08.05.2019 -

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat sich in einer Entscheidung mit Fragen des Annahmeverzugs befasst. Wie muss ein Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung konkret anbieten? Welche Besonderheiten gelten im Rahmen einer stufenweisen Wiedereingliederung in das Erwerbsleben? Der zuständige 5. Senat  hat sehr genau differenziert und – trotz Angebot der Arbeitsleistung – den Annahmeverzug abgelehnt. Die Entscheidung (BAG v. 6.12.2017, 5 AZR 815/16) ist von großer praktischer Bedeutung.


Das Bundesarbeitsgericht (BAG ) hat in seiner Entscheidung betont, dass für Arbeitgeber keine Pflicht besteht, ein Wiedereingliederungsverhältnis durchzuführen.

Der Fall:

Der klagende Arbeitnehmer ist bei dem beklagten Land als Lehrer beschäftigt. Er war bereits seit März 2007 arbeitsunfähig erkrankt und befand sich von Februar 2008 bis Mitte Mai 2009 in Behandlung einer Fachärztin. Diese empfahl am 18. Mai 2009 eine Maßnahme zur stufenweisen Wiedereingliederung in das Erwerbsleben. Das beklagte Land hat die Wiedereingliederung abgelehnt.

Mit zwei anwaltlichen Schreiben teilte der Bevollmächtigte des Klägers mit, es müsse eine Lösung zur Beschäftigung gefunden werden und auch weiterhin soll eine Wiedereingliederung erfolgen. Mit einem dritten Schreiben vom 14. Oktober 2009 übermittelte dann der Kläger eine hausärztliche Bescheinigung, die sofortige volle Arbeitsfähigkeit attestierte. In dem Schreiben führte er u.a. aus:

„… Besteht nunmehr die Verpflichtung unseren Mandanten zu beschäftigen und zu vergüten. (…)“

Der Kläger forderte dann für die Zeit bis September 2011 Vergütung wegen Annahmeverzugs, hilfsweise Schadensersatz unter Abzug erhaltener Sozialleistungen. Er meint, ab 1. September 2009 wieder arbeitsfähig gewesen zu sein. Das Arbeitsgericht hat die Klage gerichtet auf Zahlung in Höhe von 81.503,94 € brutto abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat hingegen der Zahlungsklage stattgegeben.

Die Entscheidung:

Im Revisionsverfahren hat das Bundesarbeitsgericht die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts aufgehoben und die Zahlungsklage – wie das Arbeitsgericht – abgewiesen.

I. Voraussetzungen Annahmeverzug

Der Arbeitgeber kommt in Annahmeverzug, wenn er im erfüllbaren Arbeitsverhältnis die ihm angebotene Leistung nicht annimmt. Im unstreitig bestehenden Arbeitsverhältnis muss der Arbeitnehmer die Leistung tatsächlich anbieten, § 294 BGB. Ein wörtliches Angebot (§ 295 BGB) genügt nur, wenn der Arbeitgeber ihm erklärt hat, er werde die Leistung nicht annehmen oder sei nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer in einem die tatsächliche Heranziehung übersteigenden Umfang zu beschäftigen.

Hinweis für die Praxis:

Lediglich für den Fall einer unwirksamen Arbeitgeberkündigung geht die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts davon aus, ein Angebot der Arbeitsleistung sei regelmäßig nach § 296 BGB entbehrlich.

II. Angebot im Wiedereingliederungsverhältnis

Das Angebot einer Tätigkeit in einem Wiedereingliederungsverhältnis im Sinne von § 74 SGB V reicht nicht aus. Das Wiedereingliederungsverhältnis ist nicht Teil des Arbeitsverhältnisses. Anders als das Arbeitsverhältnis ist das Wiedereingliederungsverhältnis nicht durch den Austausch von Leistung und Gegenleistung gekennzeichnet, sondern durch den Rehabilitationszweck. Die Tätigkeit des Arbeitnehmers ist auf die Wiedererlangung der Arbeitsfähigkeit und nicht auf die Erfüllung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung gerichtet. Arbeitgeber und Arbeitnehmer sind, weil die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers andauert, während des Wiedereingliederungsverhältnisses weiterhin von den Hauptleistungspflichten des Arbeitsverhältnisses befreit.

Hinweis für die Praxis:

Im Wiedereingliederungsverhältnis erbringt damit der Arbeitnehmer nicht die geschuldete Arbeitsleistung. Es besteht deshalb kein Anspruch auf die arbeitsvertraglich vereinbarte Vergütung.

III. Arbeitsangebot hier nicht ausreichend

Die Schreiben des Prozessbevollmächtigten des Klägers enthalten keine Angebote auf Arbeitsleistung in diesem geforderten Sinne. Angeboten wurde lediglich eine Tätigkeit im Rahmen eines Wiedereingliederungsverhältnisses. Auch das letzte Schreiben enthält nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts kein konkretes auf die Erbringung der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung gerichtetes Angebot. Die bloße Forderung des Klägers, ihn aufgrund des schon abgegebenen Arbeitsangebotes nunmehr zu beschäftigen und zu vergüten, greift nicht durch. In der Vergangenheit hatte nämlich der Arbeitnehmer die zu bewirkende Arbeitsleistung nur in einem Wiedereingliederungsverhältnis angeboten. Das Bundesarbeitsgericht hat deshalb das Arbeitsangebot nicht ausreichen lassen.

Fazit:

Die Feinheiten dieses Falles haben damit weitreichende Auswirkungen. Das bloße Arbeitsangebot im Rahmen einer stufenweisen Wiedereingliederung (Hamburger Modell) bewirkt noch nicht den Annahmeverzug. Arbeitnehmer müssen daher, wenn sie von ihrer Arbeitsfähigkeit ausgehen, ihre Arbeitsleistung erneut und nochmals ausdrücklich anbieten. Sie müssen sich mit der gebotenen Deutlichkeit äußern und von bisherigen Arbeitsangeboten Abstand nehmen, damit rechtlich wirksam die vertraglich geschuldete Leistung angeboten wird.

Das Bundesarbeitsgericht hat des Weiteren nochmals erfreulich klargestellt, dass Arbeitgeber keine Pflicht haben, ein Wiedereingliederungsverhältnis durchzuführen. Es gilt für beide Seiten das Prinzip der Freiwilligkeit. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn der Arbeitnehmer als schwerbehinderter Mensch anerkannt oder einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt ist. Für diesen Personenkreis darf ein Wiedereingliederungsverhältnis nicht abgelehnt werden.

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