14.07.2019

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 13. April 2019 – II ZR 317/17 – über die Vertretungsbefugnis des Verwaltungsrates nach Sparkassengesetz Mecklenburg-Vorpommern („SpkG MV“) gegenüber dem Vorstand entschieden. Die Entscheidung betrifft auch Grundfragen der Kompetenzabgrenzung innerhalb einer Körperschaft und ist daher über die Auslegung des Sparkassengesetz Mecklenburg-Vorpommern hinaus interessant.


Eine aktuelle BGH-Entscheidung zur Vertretungsbefugnis des Verwaltungsrates nach Sparkassengesetz Mecklenburg-Vorpommern betrifft auch Grundfragen der Kompetenzabgrenzung innerhalb einer Körperschaft. (Copyright: Blackoskala/adobe.stock)

Der Sachverhalt:

Der Kläger war ein ehemaliges stellvertretendes Mitglied des Vorstandes einer Sparkasse in Mecklenburg-Vorpommern. Für das Revisionsverfahren zu unterstellen war, dass es sich um ein beratendes stellvertretendes Vorstandsmitglied gemäß § 19 Abs. 1 S. 3 SpkG MV handelte. Dieser Aspekt ist von Bedeutung. Das Anstellungsverhältnis bestand nicht gegenüber der Beklagten, sondern gegenüber einer Rechtsvorgängerin. Der Kläger begehrte von der Beklagten im Wege einer Stufenklage Zahlung und Auskunft. Die Klage war an die beklagte Sparkasse gerichtet, vertreten durch ihren Vorstand.

Das Landgericht gab dem Zahlungsantrag statt, soweit dieser beziffert war, und verurteilte die Beklagte zur Auskunft. Das Berufungsgericht wies die Berufung der Beklagten zurück. Die Revision hatte dagegen Erfolg. Der BGH verwarf die Klage als unzulässig.

Die Entscheidung:

Die Ausgangslage ist ein typischer Fall des Kapitalgesellschaftsrechts: Wer vertritt die Körperschaft bei Rechtsgeschäften und Gerichtsverfahren gegenüber (ehemaligen) Vorstandsmitgliedern? Für das Aktienrecht ist dies in § 112 S. 1 AktG geregelt: Der Aufsichtsrat vertritt die Aktiengesellschaft gegenüber dem Vorstand gerichtlich und außergerichtlich. Für das Aktienrecht ist seit langem geklärt, dass diese Vertretungsbefugnis des Vorstandes sämtliche gerichtliche und außergerichtlichen Verfahren gegenüber den Vorstandsmitgliedern betrifft und zwar sowohl gegenüber den aktuell berufenen Vorstandsmitgliedern als auch gegenüber den ausgeschiedenen.

Auf diesen Grundsätzen konnte der BGH für die Auslegung des Sparkassengesetzes Mecklenburg-Vorpommern aufbauen. Gemäß § 8 Abs. 6 SpkG MV wird die Sparkasse gegenüber dem Vorstand durch den Verwaltungsrat vertreten, wobei für diesen das vorsitzende Mitglied handelt. Die relevante Frage war nun, wer „Vorstand“ im Sinne dieser Vorschrift ist.

Unproblematisch war noch die Fragestellung, dass die Vertretungsbefugnis auch für ehemalige Vorstandsmitglieder gilt. Der II. Senat hat insoweit die Grundsätze des Aktienrechts auch auf das Sparkassengesetz Mecklenburg-Vorpommern übertragen. Ebenfalls unproblematisch war, dass das klagende ehemalige Vorstandsmitglied zu keinem Zeitpunkt Vorstand des jetzigen Rechtsträgers war, sondern „nur“ eines Rechtsvorgängers. Auch insoweit hat der II. Senat die aktienrechtliche Rechtsprechung übernommen: Die Vertretungsbefugnis des Verwaltungsrates gilt auch gegenüber Vorstandsmitgliedern von Rechtsvorgängern, selbst wenn diese Vorstandsmitglieder zu keinem Zeitpunkt Vorstände des aktuell betroffenen Rechtsträgers waren.

Das eigentliche Problem in dem Sachverhalt war die Auslegung des Sparkassengesetz Mecklenburg-Vorpommern. Gemäß § 8 Abs. 6 SpkG MV vertritt der Verwaltungsrat die Sparkasse gegenüber „dem Vorstand“. Der Vorstand ist in § 19 Abs. 1 SpkG NRW definiert. Neben den ordentlichen Mitgliedern des Vorstandes gibt es gemäß § 19 Abs. 1 S. 2 SpkG NRW stellvertretende Mitglieder, die nach Maßgabe der Bestellung ständiges und volles Stimmrecht im Vorstand besitzen. Davon getrennt in § 19 Abs. 1 S. 3 SpkG MV gibt es aber auch stellvertretende Mitglieder des Vorstandes, die (nur) an den Sitzungen des Vorstands beratend teilnehmen und im Falle der Verhinderung von Vorstandsmitgliedern deren Aufgabe wahrnehmen. Von der Subsumtionstechnik her war es daher möglich, unter „Vorstand“ neben den ordentlichen Vorstandsmitgliedern auch „sämtliche“ stellvertretende Vorstandsmitglieder zu fassen, demnach sowohl die stellvertretenden Vorstandsmitglieder mit Stimmrecht als auch diejenigen, welche nur beratend und ohne Stimmrecht tätig sind.

Dieses Verständnis steht allerdings in einem Widerstreit zu dem Aufgabenkatalog des Verwaltungsrats gemäß § 8 Abs. 2 SpkG MV. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SpkG MV beschließt der Verwaltungsrat über die Bestellung, Anstellung, Abberufung und Kündigung der Mitglieder und der stellvertretenden Mitglieder des Vorstandes. Der Wortlaut bezieht sich auf „sämtliche“ Vorstandsmitglieder, neben den ordentlichen auf beide Gruppen von stellvertretenden Vorstandsmitglieder.

Gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 3 SpkG MV beschließt der Verwaltungsrat allerdings nur über die Bedingungen des Anstellungsvertrages mit den Mitgliedern und stellvertretenden Mitgliedern des Vorstandes nach § 19 Abs. 1 S. 2 SpkG MV. In § 19 Abs. 1 S. 2 SpkG MV sind aber nur die stellvertretenden Vorstandsmitglieder aufgeführt, die auch ein Stimmrecht haben. Die stellvertretenden Vorstandsmitglieder ohne Stimmrecht sind in § 19 Abs. 1 S. 3 SpkG MV definiert. Der Kläger war nach eigenem Vortrag ein solches stellvertretendes Vorstandsmitglied ohne Stimmrecht.

Eine vergleichbare Diskrepanz gibt es bei § 24 SpkG MV zu dem Dienstvorgesetzten. Gemäß § 24 Abs. 3 SpkG MV ist das vorsitzende Mitglied des Verwaltungsrates Dienstvorgesetze der ordentlichen und der stellvertretenden Vorstandsmitglieder nach § 19 Abs. 1 S. 2 SpkG MV. Gegenüber den übrigen Mitarbeitern der Sparkasse ist der Vorstand der Dienstvorgesetzte. Aus dem Gegenschluss zu § 24 Abs. 3 SpK MV müsste daher abgeleitet sein, dass der Vorstand Dienstvorgesetzter der stellvertretenden Vorstandsmitglieder gemäß § 19 Abs. 2 S. 3 SpkG MV ist; demnach derjenigen Vorstandsmitglieder, die kein Stimmrecht haben und nur beratend tätig sind.

Aus diesen unterschiedlichen Regelungen für die stellvertretenden Vorstandsmitglieder mit Stimmrecht gemäß § 19 Abs. 1 S. 2 SpkG MV und den stellvertretenden Vorstandsmitgliedern ohne Stimmrecht gemäß § 19 Abs. 1 S. 3 SpkG MV könnte auch abgeleitet werden, dass der Verwaltungsrat nur Vertretungsbefugnis gegenüber den ordentlichen Mitgliedern des Vorstandes und den stellvertretenden Mitglieder des Vorstandes gemäß § 19 Abs. 1 S. 2 SpkG MV hat; dagegen nicht gegenüber den stellvertretenden Vorstandsmitgliedern ohne Stimmrecht gemäß § 19 Abs. 1 S. 3 SpkG MV. Der Wortlaut in § 8 Abs. 5 SpkG MV „gegenüber dem Vorstand“ müsste insoweit einschränkend ausgelegt werden.

Der BGH ist einen anderen Weg gegangen. Trotz dieser gesetzlichen Diskrepanzen bei § 8, den Aufgaben des Verwaltungsrates, sowie bei § 24 SpkG MV, dem Dienstvorgesetzten, hat der BGH eine Vertretungsbefugnis des Verwaltungsrates auch für die stellvertretenden Vorstandsmitglieder gemäß § 19 Abs. 1 S. 3 SpkG MV angenommen. Begründet hat der BGH dies mit Verweis auf die gesetzliche Systematik. Wenn der Gesetzgeber für bestimmte Bereiche unterschiedliche Regelungen für die beiden Typen von stellvertretenden Vorstandsmitgliedern gemacht hat, hätte er eine solche Unterscheidung auch bei der Vertretungsbefugnis vornehmen müssen. Der Wortlaut von § 8 Abs. 6 SpkG MV sieht insoweit aber keine Unterscheidung vor.


Stellungnahme:

Möglicherweise hat sich der BGH die Beantwortung der Frage etwas zu leicht gemacht. Sparkassen sind historisch eine eigene Rechtsform. Vom Typ her sind sie der Aktiengesellschaft und der Genossenschaft vergleichbar. Bei einer Aktiengesellschaft gilt der Grundsatz, dass der Aufsichtsrat nur insoweit vertretungsbefugt ist, soweit das Gesetz eine Vertretungsbefugnis zulässt. Gleiches gilt im Grundsatz auch für die Genossenschaft. Eine Vertretungsbefugnis nach außen bedeutet notwendigerweise auch das Geschäftsführungsrecht nach innen. Wenn daher § 8 Abs. 2 Nr. 3 SpkG MV für die Geschäftsführung nach innen eine Befugnis des Verwaltungsrates für die Bedingungen des Anstellungsvertrages mit den Mitgliedern und stellvertretenden Mitglieder des Vorstandes nach § 19 Abs. 1 S. 2 SpkG MV zulässt, könnte daraus auch gefolgert werden, dass die Vertretungsbefugnis gemäß § 8 Abs. 6 SpkG MV notwendigerweise auch nur die Anstellungsverhältnisse mit (ehemaligen) ordentlichen Mitgliedern und stellvertretenden Mitgliedern des Vorstandes nach § 19 Abs. 1 S. 2 SpkG MV betrifft, dagegen nicht mit den stellvertretenden Vorstandsmitgliedern gemäß § 19 Abs. 1 S. 3 SpkG MV. Diese Frage eines Gleichklangs zwischen innerer Geschäftsführung und äußerer Vertretungsbefugnis hat der BGH nicht beantwortet.

Sie hätte auf der Grundlage des Sparkassengesetzes Mecklenburg-Vorpommern beantwortet werden können. Die Aufgabenzuweisung gemäß § 8 Abs. 2 SpkG MV ist nämlich ebenfalls nicht konsequent. Gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SpkG MV beschließt der Verwaltungsrat u.a. über die Anstellung der Mitglieder und der stellvertretenden Mitglieder des Vorstandes, demnach über beide Typen stellvertretender Mitglieder des Vorstandes gemäß § 19 Abs. 1 S. 2 und S. 3 SpkG MV. Die Aufgabenzuweisung in § 8 Abs. 2 Nr. 3 mit den „Bedingungen des Anstellungsvertrages“ ist daher nur unvollkommen. Die „Anstellung“ kann von den „Bedingungen des Anstellungsvertrages“ nicht getrennt werden. Die Aufgabenzuweisung in § 8 Abs. 2 Nr. 3 SpkG MV muss daher auch die Bedingungen des Anstellungsvertrages mit stellvertretenden Vorstandsmitgliedern gemäß § 19 Abs. 1 S. 3 SpkG MV umfassen, auch wenn diese stellvertretenden Vorstandsmitglieder nicht ausdrücklich aufgenommen sind.

Von diesem Ansatz her wird es auch wieder einen Gleichklang zwischen der internen Geschäftsführung und der externen Vertretungsbefugnis geben.

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