06.07.2010 -

Die Betriebspartner vereinbaren in Sozialplänen oftmals sehr individuelle Regelungen. Die Rechtsprechung hat sich daher immer wieder mit neuen Fallkonstellationen zu befassen. Das Bundesarbeitsgericht hatte nun in einer Entscheidung aus Dezember 2009 zu beurteilen, ob die Zahlung einer Abfindung dann für Arbeitnehmer ausgeschlossen werden kann, wenn sie durch Vermittlung des Arbeitgebers einen neuen Arbeitsplatz finden (BAG, Urt. v. 8.12.2009 – 1 AZR 801/08).

Der Fall:

Die klagende Arbeitnehmerin war bereits seit 1981 als Frühstücksdame in dem beklagten Hotel beschäftigt. Sie bezog bei einer Wochenarbeitszeit von 39 Stunden zuletzt ein Bruttomonatsentgelt von 1.227,00 €. Zusätzlich erhielt sie Urlaubs- und Weihnachtsgeld, vermögenswirksame Leistungen sowie Leistungen für eine betriebliche Altersversorgung.

Das Hotel wurde zum Jahresende 2006 geschlossen. Der Arbeitgeber vereinbarte mit dem Betriebsrat einen Interessenausgleich und einen Sozialplan. In dem Geltungsbereich des Interessenausgleichs war bestimmt:

Dieser Sozialplan findet keine Anwendung auf Mitarbeiter, die aus dem Unternehmen ausscheiden, obwohl ihnen die Beschäftigung auf einem anderen, vom Unternehmen oder einem Dritten angebotenen Arbeitsplatz zugemutet werden kann.

In § 3 war hinsichtlich der Zumutbarkeit Folgendes geregelt:

Der Arbeitsplatz ist wirtschaftlich zumutbar, wenn der Mitarbeiter seine bisherige effektive Entlohnung bei gleichem Arbeitszeitvolumen behält.

Hinsichtlich der Abfindung regelte § 4 des Sozialplans:

Arbeitnehmer, denen ein neuer Arbeitsplatz vermittelt werden kann, erhalten nur dann eine Abfindung, wenn das neue Arbeitsverhältnis während der Probezeit durch den neuen Arbeitgeber gekündigt wird. Entsprechende Nachweise sind vorzulegen (Arbeitsvertrag, Kündigung). In diesem Fall wird eine anteilige Abfindung gezahlt.

Das Arbeitsverhältnis endete durch betriebsbedingte Kündigung zum 31. Dezember 2006. Der Arbeitgeber teilte im September 2006 der Klägerin mit, das Hotel werde voraussichtlich ab Juli 2007 fortgeführt. Sollte sie Interesse an einer Tätigkeit bei dem neuen Betreiber des Hotels haben, könne sie ihre Bewerbungsunterlagen an eine näher bezeichnete Anschrift senden. Als dortige Kontaktperson war in dem Schreiben Herr R. angegeben.

Nachdem sich die Klägerin bei der von ihrem bisherigen Arbeitgeber angegebenen Gesellschaft beworben hatte, schloss sie zum 1. Januar einen neuen Arbeitsvertrag. Der Bruttomonatsverdienst betrug bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 39 Stunden nunmehr lediglich 1.205,00 €. Weitere Entgeltansprüche waren im Arbeitsvertrag nicht vereinbart.

Nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung hat die Klägerin mit ihrer Klage von der Beklagten die Zahlung einer Sozialplanabfindung verlangt. Das neue Arbeitsverhältnis sei nicht zumutbar im Sinne des Sozialplans, denn ihr Jahresverdienst sei geringer als bei dem früheren Arbeitgeber.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben.

Die Entscheidung:

Das Bundesarbeitsgericht hat im Revisionsverfahren die Ansprüche zurückgewiesen.

I. Auslegung des Sozialplans

Nach Sinn und Zweck des Sozialplans hatten die Arbeitnehmer die Wahl. Wurde ihnen ein unzumutbarer Arbeitsplatz angeboten, weil die neue Vergütung geringer war als die bisherige, war die Arbeitnehmerin berechtigt, das vermittelte Angebot auszuschlagen. Auch in diesem Falle hätte sie dennoch eine Abfindung erhalten.

Wurde jedoch das (unzumutbare) Angebot dennoch angenommen, weil der Arbeitnehmer es unabhängig von den im Sozialplan festgelegten Zumutbarkeitsanforderungen subjektiv für zumutbar erhielt, besteht nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts kein Abfindungsanspruch im konkreten Fall.

Hinweis für die Praxis:

Die Betriebspartner sind berechtigt, die wirtschaftliche Zumutbarkeit festzulegen und die Anwendung des Sozialplans für bestimmte Fälle auszuschließen. Hier hatte sich die Arbeitnehmerin aber, trotz der niedrigeren Vergütung, für die Annahme des neuen Arbeitsplatzes entschieden. Sie wird daher so behandelt wie ein Arbeitnehmer, der einen im Sinne des Sozialplans zumutbaren Platz angenommen hat.

II. Vermittlung durch Arbeitgeber

Der Klägerin stand auch nach § 4 keine Abfindung zu. Ihr wurde ein neuer Arbeitsplatz vermittelt und das neue Arbeitsverhältnis wurde nicht in der Probezeit gekündigt. Die Zumutbarkeitsanforderungen hinsichtlich des Angebotes eines anderen Arbeitsplatzes finden hier keine (entsprechende) Anwendung.

Durch die Vermittlung eines neuen Arbeitsplatzes trägt der Arbeitgeber dazu bei, die aus der Betriebsänderung folgenden Nachteile für die Arbeitnehmer zu mildern. Der Begriff „Vermittlung“ ist in einem weiten Sinne zu verstehen. Er erfordert ein Handeln des Arbeitgebers, das sich dahin auswirkt, dass ein Arbeitsverhältnis mit einem Dritten begründet wird. Das Handeln kann in der Veräußerung von Betriebsteilen an Dritte gesehen werden, es erfasst aber auch andere Fälle des Tätigwerdens des Arbeitgebers.

Fazit:

In Einklang mit dem Sozialplan hatte die Arbeitnehmerin keinen Abfindungsanspruch. Der Sachverhalt und auch die unterschiedlichen Entscheidungen der 1. und 2. Instanz machen jedoch deutlich, dass Sozialpläne inhaltlich nicht immer eindeutig verständlich sind. Die Betriebspartner wie auch alle an den Verhandlungen beteiligten Berater sollten daher stets in besonderem Maße darauf achten, dass die Regelungen des Sozialplans klar und deutlich formuliert werden. In Zweifelsfällen sollten konkrete Beispiele in den Text des Sozialplans aufgenommen werden, um auch der eigentlichen Zielgruppe des Sozialplans – den betroffenen Arbeitnehmern – das Verständnis ohne gerichtliche Geltendmachung zu ermöglichen.

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