08.03.2021

Das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG) ist weitgehend schon – aber noch vielen Personen in Wirtschaft und Praxis unbekannt – am 1. Januar 2021 in Kraft getreten. Im Bereich des Insolvenzrechts bringt das SanInsFoG jedoch zahlreiche Neuregelungen mit sich, die von Unternehmen und ihren Geschäftsleitern in den Blick zu nehmen sind. So beinhaltet dieses Gesetz etwa die bereits ab dem 1. Januar 2021 geltenden (erneuerten) Bestimmungen zur Insolvenzantragspflicht (§ 15a InsO). Schließlich sind die Übergangsregelungen aus dem COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz (COVInsAG) aus dem Jahr 2020 am 31. Dezember 2020 zeitlich ausgelaufen. Außerdem hat der Bundesgesetzgeber die Gesetzesbestimmungen zu den Insolvenzantragspflichten, den Insolvenzgründen sowie zum Haftungsregime der Geschäftsleiter neu geregelt. Darüber hinaus hat das SanInsFoG auch wesentliche Änderungen in Bezug auf die Eigenverwaltung vorgenommen sowie ein neues Instrument einer vorinsolvenzlichen Sanierung von Unternehmen in das nationale Insolvenzrecht als eigenständiges Gesetz integriert.

Der Bundesgesetzgeber hat zudem noch im Gesetz zur Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und des Anfechtungsschutzes für pandemiebedingte Stundungen sowie zur Verlängerung der Steuererklärungsfrist in beratenen Fällen und der zinsfreien Karenzzeit für den Veranlagungszeitraum 2019 vom 15. Februar 2021 (VerG) erneut eine pandemiebedingte (eingeschränkte) Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht – rückwirkend ab dem 1. Februar 2021 – vorgesehen.


Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts und Gesetz zur Verlängerung der Aussetzung der Insolvenzantragspflicht (Copyright: Alexander Limbach/adobe.stock).

Welche wesentlichen Änderungen gelten nun für die Unternehmen und ihre Geschäftsleiter?

1. Eingeschränkte Aussetzung der Insolvenzantragspflicht bis zum 30. April 2021

Bei Beginn der COVID-19-Pandemie in Deutschland wurde die Insolvenzantragspflicht (§ 15a InsO) durch § 1 Abs. 1 Satz 1 COVInsAG übergangsweise bis zum 30. September 2020 umfassend ausgesetzt. Die vorübergehende Befreiung der Geschäftsleiter von ihrer Antragspflicht galt lediglich nicht, wenn die Insolvenzreife nicht auf den Folgen der Corona-Krise beruhte oder keine Aussichten dafür gegeben waren, eine bereits bestehende Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) zu beseitigen (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 2 COVInsAG). War das Unternehmen zum Stichtag des 31. Dezember 2019 allerdings nicht zahlungsunfähig, galt nach § 1 Abs. 1 Satz 3 COVInsAG die Vermutung, dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der COVID-19-Pandemie beruhte und zudem Aussichten darauf bestanden, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen.

Ab dem 1. Oktober 2020 galt dann gemäß § 1 Abs. 2 COVInsAG lediglich noch eine deutlich beschränkte Aufhebung der Insolvenzantragspflicht: Die Pflicht der Geschäftsleitung, einen Insolvenzantrag zu stellen, war ab diesem Zeitpunkt allein dann ausgesetzt, wenn das jeweilige Unternehmen aufgrund der COVID-19-Pandemie überschuldet (§ 19 InsO) war. Für den gerade in der Corona-Krise – auch wegen der schleppenden Auszahlungen der staatlichen Soforthilfen – relevanten Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) waren die geschäftsführenden Organe indes vom 1. Oktober 2020 bis zum 31. Dezember 2020 nicht von ihrer Insolvenzantragspflicht befreit.

Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht wurde sodann durch das SanInsFoG sowie durch das VerG in § 1 Abs. 3 COVInsAG für aufgrund der COVID-19-Pandemie insolvenzreife Unternehmen nochmals bis einschließlich 30. April 2021 verlängert. Dies gilt allerdings nur für Unternehmen, die im Zeitraum vom 1. November 2020 bis zum 28. Februar 2021 die Gewährung finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der Corona-Krise beantragt haben, sofern (i) diese staatlichen Soforthilfen noch nicht ausgezahlt sind und (ii) der Antrag nicht offensichtlich erfolglos bzw. die Hilfeleistung für die Beseitigung der Insolvenzreife unzureichend ist.

Für die Zeit nach dem 30. April 2021 sieht § 1 COVInsAG derzeit noch keine weiteren Erleichterungen hinsichtlich der Insolvenzantragspflicht vor. Wird der Gesetzgeber bis dahin nicht erneut tätig, verbleibt es ab dem 1. Mai 2021 grundsätzlich bei den allgemeinen Bestimmungen der §§ 15a ff. InsO zur Antragspflicht und Geschäftsleiterhaftung.

2. Neuerungen zur Insolvenzantragspflicht, zu Insolvenzgründen und zur Geschäftsleiterhaftung

Die Insolvenzantragspflicht und die damit einhergehende Geschäftsleiterhaftung für Zahlungen des sich in der Krise befindenden Unternehmens hat der Gesetzgeber nun aus den verschiedensten Gesetzen (GmbHG, AktG etc.) in § 15a und § 15b InsO rechtsformneutral vereint.

Für die Fälle einer Überschuldung (§ 19 InsO) wurde die Frist zur Insolvenzantragstellung gemäß § 15a Abs. 1 Satz 2 InsO von 3 Wochen auf nun 6 Wochen erweitert. Hierdurch soll es den Geschäftsleitern ermöglicht werden, die Überschuldung des Unternehmens abzuwenden. Für den Insolvenzgrund der Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO) ist es dagegen – wie bisher – bei einer Antragsfrist von 3 Wochen verblieben (vgl. § 15a Abs. 1 Satz 2 InsO). Hierbei handelt es sich unverändert um sog. Maximalfristen, die bis jetzt nur bei einer erfolgsversprechenden Sanierung durch die geschäftsführenden Organe voll ausgeschöpft werden durften. Es ist davon auszugehen, dass sich an diesem in Rechtsprechung und Schrifttum etablierten – und am Wortlaut des § 15a Abs. 1 InsO („ohne schuldhaftes Zögern“ sowie „spätestens“) ausgerichteten – Verständnis auch künftig nichts ändern wird.

Das SanInsFoG konkretisiert zudem die drohende Zahlungsunfähigkeit, indem es den Prognosezeitraum auf „in aller Regel“ 24 Monate festlegt (§ 18 Abs. 2 InsO). Gleichzeitig hat der Gesetzgeber – wie in Theorie und Praxis immer wieder gefordert – die drohende Zahlungsunfähigkeit schärfer von der Überschuldung (§ 19 InsO) abgegrenzt. Hierfür wird nun der Prognosezeitraum bei der Überschuldung gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 InsO auf 12 Monate bestimmt. Ein temporär verkürzter Prognosehorizont von 4 Monaten gilt indes bis zum 31. Dezember 2021 für Unternehmen, deren Überschuldung auf die Covid-19-Pandemie zurückzuführen ist (§ 4 COVInsAG). Hierdurch möchte der Gesetzgeber der aktuell erhöhten Unsicherheit über die weitere wirtschaftliche Entwicklung Rechnung tragen.

Die Geschäftsleiter haften nach dem SanInsFoG auch weiterhin unmittelbar persönlich für Zahlungen des Unternehmens nach Eintritt der Insolvenzreife (§ 15b Abs. 4 InsO). Jedoch erklärt § 15b Abs. 2 Satz 2 InsO diverse Zahlungen unter bestimmten Voraussetzungen innerhalb der Frist für die Insolvenzantragspflicht ausdrücklich für zulässig. Zahlungen, die wiederum im Zeitraum zwischen der Stellung des Antrags und der Eröffnung des Verfahrens geleistet werden, gelten auch dann als mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar, wenn diese mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters vorgenommen wurden (§ 15b Abs. 2 Satz 3 InsO).

Davon losgelöst kann der Geschäftsleiter sich nunmehr nach § 15b Abs. 4 Satz 2 InsO darauf berufen, dass den Unternehmensgläubigern in der Summe ein geringerer Schaden als die an Dritte geleisteten Zahlungen entstanden ist. Allein dieser – sich tatsächlich verwirklichte – Schaden ist dann grundsätzlich vom Geschäftsleiter zu erstatten. Überdies hat der Gesetzgeber in § 15b Abs. 8 InsO noch festgelegt, dass steuerrechtliche Zahlungspflichten nicht verletzt sind, wenn zwischen dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit nach § 17 InsO bzw. der Überschuldung gemäß § 19 InsO und der Entscheidung des Insolvenzgerichts über den Insolvenzantrag Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt werden, sofern die antragspflichtigen Geschäftsleiter ihren Verpflichtungen nach § 15a InsO nachkommen.

3. Unternehmenssanierung ohne Insolvenzverfahren

Des Weiteren hat der Bundesgesetzgeber noch die Vorgaben der europäischen Richtlinie über Restrukturierung und Insolvenz (Richtlinie [EU] 2019/1023) umgesetzt, indem das SanInsFoG ein eigenes Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) enthält.

Das StaRUG soll die Sanierung von Unternehmen außerhalb des Insolvenzverfahrens und ohne Öffentlichkeitsbeteiligung ermöglichen (vgl. §§ 33 Abs. 1 Nr. 1, 84 Abs. 1 StaRUG). Eine derartige vorinsolvenzliche Restrukturierung ist jedoch weder bei Überschuldung (§ 19 InsO) noch bei Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO), sondern ausschließlich bei drohender Zahlungsunfähigkeit (§ 18 InsO) zulässig (vgl. §§ 14 Abs. 1, 33 Abs. 2 Nr. 1 StaRUG). Liegt also beim Unternehmen bereits Insolvenzreife vor, scheidet eine Unternehmenssanierung im Sinne des StaRUG von vornherein aus.

Das krisengefährdete Unternehmen kann im Grundsatz das vorinsolvenzliche Sanierungsverfahren in Eigenregie betreiben. Die Einschaltung des örtlich zuständigen – per StaRUG erstmals implementierten – Restrukturierungsgerichts ist grundsätzlich nur erforderlich, wenn und soweit das Unternehmen von einer der vom Gesetz bereitgestellten Verfahrenshilfen Gebrauch machen bzw. einen Eingriff in Gläubigerrechte gegen den Widerstand einer Minderheit erreichen möchte. Das ist immer schon dann der Fall, wenn einem nur mehrheitlich, aber nicht einstimmig angenommenen Restrukturierungsplan zur Wirkung verholfen werden soll. Dementsprechend wird das gerichtsgeprägte Verfahren auch grundsätzlich nur auf Antrag des insolvenzgefährdeten Unternehmens in die Wege geleitet (vgl. §§ 47, 60, 77, 84 StaRUG); insoweit ist das Unternehmen Herr des neuen Sanierungsverfahrens. Nach § 50 Abs. 2 Nr. 2 StaRUG fügt das Unternehmen einen sog. Restrukturierungsplan bei. Aus diesem Plan hat sich wiederum zu ergeben, auf welche Art und Weise die sanierende Rettung des krisengefährdeten Unternehmens erfolgen soll (vgl. §§ 5 ff. StaRUG). In der Regel wird überdies ein Restrukturierungsbeauftragter durch das Restrukturierungsgericht von Amts wegen bestellt (§ 73 StaRUG); seine Aufgabe ist nach § 76 StaRUG in erster Linie die Überwachung und Unterstützung des Restrukturierungsverfahrens.

Ferner verpflichtet das StaRUG die Geschäftsleiter nun ausdrücklich zur Implementierung eines Krisenfrühwarnsystems nebst entsprechender Reaktion auf erkennbar werdende wirtschaftliche Bedrohungen (§ 1 Abs. 1 StaRUG). Weitergehende Pflichten, die sich aus anderen Gesetzen ergeben, bleiben hiervon freilich unberührt (§ 1 Abs. 3 StaRUG).

Resümee

Das SanInsFoG weist sehr komplexe Gesetzesregelungen auf, die für das nationale Insolvenzrecht von wesentlicher Bedeutung sind und außerdem von dem jeweils betroffenen Unternehmen und seiner Geschäftsleitung mit rechtlich präzisem Blick einzuhalten sind.
Für die Geschäftsleiter eines krisenbehafteten Unternehmens ist aber erst einmal festzuhalten, dass unter eingeschränkten Voraussetzungen nochmals bis zum 30. April 2021 eine Aussetzung der Insolvenzantragspflicht (§ 15a InsO) besteht.
Unabhängig davon könnten die durch das SanInsFoG eingeführten Regelungen zu einer gewissen Entschärfung im Bereich der Geschäftsleiterhaftung beitragen. Abzuwarten bleibt es indessen, ob und wenn ja, wie die Wirtschaft sowie die nun zuständigen Gerichte die neue Möglichkeit der Unternehmenssanierung ohne Insolvenzverfahren annehmen und umsetzen werden.

Autor

Bild von Dr. Karl Brock
Partner
Dr. Karl Brock
  • Rechtsanwalt
  • Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
  • Fachanwalt für Steuerrecht
Ihr Ansprechpartner für
  • Gesellschaftsrecht
  • Compliance
  • Organhaftung
  • Prozessführung
  • Umstrukturierungen
  • Transaktionen
  • Steuern

UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME

Sprechblasen

UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME

Sind Sie unsicher, ob Sie mit Ihrer Angelegenheit bei uns richtig sind?
Nehmen Sie gerne unverbindlich Kontakt mit uns auf und schildern uns Ihr Anliegen.
Wir freuen uns auf Ihren Anruf.

Kontakt aufnehmen