05.12.2019 -

Vor Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung muss bekanntlich nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zunächst eine Abmahnung ausgesprochen werden. Damit soll dem Arbeitnehmer verdeutlicht werden, dass im Wiederholungsfall die Kündigung droht. Ohne Abmahnung ist eine Kündigung regelmäßig nicht wirksam. Ausnahmen liegen nur dann vor, wenn das Verhalten so schwerwiegend ist, dass eine fristlose Kündigung gerechtfertigt ist oder der Arbeitnehmer zu erkennen gibt, sich auch in Zukunft nicht an seine Pflichten halten zu wollen.

Das Landesarbeitsgericht Köln hat in einem aktuellen Urteil klargestellt, dass auch bei vielen Einzelpflichtverletzungen auf eine Abmahnung nicht verzichtet werden kann (LAG Köln v. 06.09.2018, 6 Sa 64/18). Die Entscheidung ist von praktischer Bedeutung und ergänzt die in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zum Abmahnungsrecht.


Rote Linie: Bei Pflichtverletzungen ist eine Abmahnung nicht entbehrlich. Dies gilt auch bei einer Vielzahl von einzelnen Pflichtverletzungen. (Copyright: WoGi/Adobe.stock)

Der Fall (verkürzt):

Der Arbeitnehmer ist bereits seit 2011 bei dem beklagten Arbeitgeber, einem Servicedienstleistungsunternehmen, zuletzt als Referent in der Abteilung Konzernservice beschäftigt. Sein durchschnittliches Bruttomonatsgehalt beträgt 7.332,57 €.

Der Kläger errichtete eine GmbH, deren Gegenstand die Immobilienberatung, die Immobilienvermittlung, die Verwaltung von Immobilien sowie die Entwicklung von Immobilienprojekten im In- und Ausland sein soll. Er zeigte diese Nebentätigkeit in dem besagten Gewerbe seinem Arbeitgeber an. Der Arbeitgeber sprach dazu eine Abmahnung wegen einer Nebentätigkeit ohne Nebentätigkeitsgenehmigung aus.

Kurze Zeit später folgte eine weitere Abmahnung wegen verspäteter Krankmeldung.

Schließlich sprach der Arbeitgeber eine fristlose Kündigung u.a. wegen beharrlicher Arbeitsverweigerung aus, sowie wegen beharrlicher Verschwiegenheitsverstöße, wegen beharrlicher Verletzungen der Anzeigepflicht bei Arbeitsunfähigkeit und wegen beharrlicher Ausübung einer nicht genehmigten Nebentätigkeit. All dies sei in einem Gesamtzusammenhang zu betrachten.

Das Arbeitsgericht hat die Kündigung als unwirksam angesehen.

Die Entscheidung:

Im Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht die Entscheidung des Arbeitsgerichts bestätigt.

I. Viele Einzelverstöße und Gesamtschau?

aller Verstöße notwendig sei. Einzelne Pflichtverletzungen könnten nicht einer isolierten Einzelbetrachtung unterzogen werden. Aus einer Gesamtschau werde vielmehr deutlich, dass sich viele Einzelpflichtverletzungen zu einer beharrlichen Arbeitsverweigerung summieren würden.

Das Landesarbeitsgericht hat diese Argumentation jedoch zurückgewiesen. Viele Einzelverstöße, die jeweils alleine eine Kündigung nicht rechtfertigen können, summieren sich ohne Abmahnung nicht zu einem Gesamtverstoß von so erheblichen Ausmaß, dass eine Abmahnung entbehrlich werden könnte. Die Dokumentationsfunktion der Abmahnung hat gerade zum Gegenstand, dem Arbeitnehmer zu signalisieren, dass es so wie bisher nicht weitergehen kann. Kommt aber dieses Signal vom Arbeitgeber nicht, kann dem Arbeitnehmer nicht vorgeworfen werden, er hätte bei den einzelnen Pflichtenverstößen wissen müssen, dass nunmehr auch ohne vorherige Abmahnung arbeitsrechtliche Konsequenzen bis hin zur Kündigung drohen.

II. Pflichtverstöße einzeln abmahnen

Eine Vielzahl von Einzelpflichtverletzungen führt jeweils zu einem konkreten Verstoß gegen eine arbeitsvertragliche Verhaltenspflicht. Damit muss auch jeder einzelne Verstoß isoliert abgemahnt werden. Bei einer Vielzahl von Einzelpflichtverletzungen kann aber die Gesamtschau aller Abmahnungen dazu führen, dass auf weitere Abmahnungen in der Zukunft verzichtet werden kann. Vielmehr kann sich auch aus einer Gesamtschau verschiedener Abmahnungen ergeben, dass erkennbar wird, dass der Mitarbeiter sich insgesamt nicht an die betrieblichen Regeln und Vorgaben hält. Dies begründet dann die negative Prognose und das Recht, eine Kündigung auszusprechen.

Hinweis für die Praxis:

Bei Pflichtverletzungen ist eine Abmahnung nicht entbehrlich. Dies gilt auch bei einer Vielzahl von einzelnen Pflichtverletzungen. Der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Köln ist zuzustimmen und der Praxis kann nur empfohlen werden, in Zweifelsfällen zunächst abzumahnen, um so den Pflichtenverstoß einerseits zu dokumentieren und andererseits den Arbeitnehmer darauf hinzuweisen, dass er im Wiederholungsfall mit der Kündigung rechnen muss.

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Auszeichnungen

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