20.10.2021 -


Welchen Anspruch haben Arbeitnehmer im Abschlusszeugnis?  (credit: adobestock/simoneminth)

Jeder Arbeitgeber ist bekanntlich verpflichtet, zum Ende eines Arbeitsverhältnisses ein qualifiziertes und wohlwollendes Schlusszeugnis zu erteilen, vgl. § 109 GewO. Oftmals wird eine entsprechende Verpflichtung im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs vereinbart. Dennoch kommt es in vielen Fällen zu Streit über den genauen Inhalt eines Arbeitszeugnisses. Der Streit kann dabei nicht nur über die Frage entstehen, welche Tätigkeiten ein Arbeitnehmer im Einzelnen erbracht hat, sondern vor allem auch über die konkrete Benotung sowie die Leistungs- und Verhaltensbeurteilung. Die wechselseitigen Interessenlagen sind schließlich besonders bei der sogenannten Dankens- Wunsch- und Bedauernsformel betroffen. Viele Arbeitnehmer wünschen sich eine entsprechende Schlussformulierung, die eine besondere Wertschätzung zum Ausdruck bringt. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts lehnt wegen der damit verbundenen persönlichen Empfindungen einen Anspruch auf solche Klauseln in ständiger Rechtsprechung ab. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat in einem aktuellen Urteil diese Rechtsprechung in Frage gestellt und im konkreten Fall den Rechtsanspruch auf eine entsprechende Schlussformel bejaht (LAG Düsseldorf v. 12.1.2021, 3 Sa 800/20). Die Begründung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf lässt sich durchaus hören und wegen der zugelassenen Revision und des aktuell beim Bundesarbeitsgericht anhängigen Verfahrens zu der Frage möchten wir hier die Entscheidung vorstellen (anhängig beim BAG zu Az. 9 AZR 146/21, noch nicht terminiert).

Der Fall (verkürzt):

Der klagende Arbeitnehmer war in der Zeit vom 1. März 2017 bis zum 31. März 2020 bei dem beklagten Arbeitgeber, einem Personaldienstleister als Personaldisponent mit einem Bruttomonatsgehalt in Höhe von 3.600,00 € beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch Arbeitgeberkündigung. Im Rahmen des sich anschließenden Kündigungsschutzverfahrens einigten sich die Parteien auf ein Ausscheiden zum 31.3.2020, eine Abfindungszahlung und die Verpflichtung des Arbeitgebers zur „Erteilung eines qualifizierten wohlwollenden Arbeitszeugnisses“.

Der Arbeitgeber hatte dem Arbeitnehmer vor Ausspruch der Kündigung eine Abmahnung erteilt. Die Berechtigung war bis zuletzt zwischen den Parteien streitig.

In dem erteilten Arbeitszeugnis lautet die Schlussformulierung wie folgt:

„Herr K. arbeitete sich aufgrund seiner guten Auffassungsgabe schnell in die neuen Aufgabenstellungen ein. Die Aufgaben führte er selbständig, effizient und sorgfältig aus.
Er verfolgte die vereinbarten Ziele nachhaltig und erfolgreich. Dabei war er auch hohem Zeitdruck und Arbeitsaufwand gewachsen.
Herr K. verstand es, unser Unternehmen bei unseren Kunden gut zu repräsentieren. Er war ein guter Gesprächspartner und verstand es, sich auf die unterschiedlichen Persönlichkeiten einzustellen.
Sein Verhalten gegenüber Vorgesetzten, Kollegen und Externen war einwandfrei.
Zusammenfassend bestätigen wir Herrn K., dass er die ihm übertragenen Aufgaben zu unserer vollen Zufriedenheit erledigte.
Herr K. scheidet mit dem heutigen Tage aus unserem Unternehmen aus.
Datum, Unterschrift“

Der Arbeitnehmer hat mit seiner Zeugnisklage geltend gemacht, dass die Formulierung am Ende des Zeugnisses „zusammenfassend bestätigen wir…“ den Eindruck eines Tadels erwecke. Der Arbeitgeber habe die von ihm geforderte Bedauerns-Dankensformel und die Zukunftswünsche aus sachfremden Erwägungen weggelassen. Er habe in den drei Jahren seiner Tätigkeit insgesamt vier Gehaltserhöhungen erhalten. Bei Weihnachtsfeiern und Sommerfesten sei seine überdurchschnittliche Leistung öffentlich vor den Mitarbeitern gelobt worden. Daher bestehe ein Anspruch auf ein „Danke“ für die erfolgreiche Zusammenarbeit.

Das Arbeitsgericht Mönchengladbach hat die Klage in 1. Instanz insgesamt abgewiesen.

Die Entscheidung:

Im Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht hingegen der Zeugnisberechtigungsklage überwiegend stattgegeben. So hat das Landesarbeitsgericht folgenden Schlusssatz zugestanden:

„Wir danken Herrn K. für die geleistete Arbeit und wünschen ihm für die weitere berufliche und private Zukunft weiterhin alles Gute und viel Erfolg.“

I. Zeugnisgrundsätze

Zeugnisse müssen in erster Linie wahr sein. Als Bewerbungsunterlage des Arbeitnehmers und Entscheidungsgrundlage für die Personalauswahl künftiger Arbeitgeber müssen Zeugnisse inhaltlich wahr und zugleich von verständigem Wohlwollen gegenüber dem Arbeitnehmer getragen sein. Zeugnisse dürfen das weitere Fortkommen daher nicht unnötig erschweren.

Aber: Zwischen dem Grundsatz des verständigen Wohlwollens, welcher aufgrund der für das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers unverändert erheblichen Bedeutung des Arbeitszeugnisses zu beachten ist, und der Wahrheitspflicht besteht ein Spannungsverhältnis. Ein Zeugnis kann nur im Rahmen der Wahrheit wohlwollend sein.

Daneben muss ein Zeugnis klar und verständlich formuliert sein. Es darf zudem keine Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der Wortwahl ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen. Inhaltlich falsch ist ein Zeugnis daher auch dann, wenn es eine Ausdrucksweise enthält, der entnommen werden muss, der Arbeitgeber distanziere sich vom buchstäblichen Wortlaut seiner Erklärungen und der Arbeitnehmer werde in Wahrheit anders beurteilt, nämlich ungünstiger als im Zeugnis bescheinigt.

Hinweis für die Praxis:

Entscheidend ist dabei nicht, welche Vorstellungen der Zeugnisverfasser mit seiner Wortwahl verbindet. Maßgeblich ist allein der objektive Empfängerhorizont des Zeugnislesers. Genügt ein Zeugnis daher den Anforderungen nicht, kann der Arbeitnehmer Zeugnisberichtigung verlangen.

II. Anspruch auf positive Schlussformeln?

Das Bundesarbeitsgericht entscheidet in ständiger Rechtsprechung, dass ein Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Aufnahme einer positiven Schlussformel (Bedauerns-Dankensklausel und Ausspruch guter Zukunftswünsche) in einem Arbeitszeugnis hat. Das Bundesarbeitsgericht begründet seine Rechtsprechung, es fehle ein rechtsmethodischer Ansatz zur Verpflichtung des Arbeitgebers, mit Dank und guten Wünschen eine „persönliche Empfindung“ auszudrücken. Zeugnisse dürfen nur nicht unwahr oder nicht wohlwollend sein. Dies betreffe allein den gesetzlich geschuldeten Zeugnisinhalt. Schlussformeln gehörten dazu nicht.

In Rechtsprechung und Literatur hat diese Rechtsprechung sowohl Zuspruch als auch Widerspruch und Kritik erfahren. Jedenfalls haben sich bislang alle Gerichte an die Rechtsprechung gehalten und ihre Rechtsprechung daran ausgerichtet. Arbeitgeber sind daher auf Basis der geltenden Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts berechtigt, auch bei guten und sehr guten Zeugnissen diese Schlussformeln wegzulassen.

Hinweis für die Praxis:

In vielen gerichtlichen Vergleichen wird daher neben der oben genannten Klausel zusätzlich konkretisierend vereinbart, dass nicht nur eine bestimmte Zeugnisnote enthalten sein muss, sondern dass in dem Schlusszeugnis auch die entsprechenden Schlussformulierungen aufgenommen werden. Bei einer entsprechenden Vereinbarung in einem gerichtlichen Vergleich ist der Arbeitgeber dann gebunden und verpflichtet, das Zeugnis entsprechend auszustellen.

Fazit

Im vorliegenden Fall hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf die ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in Frage gestellt. Mit ausführlicher Begründung hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, dass jedenfalls bei einer überdurchschnittlich ausfallenden Leistungsbeurteilung und einer einwandfreien Verhaltensbeurteilung ein entsprechender Anspruch auch auf positive Schlussformulierungen bestehe. Mit dieser Begründung hat das Landesarbeitsgericht die Revision zugelassen und angeregt, dass das Bundesarbeitsgericht seine Rechtsprechung nochmals überprüft. Der Arbeitgeber hat tatsächlich Revision eingelegt und das Verfahren befindet sich daher nochmals in der Überprüfung (Az. 9 AZR 146/21). Wir werden hier über die weitere Entwicklung dieser sehr spannenden Frage, die für die Zeugniserteilung große Bedeutung hat, zu gegebener Zeit weiter berichten.

Lorbeerkranz

Auszeichnungen

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    (WirtschaftsWoche 2023, 2022, 2021, 2020)

  • TOP-Anwältin für Arbeitsrecht: Ebba Herfs-Röttgen
    (WirtschaftsWoche, 2023, 2022, 2021, 2020)

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    (WirtschaftsWoche 2023, 2020)

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