24.03.2019 -

Der Bundestag hat am 14.03.2019 das „Gesetz für schnellere Termine und bessere Versorgung“ (Terminservice- und Versorgungsgesetz, TSVG) beschlossen. Der Bundesrat muss nicht zustimmen, das Gesetz kann damit zum 01.05.2019 in Kraft treten.

Kern des Gesetzes sind die schnellere Vergabe von Facharztterminen, Vergütungsanreize für Haus- und Fachärzte, eine bessere Versorgung durch Heilmittel-Erbringer und die Digitalisierung im Gesundheitswesen.

Von großer Bedeutung sind aber auch Veränderungen im Regelwerk für Medizinische Versorgungszentren (MVZ). Hierzu wurde in Fachkreisen intensiv und teilweise sehr kontrovers diskutiert. Lange Zeit war auch insbesondere eine Regelung im Gespräch, die in Fällen, in denen die Nachbesetzung einer Angestelltenstelle im MVZ anstand, dem Zulassungsausschuss die Möglichkeit geben sollte, eine Nachbesetzung aus Gründen der vertragsärztlichen Versorgung abzulehnen – übrigens ohne Entschädigungszahlung an das betroffene MVZ. Auch die Rolle von Kapitalinvestoren war Gegenstand intensiver Debatten, insbesondere in Bezug auf die zahnärztliche Versorgung und die Dialyse.


Am 1. Mai 2019 tritt das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) in Kraft. Von großer Bedeutung sind damit auch Veränderungen im Regelwerk für Medizinische Versorgungszentren (MVZ), insbesondere für zahnärztliche. (Copyright: Cherries/adobe.stock)

Was ist nun am Ende für MVZ herausgekommen?

Viele der besonders kontrovers diskutierten Regelungen sind so abschließend dann doch nicht in das Gesetz eingeflossen. Die relevantesten Veränderungen betreffen zahnärztliche MVZs. Für „normale“ MVZs war die Lobbyarbeit ihrer Interessenvertretungen hingegen durchaus erfolgreich.

Die wesentlichen Regelungen:

Praxisnetze als zulässige MVZ Träger

Anerkannte Praxisnetze nach § 87b Abs. 2 S. 3 SGB V sind nun in den Kreis der zulässigen MVZ-Träger aufgenommen. Die im ursprünglichen Gesetzentwurf enthaltene Einschränkung, dass die MVZ-Gründungsberechtigung auf Gebiete mit festgestellter Unterversorgung beschränkt werden soll, ist nicht umgesetzt worden. Die genannten Praxisnetze können nunmehr uneingeschränkt neben den anderen möglichen MVZ-Gründern stehen.

Regelungen für Erbringer nichtärztlicher Dialyseleistungen

Enger werden die Zulassungsvoraussetzungen, wenn Erbringer nichtärztlicher Dialyseleistungen MVZs gründen wollen. Waren diese in der bisherigen Gesetzesfassung uneingeschränkt zur Gründung von MVZs berechtigt, beschränkt die neue Regelung dies nun auf fachbezogene medizinische Versorgungszentren. Hintergrund dieser Regelung ist auch hier die Sorge vor einem zu großen Einfluss von Finanzinvestoren bzw. der „Industrie“.

Ein „Fachbezug“ im gerade genannten Sinne besteht auch für die „mit Dialyseleistungen zusammenhängenden ärztlichen Leistungen im Rahmen einer umfassenden Versorgung der Dialysepatienten“. Hier ist absehbar, dass die Interpretation dieser zusätzlichen Voraussetzung (wann und bis zu welcher Grenze hängen ärztliche Leistungen „zusammen“? Was genau ist eine „umfassende Versorgung“) Raum für Kontroversen bieten wird.

In den Gesetzesmaterialien findet sich hierzu folgendes Beispiel:

„Zulässig sind beispielsweise hausärztliche, internistische, urologische, kardiologische und radiologische Leistungen. Dies trägt zu einer umfassenden fachübergreifenden Versorgung bei, innerhalb derer sämtliche fachbezogene Versorgungsbereiche abgedeckt werden können. Die Regelung bezieht sich dabei lediglich auf die Gründungsbefugnis und enthält keine Einschränkungen für die Behandlung bestimmter Patientengruppen“.

Für nach dem bisherigen geltenden Recht zugelassene MVZ in der Trägerschaft nichtärztlicher Dialyseleistungen gibt es einen Bestandsschutz.

Angestellte Ärzte: Gesellschafteranteile am MVZ

Bereits seit einigen Jahren ist geregelt, dass die Gründereigenschaft auch für solche Ärzte erhalten bleibt, die ihren Vertragsarztsitz in ein MVZ zum Zwecke dessen Gründung oder Erweiterung einbringen und sich anschließend dort als angestellte Ärzte betätigen. Ein (vormaliger) Vertragsarzt kann sich also in seinem eigenen MVZ anstellen lassen und insoweit auch auf seine Zulassung verzichten, ohne die Gründereigenschaft zu verlieren.

Das TSVG ermöglicht nun auch angestellten Ärzten, Gesellschaftsanteile zu übernehmen – und zwar nicht nur von solchen Gesellschaftern, die selbst auf ihre Zulassung verzichtet hatten, sondern insgesamt von ärztlichen Gesellschaftern des MVZ. Der Gesetzgeber führt in seiner Begründung (gekürzt) aus:

„Mit der Änderung wird zum einen klargestellt, dass in einem MVZ angestellte Ärzte auch Gesellschaftsanteile von Ärzten in dem MVZ übernehmen können, die nicht auf ihre Zulassung zugunsten einer Anstellung verzichtet haben, sondern ihren Vertragsarztstatus beibehalten haben. Zudem soll klargestellt werden, dass die Übernahme von Gesellschaftsanteilen durch die in einem MVZ angestellten Ärzte jederzeit und damit nicht erst dann erfolgen kann, wenn der letzte gründungsberechtigte Arzt aus dem MVZ ausscheidet und damit der Wegfall der Gründungsvoraussetzungen droht. So kann beispielsweise bei einem von drei Vertragsärzten gegründeten MVZ bereits beim Ausscheiden des ersten (Mit-)Gründers dessen Gesellschaftsanteile von einem in der MVZ angestellten Ärzten bzw. einem in dem MVZ angestellten Arzt übernommen werden.“

Besondere Regelungen für zahnärztliche MVZs

Umfangreiche Regelungen, die politisch besonders heftig diskutiert worden waren, finden sich zur Gründungsbefugnis von zahnärztlichen MVZs durch Krankenhäuser. Das klingt nur auf den ersten Blick befremdlich. Hintergrund ist die Sorge des Gesetzgebers vor dem Einfluss von Kapitalinvestoren. Für solche Investoren stellt der Weg über den Erwerb eines Krankenhauses – und damit eines tauglichen Gründers für MVZs – den Weg dar, rein zahnärztliche MVZs gründen und betreiben zu können. Der Gesetzgeber sah diese Entwicklung ausgesprochen kritisch. In dieser Haltung wurde er, wenig überraschend, maßgeblich von den zahnärztlichen Standesvertretungen bestärkt.

Die Gründungsbefugnis von Krankenhäusern für zahnärztliche MVZ ist durch die Vorgabe des Gesetzes nun künftig von der Wahrung bestimmter Versorgungsanteile abhängig, die durch die von einem Krankenhaus gegründeten, beziehungsweise betriebenen MVZ nur noch maximal erreicht werden dürfen. Diese Anteile richten sich prozentual gestaffelt nach dem Versorgungsgrad des jeweiligen Planungsbereiches. Im Einzelnen regelt der dazu neu eingefügte § 95 Abs. 1b SGB V:

„Ein zahnärztliches medizinisches Versorgungszentrum kann von einem Krankenhaus nur gegründet werden, soweit der Versorgungsanteil der vom Krankenhaus damit insgesamt gegründeten zahnärztlichen medizinischen Versorgungszentren an der vertragszahnärztlichen Versorgung in dem Planungsbereich der Kassenzahnärztlichen Vereinigung, in dem die Gründung des zahnärztlichen medizinischen Versorgungszentrums beabsichtigt ist, 10 Prozent nicht überschreitet. In Planungsbereichen, in denen der allgemeine bedarfsgerechte Versorgungsgrad um bis zu 50 Prozent unterschritten ist, umfasst die Gründungsbefugnis des Krankenhauses für zahnärztliche medizinische Versorgungszentren mindestens fünf Vertragszahnarztsitze oder Anstellungen.

Abweichend von Satz 1 kann ein Krankenhaus ein zahnärztliches medizinisches Versorgungszentrum unter den folgenden Voraussetzungen gründen:

1. in einem Planungsbereich, in dem der allgemeine bedarfsgerechte Versorgungsgrad um mehr als 50 Prozent unterschritten ist, sofern der Versorgungsanteil der vom Krankenhaus damit insgesamt gegründeten zahnärztlichen medizinischen Versorgungszentren an der vertragszahnärztlichen Versorgung in diesem Planungsbereich 20 Prozent nicht überschreitet,

2. in einem Planungsbereich, in dem der allgemeine bedarfsgerechte Versorgungsgrad um mehr als 10 Prozent überschritten ist, sofern der Versorgungsanteil der vom Krankenhaus gegründeten zahnärztlichen medizinischen Versorgungszentren an der vertragszahnärztlichen Versorgung in diesem Planungsbereich 5 Prozent nicht überschreitet.

Der Zulassungsausschuss ermittelt den jeweils geltenden Versorgungsanteil auf Grundlage des allgemeinen bedarfsgerechten Versorgungsgrades und des Standes der vertragszahnärztlichen Versorgung. Hierzu haben die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen umfassende und vergleichbare Übersichten zum allgemeinen bedarfsgerechten Versorgungsgrad und zum Stand der vertragszahnärztlichen Versorgung am 31. Dezember eines jeden Jahres zu erstellen. Die Übersichten sind bis zum 30. Juni des jeweils folgenden Jahres zu erstellen und in geeigneter Weise in den amtlichen Mitteilungsblättern der Kassenzahnärztlichen Vereinigungen zu veröffentlichen. Die Sätze 1 bis 6 gelten auch für die Erweiterung bestehender zahnärztlicher medizinischer Versorgungszentren eines Krankenhauses.“

Fazit:

Die Regelungen im TSVG sind, jedenfalls für nicht-zahnärztliche MVZs, „glimpflich“ ausgegangen. Die im Vorfeld befürchtete Möglichkeit, dass auch Angestelltensitze eingezogen werden können, ist nicht Realität geworden. Darüber hinaus enthält das TSVG einige vernünftige und flexible Regelungen, insbesondere in Bezug auf die Gesellschafterstellung von Angestellten.

Die wirklich auffälligen und intensiven Eingriffe beschränken sich auf die zahnärztlichen MVZs, wenn diese von Krankenhäusern gegründet werden sollen. Spannend bleibt, ob diese gesetzlichen Veränderungen von den betroffenen Investoren kampflos hingenommen werden oder ob versucht wird, hier eine verfassungsrechtliche Überprüfung der neuen Regelungen herbeizuführen. Auf entsprechende rechtliche Auseinandersetzungen darf man gespannt sein.

Lorbeerkranz

Auszeichnungen

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    (FOCUS SPEZIAL 2022, 2021, 2020 - 2013)

  • Top-Anwalt (Wolf Constantin Bartha) für Medizinrecht
    (WirtschaftsWoche 2023, 2022, 2021, 2020)

  • „Eine der besten Wirtschaftskanzleien für Gesundheit und Pharmazie„
    (brand eins Ausgabe 23/2022, 20/2021, 16/2020)

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