08.12.2008 -

 

Arbeitgeber können bei betriebsbedingten Gründen die Kündigung mit einem konkreten Abfindungsangebot in Höhe des üblichen Regelsatzes verbinden. Für diese Fälle gilt die Spezialregelung des § 1a KSchG. In einem aktuellen Urteil hatte sich das BAG nun mit der Frage zu befassen, ob Arbeitgeber in einem Kündigungsschreiben auch ein von den Voraussetzungen des § 1a KSchG niedrigeres Abfindungsangebot anbieten dürfen (Vgl. BAG, Urt. v. 10.7.2008 – 2 AZR 209/07, abrufbar unter www.bundesarbeitsgericht.de). Die praxisrelevante Entscheidung möchten wir nachfolgend besprechen.

 

Der Sachverhalt der Entscheidung:

Der klagende Arbeitnehmer war als Baufacharbeiter von 1991 bis Ende März 2005 bei dem beklagten Arbeitgeber beschäftigt. Er erhielt zuletzt ein durchschnittliches Bruttomonatsgehalt in Höhe von 1.769,43 €.

Mit Schreiben vom 28. Januar 2005 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen zum 31. März 2005. Im Kündigungsschreiben ist u.a. ausgeführt:

„Unter der Voraussetzung, dass Sie gegen die voranstehende Kündigung keine Kündigungsschutzklage erheben und keine vorherige (d.h. vor dem 31.03.2005) Wiedereinstellung bzw. Zurücknahme der Kündigung erfolgt, bieten wir Ihnen hiermit eine Abfindung in Höhe von 6.000,00 €, zur Zahlung fällig am 31. März 2005, an.“

Der Arbeitnehmer erhob keine Kündigungsschutzklage. Der Arbeitgeber zahlte ihm daher bei seinem Ausscheiden eine Abfindung in Höhe von 6.000,00 €.

Mit seiner Zahlungsklage machte der Arbeitnehmer nun die Differenz zwischen dem gezahlten Abfindungsbetrag und einer sich nach der Berechnung gem. § 1a KSchG ergebenden Abfindung in Höhe von 11.501,30 € geltend. Der Kläger ist der Auffassung, der Arbeitgeber schulde ihm die nach § 1a KSchG zu berechnende Abfindungshöhe, da er ihm im Kündigungsschreiben ein Angebot im Sinne des § 1a KSchG gemacht habe. Der Zahlungsantrag lautete auf 5.501,30 € netto.

Das Arbeitsgericht hat erstinstanzlich den Arbeitgeber zur Zahlung des Bruttodifferenzbetrages verurteilt. Im Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht hingegen die erstinstanzliche Entscheidung abgeändert und die Klage abgewiesen.

 

Die Entscheidung des BAG:

Das Bundesarbeitsgericht hat die abweisende Entscheidung des LAG bestätigt.

 

I. Regelung des § 1a KSchG

Der Arbeitnehmer hat nach § 1a KSchG Anspruch auf eine Abfindung, wenn der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis wegen dringender betrieblicher Erfordernisse kündigt und der Arbeitnehmer bis zum Ablauf der dreiwöchigen Klagefrist des § 4 KSchG keine Kündigungsschutzklage erhebt. Der Anspruch setzt den Hinweis des Arbeitgebers in der Kündigungserklärung voraus, dass die Kündigung auf dringende betriebliche Gründe gestützt ist und der Arbeitnehmer bei Verstreichenlassen der Klagefrist die Abfindung beanspruchen kann. Die Abfindungshöhe entspricht einem halben Bruttomonatsgehalt je Beschäftigungsjahr (sog. Regelsatz).

 

II. Eigenständiges Abfindungsangebot zulässig!

§ 1a KSchG steht der Auslegung eines Kündigungsschreibens als eigenständiges, von den Voraussetzungen des § 1a KSchG unabhängiges Abfindungsangebot, nicht entgegen. Die Regelung des § 1a KSchG setzt keinen generell unabdingbaren Mindestanspruch bei Ausspruch betriebsbedingter Kündigungen fest. Die Arbeitsvertragsparteien sind vielmehr auch bei einer betriebsbedingten Kündigung frei, eine geringere oder höhere als die vom Gesetz vorgesehene Abfindung zu vereinbaren. Dies schließt auch die Möglichkeit ein, dass der Arbeitgeber die Zahlung einer Abfindung von dem ungenutzten Verstreichenlassen einer Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage abhängig macht. Es hätte nach Auffassung des BAG einer ausdrücklichen Anordnung des Gesetzgebers bedurft, um die mit einem Ausschluss einer von § 1a KSchG abweichenden Vereinbarung verbundene Beschränkung der Vertragsfreiheit zu rechtfertigen.

 

III. Auslegung im Einzelfall erforderlich

Die Frage, ob der Arbeitgeber den Hinweis nach § 1a KSchG erteilt oder ein davon abweichendes Angebot unterbreitet hat, ist durch Auslegung des Kündigungsschreibens zu ermitteln. Aus dem Kündigungsschreiben muss sich der Wille des Arbeitgebers, ein von der gesetzlichen Vorgabe abweichendes Angebot unterbreiten zu wollen, eindeutig und unmissverständlich ergeben. Enthält das Kündigungsschreiben einen vollständigen Hinweis nach § 1a KSchG, so spricht dies für einen Anspruch des Arbeitnehmers nach dieser Norm. Daher darf bei der Auslegung der Erklärung des Arbeitgebers nicht vorschnell auf ein Angebot auf Abschluss einer abweichenden Vereinbarung geschlossen werden.

 

Hinweis für die Praxis:

Ein in diesem Sinne deutlich und unmissverständlich abweichendes Angebot liegt dann vor, wenn die Abfindungshöhe deutlich von dem Regelsatz abweicht. § 1a KSchG schreibt den Regelsatz vor. Die Abfindungshöhe ist damit ein wesentliches Abgrenzungskriterium. Im vorliegenden Fall wurde nur rund die Hälfte des Regelsatzes angeboten, dazu noch pauschaliert auf einen runden Betrag.

 

Fazit:

Bei der Vorschrift des § 1a KSchG handelt es sich nicht um einen gesetzlichen Mindestanspruch. In betriebsbedingten Kündigungen können auch geringere oder höhere Abfindungen zugesagt werden. Es ist der Praxis allerdings zu empfehlen, den abweichenden Willen, also gerade keine Abfindungszusage im Sinne von § 1a KSchG zu machen, deutlich schriftlich zum Ausdruck zu bringen.

 

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