„Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können.“ (Nietzsche)
Treffender lässt sich das Ringen um die Erbschaftsteuerreform kaum beschreiben. Nach langem Ringen steuert das Reformvorhaben nun seiner Geburt zu, auch wenn es ganz sicher kein glänzender Stern sein kann, der da geboren wird: Am kommenden Donnerstag, den 27.11.2008 soll der Bundestag die Erbschaftsteuerreform beschließen, der Bundesrat soll sich am 03.12.2008 mit der Reform befassen, die zum 01.01.2009 in Kraft treten soll.
Die geplanten Regelungen stellen zum Teil eine erhebliche Verschlechterung gegenüber dem bisherigen Recht dar. Für Gestaltungen nach altem Recht bleibt nicht mehr viel Zeit.
I. Eckpunkte der Reform
Nach derzeitigem Stand wird die Reform im Wesentlichen folgende Änderungen beinhalten:
1. Neue Steuerfreibeträge und Tarifstufen
Als Ausgleich für die Höherbewertung nahezu aller Vermögensarten werden die persönlichen Freibeträge angehoben. Sie betragen zukünftig
für Ehegatten | 500.000 € |
Kinder | 400.000 € |
Enkel | 200.000 € |
Sonstige Personen der Steuerklasse I | 100.000 € |
Personen der Steuerklasse II und III | 20.000 € |
Neu geregelt werden nunmehr auch die sachlichen Freibeträge des § 13 ErbStG. Sie betragen künftig
in der Steuerklasse I für Hausrat | 41.000 € |
für andere bewegliche Gegenstände | 12.000 € |
in den Steuerklassen II und III | 12.000 € |
Die Grenzen der Tarifstufen werden nach oben hin geglättet, um die krummen Grenzwerte aus der Euroumrechnung zu beseitigen. In Steuerklasse I bleibt es bei den geltenden Tarifsätzen, für die Steuerklassen II und III wird ein zweistufiger Tarif von 30% und 50% eingeführt.
Wert des steuer- pflichtigen Erwerbs |
Steuerklasse | ||
I | II | III | |
75.000 € | 7% | 30% | 30% |
300.000 € | 11% | 30% | 30% |
600.000 € | 15% | 30% | 30% |
6.000.000 € | 19% | 30% | 30% |
13.000.000 € | 23% | 50% | 50% |
26.000.000 € | 27% | 50% | 50% |
und darüber | 30% | 50% | 50% |
Neu ist die Behandlung eingetragener Lebenspartnerschaften. Sie bleiben in Steuerklasse III, kommen aber in den Genuss des persönlichen Freibetrags in Höhe von € 500.000, wie er auch für Ehegatten vorgesehen ist.
2. Neue Begünstigung für die Übertragung selbstgenutzter Immobilien
Selbstgenutzte Immobilien können unter folgenden Voraussetzungen steuerfrei an Ehegatten oder Kinder vererbt werden:
- Die Immobilie liegt im Inland, der EU oder dem EWiR,
- sie wurde vom Erblasser zu eigenen Wohnzwecken genutzt (Ferienwohnung reicht nicht) oder er war aus zwingenden Gründen (Pflegeheim o.ä.) an der Selbstnutzung gehindert,
- der Erwerber nimmt die Selbstnutzung unverzüglich (!) auf und bewohnt die Immobilie für einen Zeitraum von zehn (!) Jahren; die Aufgabe der Selbstnutzung innerhalb dieses Zeitraums führt zum Verlust der Begünstigung (Ausnahme für Ehepartner und eingetragene Lebenspartner: bei Aufgabe aus zwingenden Gründen (Pflegeheim o.ä.) kein Verlust der Begünstigung),
- bei Kindern des Erblassers zusätzlich: Wohnfläche <= 200 m²
Die Steuerfreiheit gilt für:
- Ein- und Zweifamilienhäuser,
- Mietwohngrundstücke,
- Wohnungs- und Teileigentum,
- Geschäftsgrundstücke,
- gemischt genutzte Grundstücke.
In der Presse wurde fälschlicherweise der Eindruck erweckt, als ob die selbstgenutzte Immobilie immer versteuert werden müsse, wenn diese Voraussetzungen nicht eingehalten werden. Dies ist nicht so. Denn auch wenn diese Steuerbefreiung nicht greift, bleibt immer noch der persönliche Freibetrag. Je nach Wert der Immobilie und des übrigen Nachlasses fällt also trotzdem keine Steuer an.
3. Besteuerung von Betriebsvermögen
Zur Vermeidung von Wiederholungen siehe zu den ursprünglich geplanten Änderungen diesen Artikel auf unserer Homepage.
Gegenüber den dort genannten Eckpunkten haben sich im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens noch folgende Änderungen ergeben:
- Der Begriff des – steuerschädlichen – Verwaltungsvermögens wurde präzisiert.
- Die Pflicht zur Fortführung des Unternehmens wurde verkürzt: Es soll nun genügen, wenn das Unternehmen 7 Jahre fortgeführt wird und die in dieser Zeit gezahlte Lohnsumme nicht geringer als 650% der Ausgangslohnsumme (= durchschnittliche Lohnsumme der letzten 5 Jahre vor Übertragung oder Erbfall) ist. Unterschreitet die Summe der maßgebenden jährlichen Lohnsummen die Mindestlohnsumme, vermindert sich der Verschonungsabschlag mit Wirkung für die Vergangenheit in demselben prozentualen Umfang, wie die Mindestlohnsumme unterschritten wird.
Beispiel:
Die Summe der jährlichen Lohnsummen in den 7 Jahren erreicht 585 % der Ausgangslohnsumme und liegt damit 65 %-Punkte unter der Mindestlohnsumme von 650 %, das entspricht einem Zehntel. Der Verschonungsabschlag verringert sich daher um ein Zehntel von 85 % auf 76,5 %.
Beträgt der gemeine Wert eines Betriebs im Besteuerungszeitpunkt 10 Mio. €, bleiben zunächst 8,5 Mio. € steuerfrei und 1,5 Mio. € sind zu versteuern. Wegen des Verstoßes gegen die Lohnsummenregelung bleiben dann nur noch 7,65 Mio. € steuerfrei und 2,35 Mio. € sind zu versteuern. Die zunächst gezahlte Steuer wird verrechnet.Für Betriebe mit weniger als 10 Mitarbeitern gibt es keine Lohnsummenklausel.
- Erklärt der Erwerber bei Abgabe der Erbschaftsteuererklärung unwiderruflich, eine Steuerbefreiung von 100% in Anspruch nehmen zu wollen, gelten folgende Verschärfungen:
o Behaltensfrist 10 statt 7 Jahre
o Lohnsumme 1000 statt 650%
o Verwaltungsvermögen nur maximal 10% statt 50%
II. Wesentliche Kritikpunkte
- Die Reform ist in sich widersprüchlich (bspw. bleibt Betriebsvermögen bei Aufgabe des Unternehmens steuerbefreit, wenn es innerhalb bestimmter Zeit wieder in anderes Betriebsvermögen reinvestiert wird. Für die selbstgenutzte Wohnimmobilie hingegen gibt es keine Reinvestitionsklausel.
- Die drastisch gestiegenen Steuersätze für Geschwister etc. kommen einer Teilenteignung gleich. Ein Beispiel: Zwei Schwestern leben gemeinsam in einem einfachen Haus am Stadtrand von München, das ihnen jeweils zur Hälfte gehört. Die monatliche Kaltmiete würde ca. 1.000 € betragen. Das Grundstück ist seit über 70 Jahren Familienbesitz. Der Verkehrswert des Grundstücks 250.000 €. Stirbt nun eine der Schwestern und erbt die andere die Immobilie, hat sie 125.000 € (bisher hätte der vom Verkehrswert deutlich nach unten abweichende Steuerwert etwa 67.500 €) zu versteuern. Abzüglich des Freibetrages von 20.000 € (bisher 10.300 €) bleibt ein Betrag von 105.000 € (bisher 57.200 €), der mit 30% zu versteuern ist (bisher 12%). Die zu zahlende Steuer beträgt 31.500 € (bisher 6.864 €) und schmälert entweder die Altersersparnisse der überlebenden Schwester oder zwingt sie gar zum Verkauf des Grundstücks und damit zum Verlust von jahrzehntelangem Familienbesitz.
- Die Regelungen zur Begünstigung selbstgenutzten Immobilieneigentums sind nicht praxisgerecht. Zehn Jahre Selbstnutzung sind eine sehr lange Zeit, vor allem in einer immer mobileren Gesellschaft. Für den überlebenden Ehegatten mag die unverzügliche Aufnahme / Fortsetzung der Selbstnutzung am Lebensabend unproblematisch sein. Für Kinder, die längst woanders leben, einen eigenen Lebensmittelpunkt und berufliche Verpflichtungen haben, wird ein plötzlicher Umzug nach dem Tod nur selten in Frage kommen.
- Die Regelungen zur Besteuerung des Betriebsvermögens sind kompliziert, streitträchtig und können bei Verlust der Steuerbegünstigung für Unternehmen existenzvernichtend sein.
Fazit:
Die Reform mag auf den ersten Blick einige Vorteile bringen, bspw. durch die Erhöhung der Freibeträge und einige Begünstigungsregelungen. Allerdings darf nicht übersehen werden, dass nicht nur die Freibeträge steigen, sondern auch die Bemessungsgrundlage, weil – so die Vorgabe des Bundesverfassungsgerichts – künftig allein die Verkehrswerte für die Bewertung maßgeblich sind und nicht mehr wie bisher schon auf dieser Ebene einzelne Vermögensarten bevorzugt wurden.
Die Begünstigungsregelungen sind an Bedingungen geknüpft, die zum Teil kaum erfüllbar sind.
Daher sollte in der verbleibenden Zeit bis zum Jahreswechsel geprüft werden, ob eine Übertragung nach altem Recht ggf. sinnvoller ist. Dies hängt von der Struktur des Vermögens und der familiären Situation im Einzelfall ab.
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