchen privater Krankenversicherer entschieden (BGH Urteil vom 20.02.2019 – VIII ZR 7/18, VIII ZR 66/18, VIII ZR 115/18 und VIII ZR 189/18).

Den Verfahren lag eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs aus dem Jahr 2014 zugrunde, nach der die Leistungen für patientenindividuelle Arzneimittelzubereitungen durch Krankenhausapotheken – anders als Leistungen der öffentlichen Apotheken – nicht der Umsatzsteuerpflicht unterliegen.


Ein Urteil des BFH, nach dem patientenindividuelle Arzneimittelzubereitungen durch Krankenhausapotheken nicht der Umsatzsteuer unterliegen, führt zu einigen rechtlichen Unklarheiten rund um deren Rückforderung durch die privaten Krankenversicherer. (Copyright: Jacob Lund/stock.adobe.com)

Diese Entscheidung kam für die allermeisten Krankenhäuser und auch die privaten Krankenversicherer überraschend. Denn bis zum Jahr 2014 bestand der Konsens, dass auch diese Leistungen der Umsatzsteuer unterfielen. Die Krankenhäuser hatten in die Rechnungsbeträge bis dato jeweils die Umsatzsteuer hineingerechnet. Die privaten Krankenversicherer hatten ihren Versicherten diese Rechnungsbeträge anstandslos erstattet.

Nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofs haben die privaten Krankenversicherer von den Krankenhäusern die in den Rechnungsbeträgen enthaltene Umsatzsteuer in Höhe von 19 Prozent nun teilweise bis ins Jahr 2012 zurückgefordert. Die Krankenhäuser hatten allerdings die Umsatzsteuerbeträge bereits pflichtgemäß an das jeweils zuständige Finanzamt weitergeleitet, ggfs. gemindert um die gezogene Vorsteuer. In dieser Konstellation stellten sich nun einige rechtliche Fragen, die auch von den Gerichten teilweise konträr entschieden wurden, wie beispielsweise:

  • Kann der Umsatzsteueranteil als unselbstständiger Teil des Rechnungsbetrages zurückgefordert werden?
  • Ist die Vorsteuer zu berücksichtigen?

Die Entscheidung

Der Bundesgerichtshof hat diese rechtlichen Fragen nun beantwortet und damit für Klarheit gesorgt. Demnach ist nicht der ausgewiesene Umsatzsteueranteil zurückzuzahlen. Stattdessen sind die Parteien verpflichtet, im Rahmen der sogenannten ergänzenden Vertragsauslegung zu überlegen, was sie vereinbart hätten, wenn sie von der Befreiung von der Umsatzsteuerpflicht gewusst hätten.

Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Krankenhäuser durch die Umsatzsteuerfreiheit der Leistungen die von ihnen selbst im Einkauf an den Arzneimittelhersteller gezahlte Umsatzsteuer nicht mehr in Abzug bringen können. Hintergrund ist, dass Unternehmen, die umsatzsteuerpflichtige Leistungen erbringen, die selbst im Einkauf gezahlte Umsatzsteuer von der eingenommenen Umsatzsteuer abziehen können, weil die Belastung mit Umsatzsteuer nur den Endverbraucher betreffen soll. Der BGH geht also davon aus, dass die in dem Anteil von 19 Prozent enthaltene Vorsteuer als Bestandteil der Rechnung für die patientenindividuelle Herstellung auch im Rahmen einer ergänzenden Vertragsauslegung von beiden Parteien in der Rechnung enthalten sein würde.

Nach der Entscheidung ist vor der Entscheidung – ein Ausblick

Mit dieser Entscheidung muss als nächstes zwingend geklärt werden, wie hoch die Vorsteuer tatsächlich gewesen ist. Die Vorinstanzen hatten dazu keine Feststellungen getroffen, weswegen der BGH die Verfahren zur Klärung dieser Frage an die Instanzgerichte zurückverwiesen hat.

Die Ermittlung der Vorsteuer ist mit einigen Schwierigkeiten verbunden, denn in Krankenhausapotheken werden die verwendeten Arzneimittel häufig in den größtmöglichen Einheiten vom Hersteller bezogen. Anschließend wird die für das individuelle Rezept benötigte Menge entnommen. Eine eindeutige Zuordnung ist dadurch erschwert. Hinzu kommt, dass die Einkaufspreise stets schwanken. Die privaten Krankenversicherer fordern aber eine Erstattung von Rezepten teilweise aus dem Jahr 2012 zurück. Eine rückwirkende Ermittlung der einzelnen Einkaufspreise wäre aus den genannten Gründen für die Krankenhäuser mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden.

Mit dem BGH-Urteil wird also einiges klarer, aber vieles nicht einfacher. Es bleibt spannend, wie die Gerichte mit diesen Schwierigkeiten umgehen werden und ob sie eine Schätzung des Vorsteuerbetrages erlauben – oder tatsächlich von den Krankenhäusern für jedes einzelne Rezept einen Nachweis zur Vorsteuer verlangen.

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