14.08.2019 -

Mit der Abmahnung macht der Arbeitgeber auf das Fehlverhalten von Arbeitnehmern aufmerksam. Die Abmahnung ist ein übliches Sanktionsmittel im Arbeitsrecht. Die mit der Abmahnung verbundene Warnfunktion hat aber auch kündigungsschutzrechtliche Auswirkungen. Im Wiederholungsfall kommt eine Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen in Betracht. Arbeitnehmer haben daher das Recht, gegen unzulässige Abmahnungen vorzugehen und die Entfernung aus der Personalakte geltend zu machen. Mit verschiedenen Fragen, in welchen Fällen ein solcher Entfernungsanspruch besteht, hat sich das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern beschäftigt (LAG Mecklenburg-Vorpommern v. 22.03.2018, 4 Sa 138/17).


Negative Äußerungen innerhalb einer Facebook-Gruppe können abgemahnt werden, entschied das LAG Mecklenburg-Vorpommern. (Copyright: coffeekai/istockphoto)

Der Fall

Der klagende Arbeitnehmer ist Gymnasiallehrer und unterrichtet die Fächer Spanisch und Englisch. Er ist bei dem beklagten Land bereits seit 1993 beschäftigt.

Mit mehreren Schreiben bemängelten die Eltern den Unterricht des Lehrers. Der Schulleiter forderte ihn deshalb zu einer Stellungnahme zu den von den Eltern mitgeteilten Sachverhalten auf. Diesem Schreiben waren anonymisierte Auszüge der Schreiben der Eltern beigefügt.

Der Kläger gründete daraufhin eine Facebook-Gruppe. Es handelte sich um eine sog. geschlossene Facebook-Gruppe, auf deren Einträge und sonstige Inhalte nur eingeladene Mitglieder zugreifen konnten. Die Gruppe hatte 177 Mitglieder. Zu den Mitgliedern zählten aktuelle und ehemalige Schüler.

In der Gruppe verfasste der Kläger verschiedene Einträge. So thematisierte er die anonymen Schreiben der Eltern, verwies auf seine dadurch eingetretene Krankheit, sprach von Mobbing und auch von „amoklaufenden Muttis“.

Die Eltern reagierten daraufhin auf die Kommunikation in der Facebook-Gruppe mit einem weiteren Schreiben an das Gymnasium. Die Eltern bemängelten darin, dass der Kläger gegenüber den Schülern u.a. den Eindruck vermittle, die Beschwerdebriefe hätten zu einer Erkrankung des Klägers geführt.

Das beklagte Land sprach daraufhin dem Kläger drei Abmahnungen aus. Die Abmahnung 1 wegen der Veröffentlichung von Auszügen der Beschwerdebriefe in der Facebook-Gruppe. Darin liege ein Verstoß gegen die ihm obliegende Verschwiegenheitspflicht. In der Abmahnung 2 wegen eines Verstoßes gegen die Pflicht zur vertrauensvollen Zusammenarbeit mit Erziehungsberechtigten und die Abmahnung 3 wegen abwertender Aussagen über seine Kollegen, insbesondere den Schulleiter. Damit habe er den Betriebsfrieden gefährdet sowie gegen das Loyalitätsgebot verstoßen.

Das Arbeitsgericht hat die Abmahnungen 1 und 3 für unwirksam erachtet, die Abmahnung 2 hingegen für wirksam.

Die Entscheidung

Im Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht die Entscheidung des Arbeitsgerichts bestätigt.

I. Anspruch auf Entfernung einer Abmahnung

Arbeitnehmer können in entsprechender Anwendung der §§242, 1004 BGB die Entfernung einer zu Unrecht erteilten Abmahnung aus ihrer Personalakte verlangen. Der Entfernungsanspruch besteht, wenn die Abmahnung entweder inhaltlich unbestimmt ist, unrichtige Tatsachenbehauptungen enthält, auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung des Verhaltens des Arbeitnehmers beruht, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verletzt oder kein schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers am Verbleib der Abmahnung in der Personalakte mehr besteht.

Darüber hinaus ist eine Abmahnung auch dann aus der Personalakte zu entfernen, wenn sie statt eines konkret bezeichneten Fehlverhaltens nur pauschale Vorwürfe enthält.

II. Genaue Bezeichnung des Fehlverhaltens erforderlich

Von einer wirksamen Abmahnung kann nach der Rechtsprechung des BAG nur gesprochen werden, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer deutlich und ernsthaft ermahnt und ihn auffordert, ein genau bezeichnetes Fehlverhalten zu ändern bzw. aufzugeben. Nur dann weiß der Arbeitnehmer, dass der Arbeitgeber ein bestimmtes Verhalten als nicht vertragsgemäß ansieht und dies künftig nicht mehr hinnehmen will. Die genaue Bezeichnung eines Fehlverhaltens erfordert damit einerseits, dass der Arbeitgeber den der Abmahnung zugrundeliegenden Sachverhalt konkret darlegt und andererseits, dass er genau erklärt, aus welchem Grund er das Verhalten des Arbeitnehmers für pflichtwidrig hält.

III. Meinungsfreiheit beachten

Mitarbeiter dürfen sich auch negativ äußern, wenn dies von der Meinungsfreiheit noch gedeckt ist. Unzulässig sind lediglich unwahre Tatsachenbehauptungen. Im Einzelfall ist die Abgrenzung durchaus schwierig. Im vorliegenden Falle hat das Landesarbeitsgericht die negativen Äußerungen über die Kollegen noch von der Meinungsfreiheit als gedeckt angesehen. Zwar sei der Kläger mit seinen Äußerungen in der Facebook-Gruppe weit über das Ziel hinausgeschossen. Dennoch dürfe dies noch nicht mit einer Abmahnung geahndet werden.

Zulässig war hingegen die Abmahnung wegen des in der Facebook-Gruppe verwendeten Begriffes der „amoklaufenden Muttis“. Damit wurden die betroffenen Mütter herabgewürdigt und es sei nicht zu entschuldigen. Die entsprechende Abwertung habe der Kläger auch gerade bezweckt. Gleiches gelte für die unspezifizierte Behauptung, dass er gemobbt und krankgemacht werde.

Die Veröffentlichungen in einer geschlossenen Facebook-Gruppe ändere an dem Verstoß nichts. Die Äußerungen sei einem großen Kreis von aktuellen und ehemaligen Schülern zugänglich gemacht worden. Dadurch bestand die ja auch eingetretene Gefahr, dass sich Eltern und Schüler des Klägers herabgewürdigt fühlen. Dem Kläger war auch klar, dass angesichts der Größe der Facebook-Gruppe (177 Mitglieder) die Möglichkeit bestand, dass die Eltern von den Einträgen auf der Facebook-Seite Kenntnis erlangen. Er habe damit die Weiterverbreitung seiner Eintragungen billigend in Kauf genommen.

Fazit

Der Entscheidung ist zuzustimmen. Rein pauschale Vorhaltungen führen zur Unwirksamkeit einer Abmahnung. Abwertende Äußerungen innerhalb einer Facebook-Gruppe können aber abgemahnt werden. Dies gilt selbst dann, wenn die Facebook-Gruppe nur einem geschlossenen Kreis von Teilnehmern zugänglich ist. Je größer die Facebook-Gruppe, desto größer die Gefahr, dass die Erklärungen weiterverbreitet werden. Negative Äußerungen innerhalb einer Facebook-Gruppe können damit abgemahnt werden.

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