29.03.2009

Betreuen ein selbstständig tätiger und ein angestellter Ingenieur jeweils einzelne Aufträge und Projekte jeweils eigenverantwortlich und leitend, so ist trotz der gleichartigen Tätigkeit eine – gegebenenfalls im Schätzungswege vorzunehmende – Aufteilung der Einkünfte nicht ausgeschlossen

 

Der Fall:

Im Urteilsfall (BFH-Urteil vom 08.10.2008, Az. VIII R 53/07) betrieb ein selbstständiger Ingenieur unter Mithilfe eines angestellten Ingenieurs ein Ingenieurbüro (hier: für Baustatik und Massivbau). Es bestand zwischen Ihnen keine Gesellschaft. Eine gewinnabhängige Vergütung oder Verlustbeteiligung erfolgte nicht. Die Ingenieure waren ausschließlich für Großkunden tätig, wobei die einzelnen Projekte klar unter ihnen aufgeteilt wurden. Für jedes Projekt wurde bei Auftragserteilung eine Projektgruppe gebildet, die dem jeweiligen Projektleiter – entweder dem Kläger oder seinem Angestellten – zuarbeitete und von diesem überwacht und geleitet wurde. Nach den Angaben des Klägers ist kein Auftrag gemeinsam von ihm und dem angestellten Ingenieur bearbeitet worden.

Der Betriebsprüfer vertrat die Auffassung, dass es sich bei den Einkünften insgesamt um gewerbliche Einkünfte handelt, da der Firmeninhaber nicht (insgesamt) leitend und eigenverantwortlich tätig gewesen sei. Als Konsequenz erließ das Finanzamt erstmalige Gewerbesteuermessbescheide, gegen die sich der klagende Ingenieur wehrte. Einspruch und Klage beim FG Köln bleiben erfolglos.

Die Entscheidung:

Der BFH gab dem Kläger grundsätzlich Recht. Die Tätigkeit eines Ingenieurs ist nach dem Gesetz eine freiberufliche und damit keine gewerbliche Tätigkeit. Dies gilt auch dann, wenn er sich der Mithilfe fachlich vorgebildeter Angestellter, Subunternehmer oder freier Mitarbeiter bedient. Voraussetzung ist jedoch, dass er aufgrund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig ist.

Der Bundesfinanzhof urteilte, dass die vom Unternehmensinhaber selbst betreuten Aufträge seiner freiberuflichen Tätigkeit zuzuordnen sind und nur die von dem Angestellten betreuten Projekte zu gewerblichen Einkünften führen. Denn bei Ausübung sowohl einer freiberuflichen als auch einer gewerblichen Tätigkeit sind die Einkünfte zu trennen, selbst wenn sachliche und wirtschaftliche Bezugspunkte zwischen den verschiedenen Aktivitäten bestehen. Eine einheitliche Tätigkeit liegt erst dann vor, wenn die verschiedenen Handlungen miteinander verflochten sind und sich gegenseitig bedingen – etwa, wenn gegenüber dem Auftraggeber ein einheitlicher Erfolg geschuldet wird.

Fazit:

Wenn ein selbstständiger Ingenieur, der angestellte Ingenieure beschäftigt, die zumindest teilweise Umqualifizierung seiner Einkünfte in gewerbliche Einkünfte verhindern und damit eine teilweise Gewerbesteuerfreiheit erreichen möchte, sollte er sich an folgende dem Urteil des BFH zu entnehmende Kriterien halten:

  • Klare Zuordnung eingehender Aufträge zur leitenden und eigenverantwortlichen Bearbeitung durch den selbständigen Arbeitgeber-Ingenieur einerseits und den oder die Arbeitnehmer-Ingenieur(e) andererseits;
  • die vom selbstständigen Ingenieur betreuten Aufträge sind der freiberuflichen Tätigkeit zuzuordnen, die von dem angestellten Ingenieur / den angestellten Ingenieuren der gewerblichen Tätigkeit;
  • es ist ohne Bedeutung, dass die Tätigkeiten im selben Betrieb durchgeführt werden,
  • eine leichte und einwandfreie Trennbarkeit erfordert keine getrennte Buchführung – ausreichend ist eine nachvollziehbare Dokumentation der Projektaufteilung;
  • sofern die Trennung der Einkünfte nur durch Schätzung erfolgen kann, muss diese grundsätzlich auch durchgeführt werden;
  • auch die Gemeinkosten sind durch Schätzung aufzuteilen.

Hinweis: Die Entscheidung dürfte auch Bedeutung haben für andere freiberufliche Katalogberufe des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG, wenn jeweils beabsichtigt ist, dass die Berufsträger einzelne Projekte, Aufträge oder Mandate selbständig und eigenverantwortlich betreuen.

Bei Vertragsgestaltung zwischen solchen Freiberuflern, hier im Streitfall Ingenieuren, die unter diesen Voraussetzungen in einem Arbeits- und Anstellungsverhältnis zusammenarbeiten, sollte darauf geachtet werden, dass die Eigenverantwortlichkeit für die jeweils bearbeiteten Projekte gewährleistet und nachprüfbar und beweisbar dokumentiert wird. Dann kann wenigstens der Einkünfteanteil des Arbeitgebers zu freiberuflichen Einkünften führen.

Im Fall einer (Personen-)Gesellschaft von Ingenieuren gelten wiederum andere Voraussetzungen, weil hier auch nur geringe gewerbliche Einkünfte alle ansonsten freiberuflichen Einkünfte als gewerblich infizieren. Erkennbar gewerbliche Tätigkeiten sind dort noch eindeutiger zu isolieren und von freiberuflichen zu trennen, bspw. durch räumlich isolierte Bearbeitung und Aufteilung der Gemeinkosten (bspw. Gestellung von Personal, Räumlichkeiten und Material im Zusammenhang mit der gewerblichen Tätigkeit) durch vereinbarte Kostenumlagen.

Lorbeerkranz

Auszeichnungen

  • „Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuer­recht“
    (JUVE Handbuch Wirtschafts­kanz­leien 2022/2023)

  • „Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuer­recht“
    (JUVE Handbuch Wirtschafts­kanz­leien 2017-2021)

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