Im internationalen Rechtsverkehr ist immer wieder umstritten, ob und unter welchen Voraussetzungen Parteien eines grenzüberschreitenden Rechtsverhältnisses die Zuständigkeit der Gerichte eines bestimmten Landes nicht nur durch individuelle Vereinbarung, sondern auch in Allgemeinen Geschäftsbedingungen wirksam festlegen können. Ein häufiger Einwand derjenigen Partei, die den formularmäßig vereinbarten Gerichtsstand als für sich ungünstig bestreitet, ist, keine oder nicht ausreichende Kenntnis von der Gerichtsstandsklausel erhalten zu haben.

Ein Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Celle vom 24.07.2009 (Az. 13 W 48/09) hat in dieser Frage wichtige Klärung gebracht – aus deutscher Sicht, denn da es kein internationales, grenzübergreifend geltendes Zivilprozessrecht gibt, entscheidet das jeweils angerufene Gericht über seine eigene Zuständigkeit und deren wirksame Vereinbarung nach seinem eigenen nationalen Recht:

Der in einer Auftragsbestätigung enthaltene Hinweis auf die Geltung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen und deren Einsehbarkeit auf der Internetseite des Verwenders oder in dessen Geschäftsräumen genüge, so das OLG, auch im kaufmännischen Rechtsverkehr den Formerfordernissen des Art. 23 Abs.1 Satz 3 EuGVVO (Europäische Verordnung über die gerichtliche Zuständigkeit in Zivil- und Handelssachen) an den Abschluss einer Vereinbarung über einen internationalen Gerichtsstand nicht, wenn der Text der Allgemeinen Geschäftsbedingungen dem Vertragspartner nicht zugleich übersandt worden sei oder ihm im Rahmen einer laufenden Geschäftsverbindung aufgrund vorangegangener Verträge bereits vorliege.

Zur Begründung führt das OLG Celle u.a. aus:

„Angesichts der möglichen Folgen einer Gerichtsstandsvereinbarung für die Parteien im Prozess sind die in Art. 23 Abs.1 Satz 3 EuGVVO aufgestellten Voraussetzungen für die Wirksamkeit von Gerichtsstandsklauseln eng auszulegen. Der Abschluss einer Gerichtsstandsvereinbarung setzt […] voraus, dass die die Zuständigkeit begründende Klausel tatsächlich Gegenstand einer Willenseinigung zwischen den Parteien gewesen sein muss, die klar und deutlich zum Ausdruck gekommen ist. Die Formerfordernisse […] sollen gewährleisten, dass die Einigung zwischen den Parteien tatsächlich feststeht. […]

Gemessen an diesen strengen Formerfordernissen kann die Bezugnahme auf Allgemeine Geschäftsbedingungen, die ihrerseits eine Gerichtsstandsvereinbarung enthalten, nur ausreichen, wenn die Zustimmung der anderen Partei zu der von den allgemeinen Grundsätzen abweichenden Zuständigkeitsregelung tatsächlich feststeht […]. Demzufolge war allein der ausdrückliche Hinweis in der Auftragsbestätigung der Klägerin […] auf die Geltung ihrer – dem Schreiben nicht beigelegten – Allgemeinen Geschäftsbedingungen und auf die Möglichkeit ihrer Kenntnisnahme in ihren Geschäftsräumen oder auf ihrer Internetseite nicht ausreichend, um feststellen zu können, dass die Beklagte ihre Zustimmung zu der […] Gerichtsstandsvereinbarung tatsächlich erteilt hat […]. Dafür wäre zudem erforderlich, dass die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorlagen. [Nach] dem unstreitigen Sachvortrag […] bestätigt die Mitarbeiterin der Beklagten lediglich, dass sie die […] Auftragsbestätigung erhalten habe, nicht jedoch, dass ihr die AGB der Klägerin übermittelt worden seien.

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht, wenn man hinsichtlich einer Willenseinigung durch Einbeziehung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht die autonome Auslegung des Art. 23 Abs. 1 Satz 3 EuGVVO zu Grunde legte, sondern auf das Vertragsstatut [= das auf den Vertrag anwendbare materielle Recht] des Hauptvertrages abstellte. In diesem Fall genügte allein der Hinweis auf die Einsehbarkeit der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in den Geschäftsräumen der Klägerin oder auf ihrer Internetseite ebenfalls nicht.“

Empfehlung für die Praxis:

Gerade kaufmännische oder unternehmerische Parteien sollten, wenn ihnen in grenzüberschreitenden Verträgen ein für sie günstiger Gerichtsstand wichtig ist, grundsätzlich nicht das Risiko eingehen, sich auf formularmäßige Gerichtsstandsklauseln in AGB zu verlassen. Auch die rudimentärste Bestell- oder Auftragskorrespondenz bietet in aller Regel Gelegenheit, einen Gerichtsstand schriftlich und individuell zu vereinbaren und damit späteren Einwänden der anderen Vertragspartei gegen die Wirksamkeit der Gerichtsstandsklausel vorzubeugen.

Die Entscheidung ist im Volltext unter

http://app.olg-ol.niedersachsen.de/efundus/index.php4

abrufbar.

Autor

Bild von  Thomas Krümmel, LL.M.
Partner
Thomas Krümmel, LL.M.
  • Rechtsanwalt
  • Fachanwalt für Internationales Wirtschaftsrecht
  • Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht
Ihr Ansprechpartner für
  • Grenzüberschreitende Verträge
  • Auslandsbezogene Gerichts- und Schiedsverfahren
  • Immobilienakquisitionen und -verkäufe
  • Alle Themen rund um Gewerbeimmobilie und -miete

UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME

Sprechblasen

UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME

Sind Sie unsicher, ob Sie mit Ihrer Angelegenheit bei uns richtig sind?
Nehmen Sie gerne unverbindlich Kontakt mit uns auf und schildern uns Ihr Anliegen.
Wir freuen uns auf Ihren Anruf.

Kontakt aufnehmen