18.12.2019 -

Aufgrund der Einflüsse der europäischen Arbeitszeitrichtlinie, in der auch der europarechtliche Urlaubsanspruch geregelt ist, dem der Europäische Gerichtshof (EuGH) auch einen Grundrechtsbezug beimisst, kam es in den letzten Jahren zu einer für Arbeitgeber immer strengeren Urlaubsrechtsprechung. Der grundsätzliche Verfall des Mindesturlaubs am Jahresende, wie er sich aus dem Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) ergibt, kann nicht mehr ohne weiteres angenommen werden. So gelten beispielsweise Ausnahmen für langzeiterkrankte Arbeitnehmer, die es erlauben, dass Betroffene ihren Urlaub auch noch bis zu 15 Monate nach Ende des Urlaubsjahres einfordern. Die gesunden Arbeitnehmer hat der Arbeitgeber konkret über ihre Ansprüche zu belehren und muss sie dazu auffordern, ihren Urlaub auch zu nehmen.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat die europäischen Vorgaben stets streng in seiner deutschen Rechtsanwendung übernommen. Im Nachgang an die letzte Entscheidung des EuGH vom 6. November 2018 lassen sich allerdings Tendenzen des BAG erkennen, die aus Arbeitgebersicht ausufernde Urlaubsrechtsprechung durch andere rechtliche Möglichkeiten einzudämmen.

In der bisherigen BAG-Rechtsprechung wurde stets betont, dass der Anspruch auf den gesetzlichen Mindesturlaub allein das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses voraussetzt. Ob der Arbeitnehmer auch tatsächlich arbeitet, sich also den Urlaub verdient, spielte keine Rolle. Von diesen Grundsätzen weicht das BAG zwar weiterhin nicht ab, wendet allerdings die Grundsätze zur Urlaubsdauer, also zur Höhe des Urlaubsanspruches, nun großzügiger an.


Das Bundesarbeitsgericht (BAG) wendet die Grundsätze zur Urlaubsdauer für Arbeitgeber inzwischen etwas großzügiger an.
(Copyright: paru/adobe.stock)

Grundsätzliches zur Urlaubsdauer

Gemäß § 3 Abs. 1 BUrlG beträgt der Urlaub jährlich mindestens 24 Werktage. Der historische Gesetzgeber ging von einer vollen – also sechstägigen – Werkwoche des Arbeiters aus, weshalb die Rechtsprechung bereits früh ein Umrechnungsmodell entwickelte, mit dem sichergestellt wurde, dass Arbeitnehmer, die weniger als sechs Tage in der Woche arbeiten müssen und nicht auf den vollen Erholungsurlaub angewiesen sind, auch einen geringeren Urlaubsanspruch erwerben. Für die heute typische Fünftagewoche erwerben Arbeitnehmer demnach lediglich 20 Tage gesetzlichen Urlaub. Das Umrechnungsmodell der Rechtsprechung wurde in den folgenden Jahren weiter verfeinert und vom BAG zu einer nun immer häufiger zitierten Rechenformel entwickelt, mit der sich jeder individuelle Jahresurlaub ermitteln lässt:

„24 Werktage x Anzahl der Tage mit Arbeitspflicht geteilt durch 312 Werktage“.

Aktuelle Linie des BAG

Bereits am 19. Februar 2019, also noch in der Umsetzungsphase der jüngsten EuGH-Entscheidung zur Initiative des Arbeitgebers bei der Urlaubsorganisation, hat das BAG eine Entscheidung zur Umrechnungsregel getroffen.

Eine Arbeitnehmerin, die mit ihrem Arbeitgeber zunächst für das Jahr 2014 einen Übergang in Teilzeit und einen anschließenden unbezahlten Sonderurlaub im Jahr 2015 vereinbart hat, hat für die Teilzeit und den anschließenden Sonderurlaub auf gesetzlichen Urlaub geklagt. Sie hat sich gegen die Anwendung eines Tarifvertrages gewehrt, der eine § 3 BUrlG entsprechende Regelung für die Urlaubsdauer enthält. Sie hat hierzu argumentiert, dass sie auf der Grundlage einer Fünftagewoche beschäftigt worden ist und ihr also noch Resturlaub für 2014 und der volle Urlaub für 2015 zustehe.

Der Arbeitgeber hat das Urlaubsverlangen abgelehnt und das BAG hat ihm Recht gegeben. Zwar entsteht grundsätzlich der Urlaubsanspruch, dieser sei aber in seiner Höhe entsprechend der – je nach Vereinbarung – bestehenden Arbeitspflicht zu bemessen. Daher habe der Arbeitgeber den Anspruch aus dem Jahr 2014 zu recht reduziert. Der geltend gemachte Resturlaub stehe ihr somit nicht zu. Der bestehende Urlaub sei vollständig gewährt worden. Weil im Jahr 2015 wegen des unbezahlten Sonderurlaubes gar keine Pflicht der Arbeitnehmerin bestanden hat, zur Arbeit zu erscheinen, habe sich der Urlaubsanspruch „auf null“ reduziert. Das BAG ist dabei ausdrücklich der Auffassung, dass Europarecht dem nicht entgegensteht.

Am 24. September 2019 hat das BAG mit derselben Argumentation klargestellt, dass in der Freistellungsphase der Altersteilzeit im Blockmodell ebenfalls kein Urlaubsanspruch des Arbeitnehmers entsteht. Vollzieht sich der Wechsel aus der Arbeitsphase in die Freistellungsphase unterjährig, ist der Urlaub entsprechend der oben dargestellten Formel zu reduzieren. Das Entstehen von Urlaub in dieser Konstellation war vor der Entscheidung des BAG unter Juristen hochumstritten.

Fazit

Die Entscheidungen des BAG sind richtig, weil sie einer Besserstellung von Teilzeitarbeitnehmern entgegenwirken und für klare, berechenbare Verhältnisse sorgen. Sie kompensieren zumindest teilweise die europarechtlich bedingten Entwicklungen der vergangenen Jahre. Allerdings ist Vorsicht geboten: Die Vereinbarung von Sonderurlaub mit langzeiterkrankten Arbeitnehmern bewirkt nicht ohne Weiteres eine Kürzung des Urlaubsanspruchs. Dies hat das BAG bereits 2012 klargestellt. Das BAG betont auch in der Entscheidung vom 19. Februar 2019, dass die Umrechnungsregel nicht schrankenlos ist. Der Gesetzgeber sieht in Fällen des Beschäftigungsverbots von Schwangeren eine wichtige Ausnahme vor. Außerdem behalten Arbeitnehmer während der Eltern-, Pflege- oder Wehrdienstzeit weiterhin grundsätzlich ihren Urlaubsanspruch, wenn der Arbeitgeber ihn nicht kürzt.

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