Werden Arbeitnehmer unter dauerhafter Überschreitung der vertraglich vorgesehenen Arbeitszeit eingesetzt, kann dies einerseits die Anordnung von Überstunden beinhalten oder andererseits zu einer einvernehmlichen Vertragsänderung führen. Die Unterscheidung ist von besonderer Bedeutung. Die Anordnung von Überstunden kann schlicht im Wege des Weisungsrechts zurückgenommen werden. Eine Vertragsänderung ist einseitig hingegen nicht mehr aufhebbar, sondern nur noch einvernehmlich oder im Wege einer betriebsbedingten Änderungskündigung. Das Bundesarbeitsgericht hat in einem aktuellen Urteil die Unterscheidungskriterien dargestellt (BAG, Urt. v. 22.4.2009 – 5 AZR 133/08, DB 2009, 1652).
Die Entscheidung:
Der klagende Arbeitnehmer war bereits seit 1976 als Lagerverwalter tätig. Im Januar 1988 richtete der Arbeitgeber eine Mitteilung an alle Meister. Danach wurde unter anderem dem Mitarbeiter die Zusatzaufgabe Schließdienst im Wege des Weisungsrechts übertragen. Dies führte jeden Tag zu einer Verschiebung des Arbeitsbeginns bzw. Arbeitsendes um jeweils 15 Minuten. Täglich fielen also 30 Minuten Überstunden an.
18 Jahre später entzog der Arbeitgeber im Jahre 2006 dem Arbeitnehmer diese Zusatzaufgabe und stellte die Zahlung der bis dahin geleisteten Überstundenvergütung von zuletzt ca. 200,00 € brutto monatlich wieder ein. Der Kläger macht geltend, der einseitige Entzug der Zusatzaufgabe sei rechtsunwirksam. Es habe sich nicht um Überstunden, sondern um eine dauerhafte Verlängerung der Wochenarbeitszeit gehandelt. Die Änderung hätte nur im Wege einer Änderungskündigung umgesetzt werden können. Zudem widerspreche der Entzug der Aufgabe billigem Ermessen. Ein sinnvolles Konzept lasse sich nicht erkennen.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen.
Die Entscheidung:
Im Revisionsverfahren hat das Bundesarbeitsgericht die Entscheidungen der Vorinstanzen in vollem Umfange bestätigt.
I. Überstunden oder dauerhafte Übertragung?
Der Durchführung des Schließdienstes lag keine Änderung des Arbeitsvertrages zugrunde. Allenfalls einigten sich die Arbeitsvertragsparteien über die Befugnis des Arbeitgebers, den Kläger regelmäßig zu Überstunden heranzuziehen.
Der schriftliche Arbeitsvertrag wurde nicht abgeändert. Eine dauerhafte Übertragung wurde auch nicht stillschweigend vereinbart. Die Tatsache, dass ein Arbeitnehmer vom Arbeitgeber – auch längere Zeit – unter Überschreitung der vertraglich vorgesehenen Arbeitszeit eingesetzt wird, beinhaltet für sich genommen noch keine einvernehmliche Vertragsänderung. Bei einem entsprechenden Arbeitseinsatz handelt es sich um ein tatsächliches Verhalten, dem nicht notwendig ein bestimmter rechtsgeschäftlicher Erklärungswert in Bezug auf den Inhalt des Arbeitsverhältnisses zukommt. Es ist auf die Absprachen abzustellen, die dem erhöhten Arbeitseinsatz zugrunde liegen. Die Annahme einer dauerhaften Vertragsänderung mit einer erhöhten regelmäßigen Arbeitszeit setzt die Feststellung entsprechender Erklärungen der Parteien voraus.
II. Zeitliche Dauer nachrangig
Der Kläger verrichtete seine Zusatzaufgabe über 18 Jahre, also einen sehr langen Zeitraum. Das Bundesarbeitsgericht nahm aber auch diesen langen Zeitraum nicht zum Anlass, eine einvernehmliche Vertragsänderung anzunehmen. Auch bei einem derart langen Einsatz müssen besondere Umstände vorliegen, die eine weitergehende Bindung rechtfertigen bzw. begründen. Gerade aus der Bezeichnung als Überstunden hat das Bundesarbeitsgericht auf die vorübergehende Natur derZusatzaufgabe geschlossen. Die Aufnahme in die Personalakte ändert hieran nichts. Auch der fehlende schriftliche Hinweis auf eine Befristung des Schließdienstes lässt nicht auf eine unbefristete Vertragsänderung schließen.
Fazit:
Überstunden können dauerhaft und über eine längere Zeit kontinuierlich angeordnet werden. Die vorliegende Entscheidung macht deutlich, dass dies sogar über einen täglichen Zeitraum von über 18 Jahren möglich ist. Der lange Einsatz führt nicht zu einer automatischen Vertragsänderung. Dennoch können wir der Praxis nur empfehlen, deutliche Vorbehalte bei einem längeren und kontinuierlichen Überstundeneinsatz zu erklären. Das Bundesarbeitsgericht stellt auf die konkreten Absprachen der Parteien ab. Je deutlicher der Arbeitgeber aber erklärt, eine Vertragsänderung gerade nicht zu wollen, desto geringer sind die damit verbundenen Risiken.
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