Für den Gewinn aus der Veräußerung eines Gewerbebetriebs werden nach § 16 Abs. 4 EStG, wenn der Veräußerer älter als 55 Jahre ist, ein Freibetrag und nach § 34 EStG ein ermäßigter Steuersatz gewährt. Die Veräußerung eines Gewerbebetriebs im Ganzen setzt voraus, dass einerseits das wirtschaftliche Eigentum an allen wesentlichen Betriebsgrundlagen in einem einheitlichen Vorgang auf einen Erwerber übertragen wird und dass andererseits die bisher in diesem Betrieb entfaltete gewerbliche Tätigkeit beendet wird. Letztere Voraussetzung ist fraglich, wenn der Veräußerer weiter für den bisherigen Betrieb tätig ist. Mit Urteil vom 17.07.2008 (BFH, Urteil vom 17.07.2008 – X R 40/07, DStR 2008, 2254) hat der BFH zu der Frage Stellung genommen, ob die Übernahme einer Beratertätigkeit für den Erwerber des Betriebs steuerschädlich im Hinblick auf die Privilegierungen der §§ 16 Abs. 4 und 34 EStG ist.
Sachverhalt
In dem entschiedenen Fall hatte der Kläger seinen Gewerbebetrieb an einen früheren Mitarbeiter verkauft. Parallel dazu schlossen Veräußerer und Erwerber einen Beratervertrag ab, wonach der Kläger seine frühere Firma in allen Fragen der Unternehmensführung und Akquisition beraten sollte. Das beklagte Finanzamt gewährte dem Kläger weder den Freibetrag nach § 16 Abs. 4 EStG, noch behandelte es den Veräußerungsgewinn als außerordentliche Einkünfte im Sinne des § 34 EStG. Das FG Düsseldorf (FG Düsseldorf, Urteil vom 20.04.2007 – 12 K 5766/04 E, BeckRS 2007 26024888) wies die hiergegen gerichtete Klage ab und argumentierte, der Kläger habe nach der Veräußerung seine bisherige Tätigkeit nicht aufgegeben, sondern über den mit dem Erwerber vereinbarten Beratervertrag im bisherigen Beschäftigungsfeld fortgesetzt.
Entscheidung des BFH
Der BFH folgte dieser Argumentation des Finanzgerichts nicht. Er befand, dass der Veräußerungsgewinn des Klägers nach §§ 16 Abs. 4, 34 EStG begünstigt sei, da der Kläger seine bisherige gewerbliche Tätigkeit vollständig eingestellt und sich eine neue Einkunftsquelle erschlossen habe. Der BFH nahm Bezug auf seine Rechtsprechung zu freiberuflichen Praxen. In einem Urteil aus dem Jahre 1994 (BFH, Urteil vom 18.05.1994 – I R 109/93, DStR 1994, 1843) hatte er entschieden, dass es der Beendigung der freiberuflichen Tätigkeit nicht entgegenstehe, wenn der Veräußerer einer Freiberuflerpraxis als freier Mitarbeiter für den Erwerber tätig werde. Entscheidend sei, dass der Veräußerer die wesentlichen wirtschaftlichen Grundlagen der Praxis einschließlich des Kundenstamms zivilrechtlich und wirtschaftlich auf den Erwerber übertrage. Beschäftige er den bisherigen Praxisinhaber noch als Arbeitnehmer oder freien Mitarbeiter, so bestünden zwischen dem Praxisveräußerer und den Kunden keine selbständigen Rechtsbeziehungen mehr. Die Kunden würden Rechtsbeziehungen nur zu dem Erwerber unterhalten. Er allein sei Inhaber des Honoraranspruchs gegenüber den Kunden. Damit verfüge er allein zivilrechtlich und wirtschaftlich über die Vorteile aus dem Kundenstamm.
Diese Grundsätze sind nach Auffassung des BFH auch auf den gewerblichen Bereich zu übertragen. Werde der Veräußerer vom Erwerber als Angestellter beschäftigt, so erziele der Übertragende keine Gewinneinkünfte mehr, sondern Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gemäß § 19 EStG. Bereits diese Veränderung der Einkunftsart rechtfertige die Annahme, dass die vorher und nachher ausgeübten Tätigkeiten nicht identisch seien.
Entsprechendes galt nach Auffassung des BFH auch im entschiedenen Fall, bei dem der Übertragende als selbständiger Unternehmer nach der Veräußerung des Betriebs für den Erwerber tätig geworden war. Als Betriebsinhaber habe sich der Übertragende an den allgemeinen Markt, nämlich seine bisherigen Kunden, gewendet. Als freier Mitarbeiter des Erwerbers verwerte er hingegen seine unternehmerischen Leistungen nur gegenüber seinem Nachfolger. Nur der Erwerber gehe rechtliche Beziehungen zu den bisherigen Kunden des Übertragenden ein. Der Veräußerer habe nach der Übertragung nur noch den Erwerber als Kunden. Ausschließlich zu diesem stehe er in Rechtsbeziehungen und ihm gegenüber verwerte er seine Leistungen.
Bei gewerblichen Produktionsbetrieben könne noch ein weiteres Argument nutzbar gemacht werden. Diese seien in erheblichem Umfang auf den Einsatz ihres Betriebsvermögens angewiesen. Vor der Übertragung eines Betriebs habe die Wertschöpfung in erheblichem Umfang auf der Nutzung dieses Produktivvermögens beruht. Nach der Übertragung werde das Betriebsvermögen hingegen nicht mehr im Rahmen des Gewerbebetriebs des Veräußerers eingesetzt. Er verwerte nur seine eigene Arbeitskraft ohne Kapitaleinsatz. Diese beiden unterschiedlichen Arten der Wertschöpfung seien wirtschaftlich nicht identisch. Der Übertragende habe seine auf das veräußerte Betriebsvermögen bezogene unternehmerische Tätigkeit eingestellt und sich eine neue Einkunftsquelle erschlossen.
Fazit
Die Entscheidung des BFH schafft Klarheit für die Frage, ob die nachfolgende Beratertätigkeit für den Erwerber für die Inanspruchnahme der Steuervergünstigungen nach § 16 Abs. 4 und § 34 EStG schädlich ist. Entscheidend ist – wie auch bei der Veräußerung von Freiberuflerpraxen -, dass die beiden Tätigkeiten sich qualitativ unterscheiden. Davon ist zum einen auszugehen, wenn die Einkunftsart sich ändert. Davon ist zum anderen auch auszugehen, wenn die unterschiedlichen Arten der Wertschöpfung nicht wirtschaftlich identisch sind, etwa wenn statt der Nutzung des Produktivvermögens die Nutzung der eigenen Arbeitskraft ohne Kapitaleinsatz Gegenstand der Tätigkeit ist.
Auszeichnungen
-
„Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuerrecht“(JUVE Handbuch Wirtschaftskanzleien 2022/2023)
-
„Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuerrecht“(JUVE Handbuch Wirtschaftskanzleien 2017-2021)
Autor
UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME
UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME
Sind Sie unsicher, ob Sie mit Ihrer Angelegenheit bei uns richtig sind?
Nehmen Sie gerne unverbindlich Kontakt mit uns auf und schildern uns Ihr Anliegen.
Wir freuen uns auf Ihren Anruf.