Erstmals seit dem Inkrafttreten des MoMiG hat sich der BGH mit seiner Entscheidung vom 20.07.2009 (Az. II ZR 273/07) zur Problematik der verbotenen verdeckten Sacheinlage im Sinne des § 19 Abs. 4 GmbHG n. F. und dem Hin- und Herzahlen nach § 19 Abs. 5 GmbHG n. F. im Zusammenhang mit Einlagezahlungen im Cash-Pool-Verbund geäußert.
Der BGH hält auch nach der Einführung der Neuregelungen des § 19 Abs. 4 und 5 GmbH n.F. an seiner bisherigen Rechtsprechung fest. Der Gesetzgeber habe mit § 19 Abs. 4 und 5 GmbHG n.F. (Fassung des MoMiG vom 23.10.2008, BGBl I, 2026) lediglich die Rechtsfolgen neu geregelt (vgl. BGH, Urteil vom 16.02.2009 – II ZR 120/07 – Qivive).
I. Der Fall
Über das Vermögen der H-GmbH war im Jahre 2005 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Der Insolvenzverwalter verklagte nunmehr die Gründungsgesellschafter der H-GmbH auf Zahlung wegen nicht erfolgter Einlageleistung.
Gründungsgesellschafter der H-GmbH waren die E, die S sowie die K. Im Jahre 1998 schlossen die H-GmbH, die E und die S einen Cash-Management-Vertrag. Nach dem Vertrag übernahmen die E und die S im zweijährigen Wechsel Cash-Management für die H-GmbH. S übernahm zunächst das Cash-Management.
Die H-GmbH sollte ihren gesamten Zahlungsverkehr über ein Konto bei der D. Bank abwickeln, das mit einem Konto des jeweiligen Cash-Managers bei der D. Bank gekoppelt und im Rahmen des Zero-Balancing ausgeglichen werden sollte. Der jeweilige Cash-Manager gewährte der H-GmbH eine kurzfristige Kreditlinie von 500.000,00 DM, mit der keine zusätzliche Liquidität zur Verfügung gestellt werden sollte, sondern die dem Ausgleich von Liquiditätsbedarfsspitzen aus Intramonatsschwankungen dienen sollte. Der Cash-Management-Vertrag war auf unbestimmte Zeit geschlossen und konnte erstmalig nach Ablauf von zwei Cash-Management-Perioden mit einer Kündigungsfrist von drei Monaten zum Ende einer Cash-Management-Periode gekündigt werden. Der jeweilige Cash-Manager und die H-GmbH konnten jederzeit eine bankübliche Sicherung verlangen; der Cash-Manager sollte Sicherheiten nur geben müssen, solange und soweit seine Kreditinanspruchnahme den ihm zustehenden Anteil am Eigenkapital der H-GmbH überstieg.
Die Gründungsgesellschafter zahlten die vereinbarten Einlagebeträge zwischen April und November 1998 in Teilbeträgen auf das in den Cash-Pool einbezogene Konto der H-GmbH ein, die K 600.000,00 DM (306.775,12 €), S und E jeweils 1.700.000,00 DM (869.196,20 €). Im November 1998 zahlten E und S den letzten Teilbetrag in Höhe von 850.000,00 DM (434.598,10 €), die K. in Höhe von 300.000,00 DM (153.387,56 €). An diesem Tag nahm die H-GmbH von dem ihr eingeräumten Kreditrahmen des Cash-Pools 91.669,22 DM (46.869,73 €) in Anspruch.
II. Die Entscheidung
Der BGH urteilte, dass die E und K durch ihre Einlagenleistung ihre Einlagenschuld getilgt haben. Die Einlagenverpflichtung der ersten Cash-Managerin S sei allerdings nicht erfüllt, da die Zahlungen unter Umgehung der Kapitalerhaltungsvorschriften im Wege der verdeckten Sacheinlage und durch ein verbotenes Hin- und Herzahlen an sie, als (verfügungsberechtigte) Inhaberin des Zentralkontos, zurückgeflossen seien.
Der BGH hält damit an seiner bisherigen Rechtsprechung auch nach der Einführung der Regelungen des § 19 Abs. 4 und 5 GmbHG n. F. fest:
- Soweit im Zeitpunkt der Weiterleitung des Einlagenbetrags der Saldo auf dem Zentralkonto zu Lasten der Gesellschaft negativ ist, liegt eine verdeckte Sacheinlage vor. Denn der Gesellschaft fließt im wirtschaftlichen Ergebnis infolge der Weiterleitung auf das Zentralkonto nicht die vereinbarte Bareinlage, sondern die Befreiung von der Verbindlichkeit aus dem Cash-Pool-Vertrag zu.
- Eine verdeckte Sacheinlage befreit nach § 19 IV GmbHG n.F. den Gesellschafter nicht von seiner Einlageverpflichtung, führt aber – bezogen auf den Zeitpunkt der Anmeldung bzw. der Leistung – zur Anrechung des Wertes der Vermögensgegenstände, die der Gesellschafter auf Grund der nunmehr als schuldrechtlich und dinglich wirksam angesehenen Verträge über die verbotene Sacheinlage tatsächlich erbracht hat.
- Wird hingegen eine Einlage auf ein Zentralkonto des Cash-Managers weitergeleitet, dessen Saldo ausgeglichen oder zu Gunsten der Gesellschaft positiv ist, liegt ein reines Hin- und Herzahlen – so der BFH – vor.
Hinsichtlich der Frage, ob die S ihre Einlagenzahlung nochmals erbringen muss, kommt es mit Rücksicht auf die durch § 19 Abs. 4 und 5 GmbHG n. F. neu abgefassten Rechtsfolgen nunmehr auf eine Unterscheidung zwischen verdeckter Sacheinlage und dem reinen Hin- und Herzahlen an. Dies gilt auch für den Fall, dass nur teilweise eine verdeckte Sacheinlage vorlag, da die Einzahlungen den negativen Saldo zu Lasten der Gesellschaft im Zentralkonto übersteigen. Der BGH bejaht hier die Aufteilungsmöglichkeit. Hinsichtlich des den Sollsaldo ausgleichenden Einlagebetrags liegt eine verdeckte Sacheinlage, hinsichtlich des den Sollsaldo übersteigende Einlagebetrags ein reines Hin- und Herzahlen vor.
Die Einlageleistung im Wege des Hin- und Herzahlens konnte die S nicht von Ihrer Einlagenverpflichtung befreien, da die Voraussetzungen des § 19 Abs. 5 GmbHG n. F. nicht erfüllt waren.
Ein reines Hin- und Herzahlen hat nur dann eine befreiende Wirkung hinsichtlich der Einlagenverpflichtung, wenn
- die Leistung durch einen vollwertigen Rückgewähranspruch gedeckt ist,
- der jederzeit fällig ist oder durch fristlose Kündigung durch die Gesellschaft fällig werden kann
- und die Offenlegung der verdeckten Finanzierung der Einlagemittel durch die Gesellschaft im Rahmen der Anmeldung der Kapitalerhöhung [bzw. Gründung] zum Handelsregister erfolgt, § 8 GmbHG.
Die Besonderheit der Entscheidung liegt nicht nur in dem Umstand der Aufrechterhaltung der bisherigen Rechtsprechung durch den BFH sondern vielmehr auch darin, dass der BGH bereits in seiner ersten Entscheidung zum Cash Pooling seit Inkrafttreten des MoMiG die Voraussetzungen des § 19 Abs. 5 GmbHG n. F. konkretisiert. Nach Ansicht des BGH ist nur die Befugnis, den Rückforderungsanspruch ohne Einschränkungen jederzeit fällig stellen zu können, der sofortigen Fälligkeit des Rückforderungsanspruchs gleichwertig. Es genügt demnach nicht, wenn die nach dem Cash-Pool-Vertrag in das Cash-Pooling einbezogenen Gesellschaften den Vertrag bei einer Verschlechterung der Vermögensverhältnisse im Wege der ordentlichen Kündigung oder aus wichtigem Grunde fristlos kündigen können. Erforderlich ist das Recht zur jederzeitigen Kündigung ohne Grund.
Diese Anforderungen waren im Streitfall nicht erfüllt. Überdies war der Rückforderungsanspruch nicht jederzeit fällig und eine entsprechende Anmeldung der Kapitalerhöhung zum Handelsregister nicht dargelegt.
III. Fazit
- Auch zukünftig ist den Beteiligten des Cash-Poolings zu empfehlen, Einlageverpflichtungen über ein von dem im Cash-Pool geführten Zentralkonto verschiedenes (separates) Konto zu erfüllen. Nur auf diesem Wege kann die erforderliche freie Verfügungsmöglichkeit der Gesellschaft über die geleistete Einlage sichergestellt und die Verwirklichung der verdeckten Sacheinlage rechtssicher verhindert werden. Auch die Problematik des § 19 Abs. 5 GmbHG n. F. würde sich in diesem Falle nicht stellen. Die Einlagebeträge sollten vorsorglich für einen Zeitraum von mindestens sechs Monate auf dem entsprechenden (separaten) Konto belassen werden oder aber zumindest aber nicht den Zahlungsverkehr des Cash-Pools eingespeist werden.
- Erstmals hat der BGH klar und deutlich festgestellt, dass die jederzeitige fristlose Kündbarkeit ohne Grund Voraussetzung für die Annahme eines von der Einlageverpflichtung befreienden Hin- und Herzahlens ist. Bestehende und zukünftige Cash-Pool-Verträge sollten daraufhin geprüft und entsprechend gestaltet werden.
- Geschäftsführer sollten im Rahmen der Anmeldung der Kapitalerhöhung auf eine korrekte Offenlegung des Hin- und Herzahlens im Cash-Pool bedacht sein. Gemäß § 82 Abs. 1 Nr. 3 GmbHG ist die falsche Versicherung mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren strafbewehrt. Da im Zeitpunkt des Beschlusses der Kapitalerhöhung nicht bekannt sein wird, ob der unter dem Cash-Pool geführte Saldo zum Zeitpunkt der Zuführung positiv oder negativ sein wird, empfiehlt sich auch unter diesem Aspekt die Einlageerfüllung auf ein von dem Zentralkonto verschiedenes Konto.
- Sofern am Cash-Pool lediglich Mutter-, Schwester- und Tochtergesellschaft beteiligt sind, greift nach § 2 Abs. 1 Nr. 7 KWG das Konzernprivileg und eine bankaufsichtsrechtliche Erlaubnis ist nicht erforderlich. In allen anderen Fälle ist das Unterhalten eines Cash-Pools ein Bankgeschäft im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 KWG; eine Bankerlaubnis gemäß § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG erforderlich.
Verfasserin: Rechtsanwältin Dorothée Gierlich, MEYER-KÖRING – Bonn
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