26.03.2009 -

 

Bei der Einstellung von Leiharbeitnehmern ist der Betriebsrat des Entleiherbetriebes ordnungsgemäß nach § 99 BetrVG zu beteiligen. In einem aktuellen Beschluss hatte das Bundesarbeitsgericht nun die Frage zu klären, ob sich die Mitbestimmung nach § 99 BetrVG auch auf die zutreffende Eingruppierung des eingesetzten Leiharbeitnehmers bezieht (Beschl. v. 17.6.2008 – 1 ABR 39/97, DB 2008, 2658).

 

Der Sachverhalt der Entscheidung:  

Die Arbeitgeberin (Entleiherin) produziert elektronische Geräte und Bauteile. Sie beschäftigt in ihrem Betrieb etwa 40 Arbeitnehmer. Es besteht ein Betriebsrat. Bei Bedarf stellt die Arbeitgeberin Leiharbeitnehmer einer Leiharbeitsgesellschaft ein. Bei dieser Verleihergesellschaft finden die Tarifverträge zwischen dem Bundesverband Zeitarbeit und mehreren DGB-Gewerkschaften Anwendung. Nach dem einschlägigen Entgeltrahmentarifvertrag werden die Arbeitnehmer nach Maßgabe ihrer tatsächlich ausgeübten Tätigkeit in unterschiedliche Entgeltgruppen eingruppiert.

Im Juni 2006 bat die Arbeitgeberin den Betriebsrat um Zustimmung zur Einstellung einer Leiharbeitnehmerin für die Zeit vom 24. Juli bis zum 4. August 2006. Der Betriebsrat stimmte der Einstellung zu. Zugleich erklärte er, dass er der Eingruppierung widerspreche. In gleicher Weise verhielt er sich bei späteren Gelegenheiten.

Die Arbeitgeberin hat die Ansicht vertreten, dem für ihren Betrieb gewählten Betriebsrat stehe bei der Eingruppierung von Leiharbeitnehmern kein Mitbestimmungsrecht zu. Die Eingruppierung setze ein Arbeitsverhältnis voraus. Ein solches bestehe nur zwischen Leiharbeitnehmer und Verleihunternehmen.

Demgegenüber hat der Betriebsrat des Entleiherbetriebes die Auffassung vertreten, aus § 14 Abs. 3 AÜG folge auch die Beteiligung hinsichtlich der Eingruppierung. Dies sei sachlich geboten, denn die für die Eingruppierung maßgebliche tatsächliche Tätigkeit der Leiharbeitnehmer stelle sich erst im Entleiherbetrieb heraus und könne in aller Regel nur vom dortigen Betriebsrat beurteilt werden.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben sich der Auffassung der Arbeitgeberin angeschlossen.

 

Die Entscheidung des BAG:

Im Rechtsbeschwerdeverfahren vor dem Bundesarbeitsgericht hat das BAG die Vorinstanzen bestätigt.

 

I. Abgrenzung zwischen Verleiher und Entleiher

Bei Maßnahmen, die Leiharbeitnehmer betreffen, richtet sich die Abgrenzung der Zuständigkeiten des Betriebsrats des Entsende- und des Entleiherbetriebes danach, ob der Verleiher als Vertragsarbeitgeber oder der Entleiher die mitbestimmungspflichtige Entscheidung trifft. Über die Eingruppierung von Leiharbeitnehmern entscheidet allein der Verleiher. In arbeitsvertraglichen Beziehungen stehen die Leiharbeitnehmer nur zu diesem. Ausschließlich ihm gegenüber haben sie Vergütungsansprüche. Findet auf diese Leistungsbeziehung eine Vergütungsordnung Anwendung, entscheidet über die zutreffende Eingruppierung des Leiharbeitnehmers allein der vergütungspflichtige Verleiher und Vertragsarbeitgeber.

 

II. Betriebsrat des Entleihers besitzt keine Kompetenzen

Ein Recht auf Beteiligung an dieser Entscheidung steht dem Betriebsrat zu, der für den Betrieb des Verleihers errichtet ist. Nur dieser kann Beteiligungsrechte nach dem Betriebsverfassungsgesetz gegenüber dem Vertragsarbeitgeber und Inhaber des Entsendebetriebes wahrnehmen. Der Betriebsrat im Betrieb des entleihenden Arbeitgebers besitzt keine betriebsverfassungsrechtliche Rechtsposition gegenüber dem Inhaber eines Betriebs, für den er nicht gewählt ist.

 

III. Beteiligung des Entleiherbetriebsrats nur bei der Einstellung

Der Betriebsrat des Entleihers ist nach § 14 Abs. 3 AÜG „vor der Übernahme eines Leiharbeitnehmers zur Arbeitsleistung“ nach § 99 BetrVG zu beteiligen. Die „Übernahme“ eines Leiharbeitnehmers in diesem Sinne ist gleichbedeutend mit seiner als „Einstellung“ im Sinne von § 99 Abs. 1 BetrVG zu erachtenden Eingliederung in den Entleiherbetrieb. Das Beteiligungsrecht ist damit allein auf diese personelle Maßnahme der „Einstellung“ beschränkt. Die Beteiligung betrifft daher nicht die Eingruppierung des Leiharbeitnehmers.

Für die Richtigkeit dieses Verständnisses sprechen systematische Erwägungen. Der Betriebsrat des Entleiherbetriebes kann Mitbestimmungsrechte nur im Verhältnis zum Inhaber des Entleiherbetriebs wahrnehmen. Dieser wiederum entscheidet zwar über die Einstellung von Leiharbeitnehmern, aber nicht über deren Eingruppierung. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats des Entleiherbetriebs bei der Eingruppierung der Leiharbeitnehmer geht deshalb im Verhältnis zum Inhaber des Entleiherbetriebes ins Leere und scheitert im Verhältnis zum Inhaber des Entsendebetriebs an der betriebsverfassungsrechtlichen Kompetenzordnung.

 

Hinweis für die Praxis:

Betriebsverfassungsrechtliche Schutzlücken sind mit diesem Ergebnis nicht verbunden. Falls in einem betriebsratsfähigen Entsendebetrieb ein Betriebsrat gewählt ist, ist dieser auf der Grundlage von § 14 Abs. 3, § 12 Abs. 1 AÜG in der Lage, sich die erforderlichen Informationen zu beschaffen, um beurteilen zu können, in welche Vergütungsgruppe der im Entsendebetrieb anzuwendenden Vergütungsordnung die Leiharbeitnehmer aufgrund ihrer Tätigkeit im Entleiherbetrieb eingruppiert sind.

 

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