Selbst dann, wenn der Erbe schuldhaft ein falsches oder unvollständiges Nachlassverzeichnis vorlegt, wir dadurch die Beweislast in einem Pflichtteilsverfahren nicht umgekehrt. Der Pflichtteilsberechtigte muss auch in diesem Fall das Nichtbestehen von Nachlassverbindlichkeiten beweisen, die der Erbe (substantiiert) behauptet.
Der rechtliche Hintergrund
Ist ein Pflichtteilsberechtigter (Ehegatte, Abkömmling, Elternteil) enterbt, so steht ihm gegen den Erben ein Pflichtteilsanspruch zu. Bei dem Pflichtteilsanspruch handelt es sich um einen reinen Geldanspruch, der sich auf ½ des Wertes des gesetzlichen Erbteils beläuft. Hat beispielsweise der verwitwete Vater seine neue Lebensgefährtin zur Alleinerbin eingesetzt und damit seine zwei Kinder enterbt, so haben diese jeweils einen Pflichtteilsanspruch in Höhe von ¼ des Nachlasswertes gegen die Lebensgefährtin, da sie im Falle der gesetzlichen Erbfolge Miterben zu je ½ geworden wären. Der Nachlasswert beziffert sich anhand sämtlicher Aktiva des Nachlasses (Grundstücke, Konten, etc.) abzüglich der Nachlassverbindlichkeiten (Schulden des Erblassers, Beerdigungskosten, etc.).
Der Pflichtteilsberechtigte muss – wie grundsätzlich jeder Anspruchsinhaber – die Voraussetzungen seines Anspruchs beweisen, wenn er ihn vor Gericht erfolgreich durchsetzen will. Das gilt auch für den von ihm behaupteten Wert des Nachlasses. Da dem Pflichtteilsberechtigten keine Auskunftsansprüche gegen Banken, Versicherungen etc. des Erblassers zustehen, fällt der Beweis häufig schwer. Als Erleichterung sieht das Gesetz einen Auskunfts- und Wertermittlungsanspruch des Pflichtteilsberechtigten gegen den Erben vor, der insbesondere die Vorlage eines vollständigen Nachlassverzeichnisses beinhaltet.
Der Fall
Die Beklagte war die zweite Ehefrau des Erblassers, die er testamentarisch zu seiner alleinigen Erbin eingesetzt hatte. Kläger waren die Kinder des Erblassers aus erster Ehe. Auf Aufforderung der Kläger übersandte die Beklagte zunächst ein Nachlassverzeichnis, das einen Nachlasswert von 40.055,30 € auswies. Dem standen als Verbindlichkeiten lediglich die Beerdigungskosten in Höhe von 2.251,00 € gegenüber. Als die Kläger ihren Anspruch gerichtlich verfolgten, behauptete die Beklagte weitere Nachlassverbindlichkeiten (Darlehen) in Höhe von über 200.000,00 € und substantiierte diesen Vortrag durch Vorlage der entsprechenden Kontoauszüge. Die Kläger konnten das Nichtbestehen dieser Verbindlichkeiten nicht beweisen. Das Oberlandesgericht wies daher ihre Klage ab.
Die Entscheidung
Der Bundesgerichtshof bestätigte die Entscheidung des Oberlandesgerichtes. Der Pflichtteilsberechtigte sei nach der gesetzlichen Beweislastverteilung grundsätzlich für alle Tatsachen beweispflichtig, von denen der Grund und die Höhe des von ihm erhobenen Anspruchs abhängt, mithin auch für das Nichtbestehen der von dem Erben behaupteten und substantiiert dargelegten Nachlassverbindlichkeiten. Allein die Vorlage eines unvollständigen Nachlassverzeichnisses führe noch nicht zu einer Umkehr der Beweislast. Eine solche sei nur bei arglistiger Täuschung oder Beweisvereitelung in Betracht zu ziehen, für die hier jedoch keine Anhaltspunkte bestünden. Immerhin billigte der Bundesgerichtshof den Pflichtteilsberechtigten aber einen Schadenersatzanspruch zu.
Hinweis für die Praxis
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist rechtlich zutreffend. Eine vom Gesetz vorgegebene Beweislastverteilung kann nicht ohne Weiteres umgekehrt werden. Den Pflichtteilsberechtigten, die Zweifel an dem Wahrheitsgehalt der erteilten Auskünfte haben, hilft das wenig. Diese bleiben auf die Auskunft des Erben und dessen eidesstattliche Versicherung verwiesen. An der schlechten Beweislage für Pflichtteilsberechtigte kann nur der Gesetzgeber etwas ändern, indem er diesen einen unmittelbaren Auskunftsanspruch gegen die Banken, Versicherungen etc. des Erblassers zugesteht. Da die letzte Erbrechtsreform erst zum 01.01.2010 in Kraft getreten ist, ist damit allerdings in nächster Zeit kaum zu rechnen. Wenigstens können aber die Pflichtteilsberechtigten den Schaden, der ihnen durch die Vorlage eines unvollständigen Nachlassverzeichnisses entsteht (Prozesskosten), von dem Erben ersetzt verlangen.
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