15.03.2009 -

 

Zeugnisse müssen nach § 109 Gewerbeordnung (GewO) klar und verständlich formuliert sein. Bei den Lesern des Zeugnisses dürfen keine von der Wahrheit abweichenden Vorstellungen entstehen. Ein Zeugnis darf deshalb dort keine Auslassungen enthalten, wo der verständige Leser eine positive hohe Hervorhebung erwartet. Das Bundesarbeitsgericht hat in einer aktuellen Entscheidung diese Grundsätze bekräftigt und wichtige Hinweise für den Inhalt von Zeugnissen gegeben (Urt. v. 12.8.2008 – 9 AZR 632/07, DB 2008, 2546). Die Entscheidung möchten wir nachfolgend für die Praxis zusammenfassen und vorstellen.

 

Der Sachverhalt der Entscheidung:

Der klagende Arbeitnehmer war von 1993 bis Ende März 2003 als Tageszeitungsredakteur bei einer Zeitung beschäftigt. Anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses war zwischen den Parteien ein Kündigungsrechtsstreit anhängig, der durch Vergleich beigelegt wurde. In Ziffer 4 dieses Vergleichs heißt es: „Die Beklagte erteilt dem Kläger ein Zeugnis, mit dem diesem gute Führung und Leistung bescheinigt werden.“

Dem Kläger wurde dann in der Tat ein gutes Zeugnis erteilt. Allerdings war er mit dem Inhalt des Zeugnisses nicht einverstanden. Vielmehr begehrte er ein Zeugnis, in dem der beklagte Arbeitgeber ihm zusätzlich bescheinigen sollte, dass

a) er auch in Stresssituationen zuverlässig und effektiv arbeite,

b) sein Verhalten vorbildlich und er bei Vorgesetzten und Kollegen sehr geschätzt gewesen sei,

c) der Arbeitgeber ihm für seinen weiteren persönlichen und beruflichen Lebensweg weiterhin viel Erfolg wünsche und

d) mit seinen Leistungen jederzeit sehr zufrieden gewesen sei.

Er hat dabei vorgetragen, dass es zum üblichen Zeugnisinhalt bei Tageszeitungsredakteuren gehöre, die Belastbarkeit in Stresssituationen gesondert zu beurteilen. Schweige sich ein Zeugnis darüber aus, sei das Zeugnis unvollständig und suggeriere, dass der Arbeitnehmer in diesem Beurteilungsmerkmal unterdurchschnittlich oder allenfalls durchschnittlich gearbeitet habe.

Der Arbeitgeber hat hingegen die Ansicht vertreten, mit dem erteilten Zeugnis seinen gesetzlichen und im gerichtlichen Vergleich übernommenen Verpflichtungen gerecht geworden zu sein. Der Leser des Zeugnisses eines Journalisten erwarte keine positive Hervorhebung der Arbeit in Stresssituationen. Es bleibe vielmehr Sache des Arbeitgebers, welche Leistungen und Eigenschaften des Arbeitnehmers er mehr hervorheben oder zurücktreten lassen wolle, solange das Zeugnis wahr sei und keine Auslassungen enthalte, wo der Leser eine positive Hervorhebung, wie etwa bei der Ehrlichkeit eines Kassierers, erwarte.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Zeugnisberichtigungsklage abgewiesen.

 

Die Entscheidung des BAG:

Das Bundesarbeitsgericht hat im Revisionsverfahren die Vorinstanzen aufgehoben und zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen.

 

I. Zeugnisberichtigungsanspruch

Der Arbeitgeber erfüllt den Zeugnisanspruch durch Erteilung eines Zeugnisses, das nach Form und Inhalt den gesetzlichen Anforderungen (vgl. § 109 GewO) entspricht. Genügt das Zeugnis diesen Anforderungen nicht, kann der Arbeitnehmer dessen Berichtigung oder Ergänzung beanspruchen. Mit einer Klage auf Berichtigung oder Ergänzung eines erteilten Arbeitszeugnisses macht der Arbeitnehmer deshalb weiterhin die Erfüllung seines Zeugnisanspruchs geltend. Grundsätzlich ist der Arbeitnehmer darlegungs- und beweisbelastet. Allerdings muss der Arbeitgeber seinerseits eine unterdurchschnittliche Bewertung belegen.

 

II. Inhalt des Zeugnisses bestimmt sich nach dem Zeugniszweck

Ein Zeugnis ist regelmäßig Bewerbungsunterlage und damit gleichzeitig Entscheidungsgrundlage für die Personalauswahl künftiger Arbeitgeber. Deshalb hat es Auswirkungen auf das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers. Dem Arbeitnehmer gibt es zugleich Aufschluss darüber, wie der Arbeitgeber seine Leistungen beurteilt. Vom Arbeitgeber wird dabei verlangt, dass er den Arbeitnehmer auf der Grundlage von Tatsachen beurteilt und, soweit das möglich ist, ein objektives Bild über den Verlauf des Arbeitsverhältnisses vermittelt. Daraus ergeben sich die Gebote der Zeugniswahrheit und der Zeugnisklarheit.

 

III. Zeugniswahrheit und Zeugnisklarheit

Der Grundsatz der Zeugniswahrheit erstreckt sich auf alle wesentlichen Tatsachen, die für die Gesamtbeurteilung des Arbeitnehmers von Bedeutung sind und an deren Kenntnis ein künftiger Arbeitgeber ein berechtigtes und verständiges Interesse haben kann. Die Tätigkeiten des Arbeitnehmers sind so vollständig und genau zu beschreiben, dass sich ein künftiger Arbeitgeber ein klares Bild machen kann.

Das Gebot der Zeugnisklarheit ist nach § 109 Abs. 2 GewO gesetzlich festgelegt. Danach muss dar Zeugnis klar und verständlich formuliert sein. Es darf keine Formulierungen enthalten, die den Zweck haben, eine andere als aus der äußeren Form oder aus dem Wortlaut ersichtliche Aussage über den Arbeitnehmer zu treffen. Abzustellen ist auf den objektiven Empfängerhorizont des Lesers des Zeugnisses. Es kommt nicht darauf an, welche Vorstellungen der Zeugnisverfasser mit seiner Wortwahl subjektiv verbindet.

 

IV. Arbeitgeber ist in der Formulierung frei

Der Arbeitgeber ist in diesem Rahmen grundsätzlich in der Formulierung frei. Das Zeugnis darf aber nichts Falsches enthalten. Der Arbeitgeber entscheidet deshalb auch darüber, welche positiven oder negativen Leistungen er stärker hervorheben will als andere. Maßstab ist der eines wohlwollenden verständigen Arbeitgebers.

 

V. Aber: Übliche Eigenschaften dürfen nicht ausgelassen werden!

Das Recht des Arbeitgebers, selbst darüber zu entscheiden, ob er bestimmte Leistungen oder Eigenschaften des Arbeitnehmers hervorhebt, wird durch die gesetzlichen Gebote der Zeugnisklarheit und Zeugniswahrheit begrenzt. Ist es für die Arbeitnehmer einer Branche oder einer Berufsgruppe üblich, bestimmte positive Eigenschaften oder Leistungen hervorzuheben, muss diesem Brauch auch im Zeugnis Rechnung getragen werden.

So ist es nach § 109 Abs. 2 Satz 2 GewO unzulässig, ein Zeugnis mit geheimen Merkmalen oder unklaren Formulierungen (Geheimcodes) zu versehen, durch die der Arbeitnehmer anders beurteilt werden soll, als dies aus dem Zeugniswortlaut ersichtlich ist. Weder Wortwahl noch Auslassungen dürfen dazu führen, dass bei Lesern des Zeugnisses der Wahrheit nicht entsprechende Vorstellungen entstehen können. Ein Zeugnis darf deshalb dort keine Auslassungen enthalten, wo der verständige Leser eine positive Hervorhebung erwartet. Anspruch auf ausdrückliche Bescheinigung bestimmter Merkmale hat damit der Arbeitnehmer, in dessen Berufskreis dies üblich ist und bei dem das Fehlen einer entsprechenden Aussage im Zeugnis sein berufliches Fortkommen behindern könnte.

 

Hinweis für die Praxis:

Das Weglassen bestimmter Prädikate oder berufsspezifischer Merkmale ist bei einer im Übrigen positiven Beurteilung zwar grundsätzlich noch kein Hinweis auf deren Fehlen, wenn das Prädikat zu den Selbstverständlichkeiten des Berufskreises des Arbeitnehmers gehört. Soweit jedoch die Merkmale in besonderem Maße gefragt sind und deshalb der allgemeine Brauch besteht, diese im Zeugnis zu erwähnen, kann die Nichterwähnung (beredtes Schweigen) ein erkennbarer negativer Hinweis für den Zeugnisleser sein.

 

Fazit:

Das Bundesarbeitsgericht konnte im vorliegenden Fall die Feststellung eines Zeugnisbrauchs nicht selbst entscheiden. Diese Feststellungen sind als Tatfrage allein den Tatsacheninstanzen vorbehalten. Der Rechtsstreit wurde daher zurückverwiesen.

 

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