Zwischen Erben und Pflichtteilsberechtigten kommt es häufig zum Streit darüber, ob ein vom Erben vorgelegtes notarielles Nachlassverzeichnis den gesetzlichen Anforderungen entspricht oder der Erbe nachbessern muss. Der Streit entzündet sich regelmäßig an der Frage, ob der Notar die Angaben im Nachlassverzeichnis selbständig ermittelt oder sich lediglich auf Angaben der Erben verlassen hat. Verschiedene Oberlandesgerichte hatten den Umfang der Ermittlungspflichten des Notars unterschiedlich beurteilt. Der BGH hat zu dieser Frage mittlerweile wichtige Leitlinien für die Praxis gesetzt. Die Entscheidung scheint aber noch nicht allgemein bekannt zu sein, denn immer noch werden von manchen Notaren unzureichende Nachlassverzeichnisse erstellt:

  • im Nachlassverzeichnis eine unbestimmte Mehrheit von Nachlassgegenständen – etwa aufgrund eines Rechtsirrtums des Auskunftspflichtigen – nicht aufgeführt ist, 
  • wenn Angaben über den fiktiven Nachlass oder Schenkungen fehlen, 
  • wenn die Auskunft zwar dem Wissensstand des Erben entspricht, dieser sich jedoch fremdes Wissen trotz Zumutbarkeit nicht verschafft hat oder 
  • sich der Notar auf die Wiedergabe der Bekundungen des Erben ohne eigene Ermittlungstätigkeit beschränkt.


Die Entscheidung des BGH ist uneingeschränkt zu begrüßen (Copyright: Maurice Tricatelle/adobe.stock).

Der Fall

In dem vom BGH entschiedenen Fall hatte die Erbin dem Pflichtteilsberechtigten ein notarielles Nachlassverzeichnis vorgelegt, in dem der Notar vermerkt hatte, dass er zu einem in Österreich geführten Konto keine Ermittlungen habe anstellen können, weil die Erbin ihm dazu keine Vollmacht erteilt hatte. Dem Nachlassverzeichnis beigefügt war allerdings das Protokoll der sogenannten Verlassenschaftsabhandlung eines österreichischen Notars. Darin wurde das Konto unter den Aktiva aufgeführt mit einer zusätzlichen Erklärung der Erbin gegenüber dem österreichischen Notar, sonstiges Nachlassvermögen in Österreich sei nicht vorhanden.

Der Pflichtteilsberechtigte sah dies als unzureichend an und betrieb gegen die Erbin die Zwangsvollstreckung, um sie zur Erteilung weiterer Auskünfte zu zwingen. Hiergegen wandte sich die Erbin mit einer Vollstreckungsgegenklage. Vor dem Amtsgericht hatte sie damit zunächst Erfolg. Landgericht und Bundesgerichtshof bestätigten allerdings die Auffassung des Pflichtteilsberechtigten.

Die Entscheidung de BGH

Der BGH hielt die Angaben zu dem Konto in Österreich trotz des Protokolls des österreichischen Notars für unzureichend, weil im Rahmen der Verlassenschaftsabhandlung keine eigenen Ermittlungen des Notars erfolgen, sondern dieser sich allein auf die Angaben des Erben stütze. Deshalb habe dieses Protokoll nicht die gleiche Qualität wie eigene Ermittlungen des Notars.

Ausdrücklich betont der BGH in seiner Entscheidung die Pflicht des Notars zu eigenen Ermittlungen: Zwar darf der Notar zunächst (!) von den Angaben des Auskunftspflichtigen ausgehen. Der BGH betont jedoch:

„Allerdings darf er (Anm: der Notar) sich hierauf nicht beschränken und insbesondere nicht lediglich eine Plausibilitätsprüfung durchführen. Vielmehr muss er den Nachlassbestand selbst ermitteln und feststellen.“

Im Rahmen seiner Ausführungen bezieht sich der BGH außerdem ausdrücklich auf zwei Entscheidungen des OLG Koblenz (Beschl. v. 18.3.2014 – 2 W 495/13 und Beschluss vom 30.04.2018 – 1 W 65/18, in denen das Gericht u.a. folgende Tätigkeiten als denkbare eigene Ermittlungstätigkeiten des Notars angesehen hatte:

  • Einsichtnahme in die (vollständigen) Kontoauszüge, Sparbücher und Bankunterlagen der letzten 10 Jahre 
  • eigene Ermittlung von Grundbesitz, 
  • Veranlassung der Einholung von Bewertungsgutachten durch den Auskunftsverpflichteten, 
  • Überprüfung eingeholter Wertgutachten auf Plausibilität, 
  • Einholung einer Vollmacht des Auskunftsverpflichteten, bei Bankinstituten (einschließlich Sparkassen), die in der Nähe des letzten Wohnortes des Erblassers eine Zweigstelle unterhalten, anzufragen, ob im genannten 10-Jahres-Zeitraum eine Kundenverbindung zum Erblasser bestanden habe, nebst entsprechender Anfrage, 
  • Zusammenstellung der einen bestimmten Betrag übersteigenden Verfügungen über die ermittelten Konten, soweit diesen Schenkungen oder sonstige Zuwendungen zugrunde liegen (könnten).

Wie sowohl der BGH als auch das OLG Koblenz betonen, hat der Notar bei der Frage, welche Ermittlungstätigkeiten im konkreten Fall geboten sind, zwar einen gewissen Ermessensspielraum. Allerdings hat der Notar, wie es der BGH formuliert,

„…diejenigen Nachforschungen anzustellen, die ein objektiver Dritter in der Lage des Gläubigers für erforderlich halten würde.“

Den Umfang seiner jeweiligen Ermittlungstätigkeit hat der Notar in der Urkunde selbst, d.h. im notariellen Nachlassverzeichnis, zu dokumentieren. Ergibt sich aus der Urkunde zu den Ermittlungen des Notars nichts oder gar, dass der Notar nur die Angaben der Erben übernommen hat, ist das Verzeichnis unzureichend.

Hinweis für die Praxis

Die Entscheidung des BGH ist uneingeschränkt zu begrüßen. Sie stärkt die Qualität notarieller Nachlassverzeichnisse, wie sie vom Gesetzgeber auch intendiert ist. Denn auf die Richtigkeit eines notariellen Nachlassverzeichnisses soll der Pflichtteilsberechtigte mehr vertrauen können als auf von den Erben selbst erteilte Auskünfte, weil das notarielle Verzeichnis von einer unabhängigen Amtsperson ermittelt wurde und deshalb nicht zu befürchten ist, dass Vermögenswerte mutwillig verschwiegen werden. Dieses Ziel kann aber nur erreicht werden, wenn der Notar sich nicht seinerseits auf Auskünfte der Erben beschränkt, sondern selbst die Nachforschungen anstellt, die ein objektiver Dritter für erforderlich halten würde.

Je nach Standpunkt ergeben sich aus der Entscheidung des BGH folgende praktische Konsequenzen:

  • Als Erbe sollte man schon im eigenen Interesse darauf achten, dass der Notar eigene Ermittlungen vornimmt und sich nicht lediglich auf die Wiedergabe dessen beschränkt, was ihm vom Erben als Ausgangspunkt für seine Ermittlungen an Informationen geliefert wird. Ferner sollten dem Notar auf Verlangen diejenigen Vollmachten und Zustimmungserklärungen erteilt werden, die der Notar für seine Ermittlungen benötigt. Generell gilt: Transparenz schafft Vertrauen und vermeidet unnötige Eskalationen, die unter Umständen in der Festsetzung unangenehmer Zwangsgelder gegen den Erben münden können, wenn das notarielle Nachlassverzeichnis unzureichend ist. 
  • Als Pflichtteilsberechtigter hat man dank der Klarstellungen des BGH nun ein scharfes Schwert in der Hand, um den Nachlassumfang notariell feststellen zu lassen. Notare dürfen sich eben nicht darauf beschränken, die Erklärungen des Erben in der Urkunde wiederzugeben, sondern sie müssen eigene Ermittlungen anstellen. Diese Ermittlungstätigkeit ist in der Urkunde auch konkret zu schildern. Ergeben sich die Ermittlungstätigkeiten des Notars nicht aus der Urkunde und/oder bezieht sich der Notar nur auf Angaben des Erben, ist das Verzeichnis unzureichend.

Autorin

Bild von  Katharina Ernst
Leitung Kanzleimarketing und -PR
Katharina Ernst
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