08.11.2009

 

Der Fall (vereinfacht wiedergegeben):

Streit in einer GmbH-Gesellschafterversammlung, ein alltägliches Szenario. Der Minderheitsgesellschafter will den Geschäftsführer aus wichtigem Grund abberufen lassen, obwohl der Tagesordnungspunkt vom Geschäftsführer in der Einladung nicht angekündigt war; stattdessen erzwingt der Mehrheitsgesellschafter dessen Entlastung.

Damit ist der Minderheitsgesellschafter nicht einverstanden, fasst mit seinen eigenen Stimmen gegen den Protest des anderen einen „Abberufungsbeschluss“ und glaubt sich im Recht.

Dessen ungeachtet schlägt der Mehrheitsgesellschafter den Umstand in den Wind, dass im Zeitpunkt der Gesellschafterversammlung noch niemand absehen konnte, ob der Geschäftsführer tatsächlich einen erheblichen Schaden verursacht hat und erzwingt die einem Verzicht gleichkommende Entlastung wiederum durch Beschluss mit diesmal seinen eigenen Stimmen.

Die Folge: Keiner akzeptiert die jeweils vermeintlich getroffenen Beschlüsse und beide greifen die Beschlussfassungen wechselseitig an.

Der BGH hat nun ein weiteres Mal dazu Stellung genommen, unter welchen Voraussetzungen und mit welchem Klagebegehren ein Gesellschafter Beschlüsse angreifen kann (BGH, Beschluss vom 04.05.2009, II ZR 169/07).

Die Entscheidung:

1. Klage des Minderheitsgesellschafters auf Feststellung des Abberufungsbeschlusses

Soweit der Minderheitsgesellschafter die Feststellung begehrt (Beschlussfeststellungsklage), dass mit seiner eigenen Stimme die Abberufung des Geschäftsführers beschlossen worden sei, war die Klage unbegründet, weil überhaupt nicht wirksam abgestimmt wurde.

Zwar stellt der BGH fest:

„Wenn das Ergebnis der Abstimmung in einer GmbH-Gesellschafterversammlung nicht durch einen Versammlungsleiter festgestellt ist, kann ein Gesellschafter durch Erhebung einer Feststellungsklage klären, ob und mit welchem Inhalt ein Beschluss gefasst worden ist … Diese Feststellung kann nicht getroffen werden, wenn die Gesellschafter nicht abgestimmt und keinen Beschluss gefasst haben.“

Und das war nach Auffassung des BGH der Fall. Ein Beschluss kommt durch die Stimmabgabe der Gesellschafter bei einer Abstimmung zustande (§ 47 Abs. 1 GmbHG). Wenn sich die Mitgesellschafter allerdings z.B. wegen der unterbliebenen Beschlussankündigung in der Einladung berechtigt weigern, über einen Beschlussantrag abzustimmen, kann durch die Willensäußerung eines Gesellschafters allein kein Beschluss zustande kommen. Das wäre keine Stimmabgabe im Rahmen einer Abstimmung.

Dann hilft auch das Selbsthilferecht des Minderheitsgesellschafters nichts. Ein Gesellschafter kann im Wege der Selbsthilfe eine Abstimmung nur nach rechtzeitiger Ankündigung des Beschlussantrags erreichen (§ 51 Abs. 4 GmbHG i.V.m. § 50 Abs. 3 Satz 1 GmbHG). Gesellschafterbeschlüsse können grundsätzlich nur über Gegenstände gefasst werden, die wenigstens drei Tage vor der Versammlung angekündigt worden sind (§ 51 Abs. 4 GmbHG).

Der Beschlussantrag des Klägers war aber nicht rechtzeitig angekündigt. Denn die Einladung zur Gesellschafterversammlung war trotz des rechtzeitig gestellten Ergänzungsantrags des Klägers nicht ergänzt worden. Von seinem Selbsthilferecht zur Ankündigung (§ 50 Abs. 3 Satz 1 GmbHG) hatte der Kläger keinen Gebrauch gemacht.

Der Mangel ist nicht durch den Umstand einer Vollversammlung geheilt (§ 51 Abs. 3 GmbHG) worden. Voraussetzung einer Heilung durch eine Vollversammlung ist, dass sämtliche Gesellschafter nicht nur anwesend, sondern auch mit der Abhaltung der Gesellschafterversammlung zum Zweck der Beschlussfassung einverstanden sind, was vorliegend nicht der Fall war.

2. Kombinierte Anfechtungs- und Beschlussfeststellungsklage des Minderheitsgesellschafters

Die Anfechtungs- und Beschlussfeststellungsklage gegen die Ablehnung des Antrags des Klägers, den Geschäftsführer abzuberufen, war ebenfalls nicht begründet. Mit der kombinierten Anfechtungs- und Beschlussfeststellungsklage kann die Nichtigerklärung eines gefassten, einen Antrag ablehnenden Beschlusses und die Feststellung erreicht werden, dass ein beantragter Beschluss gefasst wurde.

Im Streitfall urteilte der BGH, dass der Antrag des Klägers hat nicht die erforderliche Mehrheit erhalten habe, weil er mit den Stimmen des Mitgesellschafters ohne Rechtsverstoß abgelehnt wurde.

3. Klage des Mehrheitsgesellschafters auf Feststellung des Entlastungsbeschlusses

Aber auch der Mehrheitsgesellschafter hatte mit seiner Klage keinen Erfolg. Denn der Beschluss, den Geschäftsführer zu entlasten, war nicht wirksam zustande gekommen.

Wegen des weiten Ermessensspielraums der Gesellschafter bei der Entlastung ist ein Entlastungsbeschluss anfechtbar, wenn keine andere Entscheidung als die Versagung denkbar ist und die Entlastung missbräuchlich ist. Das ist insbesondere der Fall, wenn dem Geschäftsführer schwere Pflichtverletzungen vorzuwerfen sind und der Gesellschaft ein erheblicher Schaden zugefügt wurde.

Wegen der Verzichtswirkung ist eine Entlastungsentscheidung danach dann treuwidrig, wenn

  • sie – wie im Streitfall – zu einem Zeitpunkt getroffen wird, zu dem die Gesellschafter von der Pflichtverletzung des Geschäftsführers zwar erfahren haben, aber noch nicht in der Lage sind zu beurteilen, ob der Gesellschaft tatsächlich ein Schaden zugefügt wurde („zur Unzeit“), und
  • sie nur dazu dient, den Geschäftsführer der Verantwortung für sein Verhalten zu entziehen und eine weitere Untersuchung zu verhindern.

Hier hatte der Minderheitsgesellschafter erst unmittelbar vor der Gesellschafterversammlung von der pflichtwidrigen Geschäftsführungsmaßnahme erfahren. Die zu einer Beurteilung notwendigen Informationen besaß er nicht.

Fazit:

Wer einerseits seine wirksame Beschlussfassungen in der Gesellschafterversammlung erreichen oder andererseits seine Anfechtungsmöglichkeiten erhalten möchte, sollte insbesondere nach dieser Entscheidung des II. Zivilsenats darauf achten, dass

  • seine Beschluss- und Ergänzungsanträge – notfalls im Wege des Selbsthilferechts – mindestens drei Tage vor der Versammlung angekündigt worden sind (soweit die Satzung keine abweichenden Fristen vorsieht);
  • das Beschlussergebnis und ggf. Proteste und Widersprüche gegen die Beschlussfassung idealer Weise durch einen Versammlungsleiter protokolliert worden sind;
  • Beschlüsse nicht zur Unzeit durchgesetzt werden und alle Stimmberechtigten rechtzeitig vor der Versammlung die zu einer adäquaten Beurteilung notwendigen Informationen erhalten.

Andrerseits droht die Gefahr jahrelanger Beschlussanfechtungsprozesse, die das Unternehmen wegen der fehlenden Rechtssicherheit unter Umständen lähmen können. Lässt sich im Vorfeld der Gesellschafterversammlung die Gefahr von Beschlussanfechtungen vorhersehen, sollte möglichst nicht ohne ausreichenden Rechtsbeistand getagt werden.

Autor

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Andreas Jahn
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