21.10.2009

 

In einer neueren Entscheidung vom 17.03.2009 (Az.: 1 StR 627/08) zur Strafbarkeit wegen der Hinterziehung von Umsatzsteuern hat sich der BGH zur Frage des Verhältnisses der Umsatzsteuervoranmeldung zur Umsatzsteuerjahreserklärung geäußert. Nach Ansicht des BGH kommt auch einer falschen Umsatzsteuerjahreserklärung im Verhältnis zu vorangegangenen falschen Voranmeldungen ein selbstständiger steuerstrafrechtlicher Unrechtsgehalt zu, da die falsche Umsatzsteuerjahreserklärung zu einer neuen eigenständigen Gefährdung des Umsatzsteueraufkommens führt. Die Abgabe einer falschen Umsatzsteuerjahreserklärung stellt damit nicht lediglich eine mitbestrafte Nachtat dar, sondern steht vielmehr in Tatmehrheit zur vorangegangenen Abgabe einer falschen Voranmeldung.

Im Ergebnis hält der BGH an der Differenzierung zwischen der Steuerhinterziehung „auf Zeit“ und einer solchen „auf Dauer“ zwar fest, vertritt allerdings nunmehr entgegen der Vorinstanz und seiner früheren Entscheidungen die Ansicht, dass Hinterziehungsschaden, der Nominalbetrag der verkürzten Steuern und nicht lediglich der aus der unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldung resultierende Zinsschaden des Fiskus ist.

Nach der Rechtsprechung des BGH führt die Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldung ebenso wie das pflichtwidrige Unterlassen der Abgabe einer Umsatzsteuervoranmeldung zunächst lediglich zu einer Steuerhinterziehung „auf Zeit“. Eine endgültige Steuerverkürzung „auf Dauer“ tritt, so der BGH, erst ein, wenn die Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuerjahreserklärung oder die pflichtwidrige Nichtabgabe einer Umsatzsteuerjahreserklärung erfolgt. Berichtigt der Täter in der Umsatzsteuerjahreserklärung seine unrichtigen Angaben und zahlt er die zunächst hinterzogenen Steuern nach, liegt in der Regel eine strafbefreiende Selbstanzeige im Sinne des § 371 AO vor. Eine Strafbarkeit wegen einer Steuerhinterziehung „auf Zeit“ scheidet unter diesen Voraussetzung regelmäßig aus.

I.        Der Fall

Der Angeklagte hatte in den Jahren 2002 und 2003 zunächst keine Umsatzsteuerjahreserklärungen abgegeben. Nachdem das Finanzamt Schätzbescheide erlassen hatte, reichte er die Umsatzsteuerjahreserklärungen 2002 und 2003 nach und erklärte geringere als die tatsächlich erzielten Umsätze. Für das Jahr 2004 gab der Angeklagte fristgerecht eine Umsatzsteuerjahreserklärung ab, erklärte jedoch nur einen Teil der tatsächlich erzielten Umsätze. Für das I. Quartale 2005 und das III. Quartal 2006 erfolgt keine Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen. In der Summe beliefen sich die verkürzten Umsatzsteuer auf einen Betrag von 80.500 €.

Für die Veranlagungsjahre 2002 und 2003 erfolgte weder die Abgabe einer Gewerbesteuer- noch einer Einkommensteuererklärung. Im Rahmen der Veranlagung zur Gewerbe- und Einkommensteuer für das Jahr 2004 erklärte der Angeklagte nur die in der Finanzbuchhaltung (tatsächlich) erfassten Einkünfte. Die Steuerverkürzung belief sich auf insgesamt 300.000 €.

Das Landgericht Fürth hatte den Angeklagten wegen Steuerhinterziehung in mehreren Fällen zu Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und Gesamtgeltstrafe von 360 Tagessätzen verurteilt. Die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt. Der BGH hob die Feststellung zur Strafzumessung auf und verwies die Sache zurück.

II.       Die Gründe

Entgegen der Ansicht des Landgerichts Fürth urteilte der BGH, dass sich der Umfang der verkürzten Steuern bzw. des erlangten Steuervorteils nicht anhand des aus der verspäteten Steuerfestsetzung resultierenden Zinsverlustes des Fiskus, sondern nach dem Nominalbetrag der verkürzten Steuern bzw. des erlangten Steuervorteils bemisst.

Denn nach der Auffassung des BGH folgt aus der Differenzierung einer Steuerhinterziehung „auf Zeit“ und einer Steuerhinterziehung „auf Dauer“ nicht, dass bei einer verspäteten Steuerfestsetzung alleine der Zinsverlust des Fiskus, die tatbestandliche Steuerverkürzung darstellt.

Denn ausgehend vom Schutzzweck des § 370 AO stellt bereits die im Festsetzungsverfahren begangene Steuerhinterziehung ein konkretes Gefährdungsdelikt dar. Die Steuer gilt in diesem Zusammenhang schon bereits dann als verkürzt, wenn sie nicht rechtzeitig festgesetzt worden ist. Die strafbewehrte Gefährdung des Steueranspruchs besteht grundsätzlich unabhängig davon, ob der Steuerschuldner beabsichtigt, zu einem späteren Zeitpunkt, die mit der Umsatzsteuervoranmeldung gemachten falschen Angaben zu berichtigen bzw. fehlende Angaben nachzuholen. Denn die Umsatzsteuervoranmeldung im Sinne des § 18 Abs. 1 UStG dient grundsätzlich dem Zwecke der zeitnahen Erfassung und der Erhebung der Umsatzsteuer. Insbesondere aber soll dem Fiskus bereits auf der Grundlage der Umsatzsteuervoranmeldung der wesentliche Teil des Umsatzsteueraufkommens zufließen.

Die Steuerhinterziehung „auf Zeit“ und eine solche „auf Zeit“ unterscheiden sich damit nur im Hinblick auf ihre Intensität der Gefährdung des Steueraufkommens im Abhängigkeitsverhältnis zum Vorstellungsbild des Täters. Dieser Umstand ist zwar für die Strafzumessung von Bedeutung, so der BGH, der Umfang des tatbestandsmäßigen Erfolgs bleibt davon allerdings unberührt.

 

III.      Fazit

Nach Auffassung des BHG handelt es sich im Hinblick auf das Verfahren im Zusammenhang mit der Umsatzsteuervoranmeldung und der Umsatzsteuerjahreserklärung steuerrechtlich um zwei selbstständige Verfahren. Die Umsatzsteuerfestsetzung aufgrund der Umsatzsteuerjahreserklärung hebt die die Steuerfestsetzung für die Voranmeldungszeiträume damit grundsätzlich nicht auf und trifft insbesondere keine Aussagen über deren materielle Richtigkeit. Daraus folgt für das steuerstrafrechtliche Verfahren, dass

  • sich der mit der Nichtabgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen verbundene Hinterziehungsschaden nicht im Zinsverlust des Fiskus erschöpft,
  • die Pflichtverletzungen durch die Abgabe einer fehlerhaften Umsatzsteuervoranmeldung zwar lediglich zu einer Steuerverkürzung „auf Zeit“ führt, sich die Höhe der tatbestandlichen Steuerverkürzung allerdings nicht mindert,
  • die geschuldete Umsatzsteuer bereits dann verkürzt ist, wenn sie nicht rechtzeitig festgesetzt worden ist,
  • die Umsatzsteuerhinterziehung „auf Zeit“ und „auf Dauer“ sich nicht im Erfolgsunrecht, sondern nur in ihrem Handlungsunrecht unterscheiden und
  • die spätere Berichtigung der fehlerhaften Umsatzsteuerfestsetzung kann, sofern die Voraussetzungen der strafbefreienden Selbstanzeige gegeben sind, im Rahmen der Strafzumessung als Schadenswiedergutmachung berücksichtigt werden.

Verfasser: Rechtsanwalt & Steuerberater Andreas Jahn, Rechtsanwältin Dorothée Gierlich – MEYER-KÖRING, Bonn

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