28.10.2008 -

Der leicht sperrige Name gehört bei Gesetzen zum Gesundheitswesen zum guten Ton. Die diversen „Jahrhundertreformen“ der letzten Jahre überzeugen insofern auf ganzer Linie. „Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung“, „Gesundheitssystem-Modernisierungsgesetz“, „Beitragssatzsicherungsgesetz“ – alles Vokabeln aus der Nachrichtensprecher-Ausbildung.

Der neuste Entwurf des Gesetzgebers spielt in dieser Liga mühelos mit. Wenngleich das „Gesetz zur Weiterentwicklung der Organisationsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-OrgWG)“ diesmal auch aus Sicht des Gesetzgebers nur ein kleiner Schritt ist, enthält es doch quasi nebenbei einige Regelungen, die aus Ärztesicht erhebliche Veränderungen bringen.

Dabei ist das eigentliche Ziel des GKV-OrgWG nicht, neue Strukturen für den Vertragsarzt zu schaffen, sondern Detailregelungen zur Insolvenzfähigkeit von Krankenkassen zu treffen. Das GKV-WSG hatte 2007 diverse Änderungen im Hinblick auf die Insolvenzfähigkeit der Kassen eingeführt, die einer näheren Regelung bedürfen. Diese Ergänzungen werden nun nachgetragen. Als ein sog. „Omnibus-“ bzw. Artikelgesetz bringt das GKV-OrgWG aber auch wichtige Änderungen im Recht der Leistungserbringer. Folgende Entwicklungen sind zu erwarten:

1. Reduzierung des Versorgungsanteils überwiegend psychotherapeutisch tätiger Ärztinnen und Ärzte.

Mit dem Psychotherapeutengesetz wurden zum 01.01.1999 die psychologischen Psychotherapeuten sowie die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten in die vertragsärztliche Versorgung aufgenommen. Seit dem unterliegen diese nicht-ärztlichen Psychotherapeuten auch der Bedarfsplanung – und zwar in einer Gruppe mit den ärztlichen Therapeuten.

Um das Verhältnis dieser beiden Gruppen zu regeln, sichert § 101 Absatz 4 SGB V beiden Berufsgruppen bis zum Jahresende 2008 jeweils einen zulassungsrechtlichen Versorgungsanteil in Höhe von 40 %. Während die psychologischen Psychotherapeuten nicht nur den Mindestversorgungsanteil sehr schnell erreichten, sondern insbesondere in Ballungsräumen Übervorsorgung herbeiführten, gelang es der überwiegend psychotherapeutisch tätigen Ärzteschaft nicht, die bedarfsplanungsrechtliche Quote von 40% zu erreichen.

Dem trägt der Gesetzesentwurf dadurch Rechnung, dass er den Versorgungsanteil der ärztlichen Psychotherapeuten auf 20 % reduziert, diesen allerdings bis zum 31.12.2013 garantiert. Weiter soll festgeschrieben werden, dass 10 bis 20 % der Gesamtversorgung den Leistungserbringern, die ausschließlich Kinder und Jugendliche psychotherapeutisch betreuen, vorbehalten bleiben soll. Welche Quote hier genau gilt, wird sich erst im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens zeigen. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung ging bei den Kinder- und Jugendlichentherapeuten von 10% aus, der Bundesrat hat im Juli aber die Forderung aufgestellt, es sollten 20 % sein.

Für überwiegend tätige psychotherapeutisch Ärztinnen und Ärzten, die sich in Zulassungsbezirken niederlassen wollen, in denen ein Versorgungsanteil von 20 % bereits erreicht ist, ist daher dringend zu empfehlen, den Zulassungsantrag nach altem Recht schnellstmöglich zu stellen. Künftig mögen sie ansonsten Zulassungssperren unterworfen sein.

2. Nachbesetzung „halber“ Vertragsarztsitze

Mit dem „Vertragsarztrechtsänderungsgesetz“ wurden zum 01.01.2007 auch die sog. Teilzulassungen eingeführt: Der Vertragsarzt kann seinen Versorgungsauftrag auf die Hälfte beschränken. Ziel des Gesetzgebers: Mehr Flexibilität und eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Eine gute Idee, die leider ein Schattendasein führt. Offenbar fehlt den Ärzten Mut und Wille, sich auf eine halbe Zulassung einzulassen.

Wesentlicher Grund für die geringe Praxisrelevanz ist die Auseinandersetzung darüber, ob durch Beschränkung des Versorgungsauftrags freiwerdende „halbe“ Vertragsarztsitze wie „ganze“ im Rahmen eines Ausschreibungsverfahrens nachbesetzt werden können. KVen und Zulassungsgremien lehnen dies nahezu einhellig ab. Damit war aber der Verzicht auf eine halbe Zulassung im gesperrten Planungsbezirk weitestgehend unattraktiv. Warum einen halben Sitz verschenken, wenn man einen ganzen auch lukrativ „veräußern“ kann?

Die nötige Klarheit soll nun nach einer Empfehlung des Bundesrates ins Gesetz selbst aufgenommen werden. Die künftige Fassung der Nachbesetzungsregelungen in § 103 Abs. 4 SGB V werden dann auch die Teilzulassung mit einbeziehen. Damit wird eine wesentliche Voraussetzung geschaffen um die Teilzulassung doch noch zum Leben zu erwecken.

3. Abschaffung der „68-er Altersgrenze“

Mit beachtlicher Regelmäßigkeit ist bzw. war die 68er Altersgrenze des § 95 Abs. 7 SGB V Gegenstand gerichtlicher Entscheidungen. Zuletzt war das Bundessozialgericht im Februar 2008 mit der Thematik befasst. Das Sozialgericht Dortmund hat sich mit Beschluss vom 28.06.2008 an den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gewandt. Der EuGH soll prüfen, ob die Altersgrenze europarechtskonform ist. Ob der EuGH aber noch entscheiden muss, scheint fraglich.

Nach dem Gerichte aller Instanzen den jahrelangen Angriffen bislang stets eine Abfuhr erteilt und die Altersgrenze als rechtmäßig bewertet haben, scheint sich das Thema „68er Altersgrenze“ nun durch Aktivitäten des Gesetzgebers zu erledigen.

Im Rahmen des GKV-OrgWG soll nun auch die Altersgrenze kippen. Gesetzestechnisch geschieht dies durch eine schlichte Aufhebung der Regelung in § 95 Abs. 7 SGB V. Die Regelung, so wird argumentiert, sei nicht zuletzt aufgrund der demografischen Entwicklung nicht mehr sachgerecht. Bereits zuletzt wurde die Altersgrenze bekanntlich erheblich aufgeweicht, so z.B. im unterversorgten Gebiet. Es scheint, als sei die lange Tradition der gerichtlichen Streitigkeiten um die Altersgrenze damit beendet.

Vollkommen offen bleibt, ob auch die Altersgrenze erst zum 01.01.2009 fällt oder ob Übergangsregelungen für Ärzte getroffen werden, deren Zulassung bereits vorher enden würde. Solche aktiven Regelungen des Gesetzgebers wären sicherlich notwendig. Das Bundessozialgericht erwähnte beiläufig in seiner Entscheidung vom 06.02.2008, dass eine Zulassung, die wegen der Altersgrenze geendet hat, auch nicht bei einer späteren Änderung der Rechtslage wieder aufleben könne. Wer also – im gesperrten Bezirk – seine Zulassung aufgrund der alten Rechtslage noch verlieren würde, obwohl die Änderung bereits beschlossene Sache ist, wäre deutlich benachteiligt. Hier scheint Streit vorprogrammiert.

Dennoch darf man festhalten: Der Gesetzgeber schafft Klarheit und bessert nach. Er reagiert nicht nur auf veränderte demographische Koordinaten, sondern auch auf restriktives und unflexibles Verhalten der KVen und Zulassungsgremien. Beides ist begrüßenswert.

 

von RA Wolf Constantin Bartha, Fachanwalt für Medizinrecht, Rechtsanwälte MEYER-KÖRING, Schumannstraße 18, 10117 Berlin, www.meyer-koering.de

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