Vorsicht bei irreführenden Angaben im Chefarzt- bzw. Chefärztinnenvertrag

Warum findet man in manchen Chefarztverträgen die Bestimmung, dass der Chefarzt oder die Chefärztin leitende/r Angestellte/r sei?

Weil sich der Arbeitgeber dadurch erhofft, im Konfliktfall das Arbeitsverhältnis „billig“ und einseitig auflösen zu können. Denn grundsätzlich besteht nach sechs Monaten allgemeiner Kündigungsschutz. Als Kündigungsgründe kennt das Gesetz die personenbedingte, die verhaltensbedingte und die betriebsbedingte Kündigung. Alle Formen der Kündigung können immer nur letztes Mittel sein. Die Anforderung der Arbeitsgerichte an das Vorliegen eines Kündigungsgrundes sind hoch. Insofern besteht in der Praxis für den Arbeitgeber bei Ausspruch einer Kündigung regelmäßig das Risiko, dass diese einer arbeitsgerichtlichen Überprüfung nicht standhalten könnte.

§§ 9, 14 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) sehen für den Fall, dass das Arbeitsverhältnis durch Kündigung nicht aufgelöst worden ist (also bei rechtswidriger Kündigung), bei einem leitenden Angestellten die Möglichkeit vor, dass der Arbeitgeber beantragen kann, dass das Arbeitsgericht das Arbeitsverhältnis auflöst. Bei einem leitenden Angestellten muss der Arbeitgeber diesen Antrag noch nicht einmal begründen. Der Kündigungsschutz des Arbeitnehmers ist damit erheblich eingeschränkt, da der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis auflösen kann, selbst wenn er den Kündigungsschutzprozess verliert. Zwar muss das Gericht dem Arbeitnehmer nach § 10 KSchG eine Abfindung zusprechen; diese ist aber in ihrer Höhe begrenzt und kompensiert regelmäßig nicht die herausgehobene Stellung des Chefarztes oder der Chefärztin. Der Arbeitgeber kann sich somit „billig“ vom Arbeitsverhältnis mit dem/der Chefarzt/Chefärztin lösen, ohne dass er einen Kündigungsgrund hat.

Wann ist ein Chefarzt bzw. eine Chefärztin leitende/r Angestellte/r im Sinne des KSchG?

Ein Chefarzt/eine Chefärztin ist nur dann leitende/r Angestellte/r nach dem KSchG, wenn er/sie eine unternehmerische (Teil)-Aufgabe wahrnimmt, die regelmäßig mit einem eigenen und erheblichen Ermessensspielraum verbunden sein muss. Neben dieser leitenden unternehmerischen Aufgabe erfordert die Einordnung als leitender Angestellter im Sinne des KSchG, dass die Chefärztin oder der Chefarzt zur selbstständigen Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt ist. Diese Einstellungs- oder Entlassungsbefugnis – alternatives Vorliegen ist ausreichend – setzt ein rechtliches Dürfen voraus. Die Befugnis muss demnach im Innen- sowie im Außenverhältnis tatsächlich bestehen. Hinzu kommt, dass diese Befugnis einen wesentlichen Teil der Tätigkeit des Chefarztes oder der Chefärztin ausmachen und sich auf einen bedeutenden und für das Unternehmen wesentlichen Teil der Belegschaft beziehen muss. Beispielsweise hat das Bundesarbeitsgericht angenommen, dass die Einstellungs- und Entlassungsbefugnis hinsichtlich der in der Abteilung beschäftigten acht weiteren Ärzte einen zu kleinen Personenkreis im Verhältnis zu der gesamten Beschäftigungszahl von medizinischen Mitarbeitern des Krankenhauses darstellte, um ausreichend für die Einordnung als leitende/r Angestellte/r zu sein. In der Praxis ist eine derartige Kompetenz bei Chefärzten und Chefärztinnen deshalb nur selten anzutreffen.

Was ist, wenn der Chefarztvertrag bestimmt, der/die Chefarzt/Chefärztin sei leitender Angestellter, aber die vorgenannten Kompetenzen gar nicht verliehen wurden?

Dann ist die Klausel lediglich ein „Bluff“. Denn entscheidend sind die tatsächlichen Kompetenzen und nicht die Deklaration als leitender Angestellter im Chefarztvertrag. Bekommt ein Chefarzt oder eine Chefärztin einen solchen Vertrag „untergejubelt“, ohne die dazugehörigen Kompetenzen verliehen zu bekommen, dann heißt das schlicht, dass der Arbeitgeber bei Vertragsschluss dessen Ende bereits in den Blick genommen hat, er jedenfalls hierfür argumentativ vorbaut.

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