24.03.2019 -

Gerade war in vielen Betrieben die Urlaubsplanung zum Jahresbeginn geschafft, da stand mit dem 31. März neuer Streit ins Haus: Denn dies ist der Stichtag, bis zu dem laut Bundesurlaubsgesetz der Resturlaub aus dem Vorjahr genommen werden muss. Insbesondere bei Arbeitnehmern, die ihren Urlaub gerne ansparen würden oder auf Grund besonderer Umstände ihren Urlaub nicht antreten konnten, sorgt diese Frist häufig für Unmut.

So konnten bzw. mussten Arbeitnehmer und Arbeitgeber bislang auf Grund der gesetzlichen Regelung davon ausgehen, dass nicht genommener Urlaub (mit Ausnahme der Sondersituation bei langzeiterkrankten Arbeitnehmern) zu diesem Stichtag verfällt.


Das BAG hat entschieden, dass Urlaubsansprüche nur dann verfalle können, wenn der Arbeitnehmer hierüber konkret und rechtzeitig informiert wurde. (Copyright: sharpi1980/stock.adobe)

Nach ganz aktueller Rechtsprechung kann an diesem Grundsatz jedoch so nicht mehr festgehalten werden. Am 19. Februar 2019 entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Umsetzung von Vorgaben des Europäischen Gerichtshofs, dass ein Verfall von Urlaubsansprüchen nur dann möglich ist, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer hierüber konkret und rechtzeitig informiert hat (BAG, Urteil vom 19. Februar 2019 – 9 AZR 541/15, bislang nur als Pressemitteilung 9/19).

Damit werden die Arbeitgeber viel mehr als zuvor in die Pflicht genommen, darauf zu achten, dass Arbeitnehmer ihren Urlaub auch tatsächlich nehmen.

Ausgangslage

Im Prinzip sind die Regelungen des Bundesurlaubsgesetzes eindeutig:

§ 7 Abs. 3 des Bundesurlaubsgesetzes lautet:

„Der Urlaub muss im laufenden Kalenderjahr gewährt und genommen werden. Eine Übertragung des Urlaubs auf das nächste Kalenderjahr ist nur statthaft, wenn dringende betriebliche oder in der Person des Arbeitnehmers liegende Gründe dies rechtfertigen. Im Fall der Übertragung muss der Urlaub in den ersten drei Monaten des folgenden Kalenderjahrs gewährt und genommen werden.“

Demnach können nicht genommene Urlaubstage nur dann ins Folgejahr übertragen werden, wenn dringende betriebliche oder persönliche Gründe vorliegen. Ist dies der Fall, muss der Urlaub aber bis 31. März genommen werden. Klassischerweise sind solche Gründe Krankheit, termin- bzw. saisongebundene Aufträge oder sonstige betriebliche Erfordernisse.

Außerhalb solcher Sondersituationen bzw. betrieblicher Regelungen gilt das Kalenderjahr als Bezugspunkt. Nach bisherigem Verständnis führte dies dazu, dass nicht genommener Urlaub entweder zum Jahresende (31. Dezember) oder spätestens zum 31. März des Folgejahres verfiel.

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG)

Nach dem aktuellen BAG-Urteil werden nun weitere Anforderungen an einen solchen Verfall gestellt. Auslöser hierfür war ein Vorabentscheidungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH).

Hintergrund: Dem BAG lagen im Jahr 2015 zwei Fälle zur Entscheidung vor, in denen jeweils nach dem Ende eines Arbeitsverhältnisses Streit über einen Verfall von nicht beantragtem Resturlaub entbrannt war. In einem Fall hatte ein Rechtsreferendar nie Urlaub beantragt, in einem anderen Fall blieb strittig, inwieweit ein Wissenschaftler in einem befristeten Arbeitsverhältnis von seinem Arbeitgeber dazu angehalten worden war, rechtzeitig seinen Resturlaub anzutreten.

Da das Urlaubsrecht in erheblichem Maße von europäischen Vorgaben beeinflusst wird (die sog. Arbeitszeitrichtlinie enthält Vorgaben zum Mindesturlaub), hatten die BAG-Richter dem EuGH 2016 zur Vorabentscheidung die Frage vorgelegt, ob das europäische Recht einem Verfall von Urlaubsansprüchen nach dem Verständnis des Bundesurlaubsgesetzes entgegensteht.
Im November 2018 entschied der EuGH dann, dass ein Arbeitnehmer seine Ansprüche auf den Mindesturlaub nicht automatisch deshalb verlieren dürfe, weil er zuvor keinen Urlaub beantragt hat (EuGH, Urteil vom 06.11.2018 – C-619/16; C-684/16).

Mit seinem aktuellen Urteil vom 19. Februar 2019 hat das BAG diese Vorgaben nun umgesetzt und präzisiert. Danach könne es zu einem Verfall von Urlaub in der Regel nur dann kommen,

„wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer zuvor konkret aufgefordert hat, den Urlaub zu nehmen, und ihn klar und rechtzeitig darauf hingewiesen hat, dass der Urlaub anderenfalls mit Ablauf des Urlaubsjahres oder Übertragungszeitraums erlischt.“

Der Arbeitgeber sei aber nicht gezwungen, dem Arbeitnehmer von sich aus Urlaub zu gewähren.

Auswirkungen für die Praxis

Arbeitgeber haben also konkret zum Urlaubsantritt aufzufordern und rechtzeitig auf sonst eintretenden Verfall hinzuweisen. Viele Einzelfragen zu diesen noch allgemeinen Vorgaben werden erst durch die weitere Rechtsprechung geklärt werden. Einige Schlussfolgerungen können aber bereits gezogen werden:

Wegen des Erfordernisses eines konkreten Hinweises ergeben sich Zweifel, dass die übliche Auflistung von Resturlaubsansprüchen in vielen Entgeltabrechnungen ausreicht. Arbeitgeber werden wohl konkretere Hinweise geben müssen und sollten dabei auf entsprechende Dokumentation und den Zugang beim Arbeitnehmer achten.

In Bezug auf den rechtzeitigen Hinweis dürfte es nicht reichen, den Arbeitnehmer erst dann zu informieren, wenn der Zeitraum bis zu einem Verfall gerade ausreicht, um die Urlaubstage zu gewähren. Denn durch den Erholungszweck des Urlaubs sollte dem Arbeitnehmer auch die Möglichkeit gegeben sein, seine Freizeit zu gestalten und nicht nur einem Verfall entgegenzuwirken. Offen bleibt auch, ob eine einmalige Information genügt oder ein regelmäßiger Hinweis erforderlich ist.

Fazit

Arbeitgeber müssen nun dringend ihr Urlaubsmanagement auf den Prüfstand stellen. Andernfalls kann es insbesondere beim Ausscheiden von Mitarbeitern teuer werden, wenn diese Resturlaubsansprüche geltend machen.

Oft dürfte sich auch eine Berücksichtigung bei der Gestaltung von Arbeitsverträgen empfehlen, indem dort bereits ein Hinweis erfolgt und außerdem der über den gesetzlichen Mindesturlaub hinausgehende Urlaub gesondert geregelt wird.

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