14.12.2009

 

Das OVG Lüneburg hat mit Beschluss vom 04.12.2009, 8 LA 197/09, bestätigt, dass einem Arzt auch wegen beharrlicher Steuerhinterziehung die Approbation entzogen werden kann.

Der Fall:

Der Kläger ist seit 1986 als niedergelassener Augenarzt tätig. In seinen Einkommensteuererklärungen hatte er in erheblichem Umfang Einnahmen aus der Praxistätigkeit nicht angegeben. Einschließlich Zinsen ergab sich ein Steuerrückstand von 877.000 €. Wegen Steuerhinterziehung in fünf Fällen mit einem Steuerschaden von knapp 300.000 € wurde er zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt, der Rest wurde wegen einer strafbefreienden Selbstanzeige steuerstrafrechtlich nicht sanktioniert. Der Kläger befindet sich im Insolvenzverfahren.

Die Entscheidung:

Da Steuervergehen unmittelbar weder einen Rückschluss auf die berufliche Tätigkeit eines Arztes zulassen noch – anders als etwa Übergriffe auf die körperliche Integrität von Patienten oder anderen Personen – das Wohlergehen der dem Arzt in besonderer Weise anvertrauten Gesundheit von Menschen betreffen und es für die Annahme der Unwürdigkeit nicht auf eine Wiederholungsgefahr ankommt, führt allerdings nicht jedes Steuervergehen zur Annahme der Unwürdigkeit i. S. d. § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 Bundesärzteordnung (BÄO). Nur ein schwerwiegendes, beharrliches steuerliches Fehlverhalten rechtfertige die Annahme, der Approbierte setze sich im eigenen finanziellen Interesse in einem solchem Maße auch über strafbewehrte, im Interesse der Allgemeinheit bestehende Bestimmungen hinweg, dass er schon deshalb als Arzt untragbar ist.

Wo im Einzelnen die Grenze zu ziehen ist, kann nach Auffassung des OVG offen bleiben – und das macht die Sache gefährlich.

Auf die verhängte Strafhöhe soll es jedenfalls nicht in erster Linie ankommen, denn auch eine steuerrechtlich mögliche strafbefreiende Selbstanzeige (§ 371 AO) hilft nach Auffassung des OVG nicht. Denn § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BÄO setze nur ein allgemeines Fehlverhalten, nicht aber die Begehung einer Straftat voraus.

Wer als Arzt dem Fiskus Steuern in dieser Weise und mit solcher Beharrlichkeit entzieht, verliert auch ohne unmittelbar berufsbezogenes Fehlverhalten das notwendige Vertrauen in die vorrangig am Wohl seiner Patienten und nicht an seiner eigenen finanziellen Lage orientierte (§ 1 BÄO) ärztliche Berufsausübung und ist deshalb „unwürdig“.

Das aufgrund des eingetretenen Vermögensverfalls schwebende Insolvenzverfahren verschlechterte die Position des Klägers noch weiter.

Bei Ausübung eines freien Berufes mit wirtschaftlichem Bezug stellt der Vermögensverfall regelmäßig gerade einen eigenständigen Grund zum Entzug der Berufserlaubnis dar. Zudem wäre es mit dem gesetzlichen Heilauftrag eines Arztes nach § 1 BÄO unvereinbar, Zweifel an seiner Integrität im wirtschaftlichen Interesse seiner Gläubiger zurückzustellen. Schließlich ist jedenfalls auf der Grundlage der eigenen Prognose des Klägers auch nicht zu erkennen, dass die von ihm beabsichtigte Fortführung seiner Praxis überhaupt zu einer auch nur anteiligen Tilgung der Schulden führt und deshalb im Interesse seiner Gläubiger liegt.

Fazit:

  • Mit der Entscheidung des Niedersächsischen OVG erhöht sich der Druck auf Steuerhinterzieher, die nicht mehr nur steuerstrafrechtlichen Konsequenzen zu befürchten haben, sondern vermehrt auch mit diversen außersteuerlichen Sanktion rechnen müssen.
  • Diese Sanktionen greifen immer dort, wo Zulassungen und Erlaubnisse an die persönliche Zuverlässigkeit gekoppelt sind, sei es die ärztliche Approbation, sei es die Jagderlaubnis oder die waffenrechtliche Zuverlässigkeit von Jägern oder Sportschützen. Im Jagd- und Waffenrecht kann schon eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Steuerhinterziehung von „nur“ sechzig Tagessätzen die Zuverlässigkeit nehmen.
  • Wo die Grenze für die Entziehung der ärztlichen Approbation liegt, lässt das OVG ausdrücklich offen. Wenn aber für die Beurteilung der ärztlichen Unwürdigkeit und Unzuverlässigkeit selbst die strafbefreiende Selbstanzeige nicht ausreichend sein soll, kann die Approbation möglicher Weise auch dann entzogen werden, wenn es nicht einmal zu einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung kommt.
  • In jedem Fall ist Steuerhinterziehern und deren Verteidigern anzuraten, in Verhandlungen in steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren auch die meist übersehenen außersteuerstrafrechtlichen Sanktionen mitzuberücksichtigen. Ansonsten kann neben der meist verschmerzbaren Steuerstrafe auch noch die berufliche Existenz vernichtet werden.
Lorbeerkranz

Auszeichnungen

  • „Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuer­recht“
    (JUVE Handbuch Wirtschafts­kanz­leien 2022/2023)

  • „Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuer­recht“
    (JUVE Handbuch Wirtschafts­kanz­leien 2017-2021)

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