Der BFH hat mit Urteil vom 13. August 2008 – II R 7/07 – seine Rechtsprechung zum Erwerbsgegenstand bei Übernahmevermächtnis und Kaufrechtsvermächtnis geändert. Welche konkreten Auswirkung diese Rechtsprechungsänderung gerade zu den doch recht häufigen Übernahmevermächtnissen haben wird, ist noch nicht sicher abzusehen. Ein Grund mehr, sich mit der aktuellen Rechtsprechung zu diesem Gestaltungsinstrument zu befassen.
Der entschieden Fall
In der Entscheidung des BFH hinterließ der Erblasser – ein Landwirt – vier Söhne und eine Ehefrau. Die Söhne waren zu jeweils ¼ als Erben eingesetzt. Zugunsten der Ehefrau waren eine Reihe von Vermächtnissen angeordnet, darunter eine wertgesicherte lebenslängliche Rente sowie ein Wohnrecht auf dem Hof. Im Erbvertrag zwischen dem Erblasser und seiner Ehefrau war zugunsten des ältesten Sohnes angeordnet, dass er ein Übernahmerecht für den Hof habe, wenn er auch bereit sei, die Vermächtnisse zugunsten der Ehefrau des Erblassers zu erfüllen. Das Übernahmerecht war innerhalb von sechs Monaten nach dem Erbfall auszuüben. Geschah dies nicht, ging das Übernahmerecht auf den nächsten Sohn zu. Der Kläger machte von dem Übernahmerecht Gebrauch.
Das Finanzamt hat zuletzt den landwirtschaftlichen Betrieb mit dem Verkehrswert in Höhe von 3.736.300,00 DM angesetzt, darauf eine Steuer in Höhe von 476.121,00 DM festgesetzt und einen Teilbetrag von 44.574,00 DM wegen des Renten- und des Wohnrechts der Ehefrau gestundet. Eine Berücksichtigung der Begünstigungen (Betriebsvermögensfreibetrag und Bewertungsabschlag) gem. § 13a Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz (ErbStG), lehnte das Finanzamt ab. Denn Gegenstand der Besteuerung sei hier nicht der übergegangene Betrieb, für den es die Vergünstigung gegeben hätte, sondern das vermächtnisweise zugewendete Gestaltungsrecht – die Ausübung des Übernahmerechts; das aber sei keine begünstigtes Vermögen im Sinnes des § 13a ErbStG.
Das Finanzgericht folgte dem Finanzamt darin, dass der landwirtschaftliche Betrieb mit dem gemeinen Wert (Verkehrswert) zu bewerten sei; berücksichtigte allerdings zugunsten des Erwerbers den Freibetrag sowie den Bewertungsabschlag gem. § 13a ErbStG. Gegen diese Entscheidung des Finanzgerichts haben sowohl das Finanzamt als auch der Kläger Revision eingelegt. Der BFH hat beide Revisionen als unbegründet zurückgewiesen.
Zur Vorgeschichte:
Die Entscheidung des BFH ist nur vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Rechtsprechung zu Vermächtnissen verständlich.
Es ist zunächst zwischen Sachvermächtnissen, Kaufvermächtnissen und Übernahmevermächtnissen zu unterscheiden.
Bei einem Sachvermächtnis erhält der Vermächtnisnehmer den Anspruch auf Übereignung einer bestimmten Sache, z.B. eines Grundstücks oder eines Gesellschaftsanteils. Bei einem Sachvermächtnis war bis zu einer Entscheidung in 2004 ständige Rechtsprechung, dass Bewertungsgegenstand nicht der zivilrechtliche Vermächtnisanspruch sei, sondern der Gegenstand, mit dem der Vermächtnisanspruch erfüllt wird, demnach das Grundstück oder der Gesellschaftsanteil. Für die Gestaltungspraxis hatte diese Rechtsprechung den Charme, dass – gerade bei Betriebsvermögen – die mit dem Betriebsvermögen einhergehenden Begünstigungen (Bewertungsvorteil wegen Übernahme der Steuerbilanzwerte, Freibetrag und Bewertungsabschlag gem. § 13a ErbStG) auf die Vermächtnisnehmer übergingen. Der BFH hat allerdings durch Urteil vom 2. Juli 2004 – II R 9/02 – eine Rechtsprechungsänderung, jedenfalls zu Grundstücken, angekündigt. Danach sei bei Sachvermächtnissen, die auf die Übereignung von Grundstücken gerichtet sind, nicht mehr die Grundstücke Vermächtnisgegenstand, sondern der Vermächtnisanspruch selbst; dieser Vermächtnisanspruch wiederum sei mit dem gemeinen Wert (= Verkehrswert) zu bewerten. Die Bewertungsvorteile, die es bei Grundstücken immer noch gibt, würden in diesem Fall verloren gehen. In der Praxis entstand nach dieser Entscheidung die Frage, ob die Rechtsprechungsänderung auch bei anderem begünstigten Vermögen – insbesondere bei Betriebsvermögen – zu erwarten sei. Insoweit hat der BFH allerdings mit Urteil vom 9. April 2008 – II R 24/06 – Entwarnung gegeben. Bis zur Reform des ErbStG sowie des Bewertungsgesetz, voraussichtlich zum 1. Januar 2009, wird der BFH seine Rechtsprechung zu Sachvermächtnissen nicht ändern.
Ein Kaufrechtsvermächtnis ist dagegen dadurch gekennzeichnet, dass ein Vermächtnisnehmer berechtigt ist, einen bestimmten Vermögensgegenstand der Erbmasse, im Regelfall zu einem niedrigeren Preis als den Verkehrswert, zu erwerben. Der Vollzug dieses Vermächtnisses hängt daher immer von der Erklärung des Vermächtnisnehmers ab, diesen Nachlassgegenstand zu dem festgelegten Preis zu erwerben. Bei einem Kaufrechtsvermächtnis vertrat der BFH in ständiger Rechtsprechung, dass Gegenstand des Erwerbes das Gestaltungsrecht – die Ausübung des Vermächtnisses – sei. Dieses Gestaltungsrecht sei mit dem gemeinen Wert (= Verkehrswert) anzusetzen.
Bei einem Übernahmevermächtnis hat der Übernehmer ebenfalls eine Erklärung – die Übernahmeerklärung – abzugeben, damit das Vermächtnis erfüllt werden kann. Bei Übernahmevermächtnissen ging die Rechtsprechung ebenfalls davon aus, dass Bewertungsgegenstand das Gestaltungsrecht – die Ausübung des Übernahmerechts – sei. Auch dieses Gestaltungsrecht sei mit dem gemeinen Wert (= Verkehrswert) zu bewerten.
Was ist neu?
Der BFH hat diese Rechtsprechung zu Kaufrechts- bzw. Übernahmevermächtnissen nunmehr aufgegeben. Bewertungsgegenstand von Übernahme- bzw. Kaufrechtsvermächtnissen ist nicht mehr ein Gestaltungsrecht, sondern die Forderung, die auf Übertragung des jeweiligen Erwerbsgegenstands gerichtet ist. Für den BFH ergab sich dann die Folgefrage, ob diese Forderung als Sachleistungsanspruch mit dem gemeinen Wert zu bewerten sei oder – entsprechend der Sachvermächtnisse – ausnahmsweise mit dem Steuerwert der vermachten Sache selbst (z.B. dem Grundstück oder dem Gesellschaftsanteil).
Nach den Entscheidungsgründen will der BFH offenbar differenzieren: Bei einem reinen Übernahmevermächtnis dürfte die Forderung mit dem Steuerwert der vermachten Sache zu bewerten sein. Bei einem Übernahmevermächtnis sei die Wahrnehmung dieses Rechtes nicht mit einer Gegenleistungsverpflichtung verbunden. Ein Übernahmevermächtnis ähnelt daher einem reinen Sachvermächtnis, bei dem der Vermächtnisnehmer auch keine Gegenleistung an die Erbmasse zu erbringen habe.
Bei einem Kaufrechtsvermächtnis sei dagegen der Sachleistungsanspruch mit einer eigenständigen Verpflichtung des Vermächtnisnehmers zugunsten der Erbengemeinschaft verbunden. Es sei daher auch sachgerecht, dass ein Kaufrechtsvermächtnis mit dem gemeinen Wert zu bewerten sei und nicht mit dem Steuerwert der vermachten Sache.
Trotz dieser erfreulichen Erweiterung der begünstigten Vermächtnisse um das Übernahmevermächtnis, kann für das Übernahmevermächtnis keine Entwarnung gegeben werden. Der BFH hat sogleich darauf hingewiesen, dass die angekündigte Rechtsprechungsänderung zu Sachvermächtnissen auch für Übernahmevermächtnisse gelten könnte. Es kann daher sehr gut sein, dass die Rechtsprechung auch bei Übernahmevermächtnisse (irgendwann) als Bewertungsgegenstand eine Forderung zum gemeinen Wert ansieht. Zudem hatte der BFH in dieser Entscheidung auch noch den Vertrauensschutz – den er durch Urteil vom 9. April 2008 bei Sachvermächtnissen gewährt hat – nicht auf das Übernahmevermächtnis ausgeweitet. Bei Übernahmevermächtnissen ging der BFH vor dieser Rechtsprechungsänderung von einer Bewertung des Gestaltungsrechts mit dem gemeinen Wert aus. Aus der Sicht des BFH gibt es daher auch keine Veranlassung, nunmehr Vertrauensschutz zu gewähren, da bei Übernahmevermächtnissen bis her Bewertungsgegenstand ein Gestaltungsrecht zum gemeinen Wert war und eben nicht – wie bei Sachvermächtnissen – der Gegenstand selbst.
Fazit:
Die Rechtsprechung zu Vermächtnissen wird immer undurchsichtiger. Als „Faustregel“ sollte gelten, dass Vermächtnisse grundsätzlich mit dem gemeinen Wert (= Verkehrswert) bewertet werden, es sei denn, es handelt sich ausnahmsweise um ein reines Sachvermächtnis. Bei einem Übernahmevermächtnis hat der BFH die Tür zu einer Bewertung mit dem vermachten Gegenstandes leicht geöffnet, in dem er dogmatisch das Übernahmevermächtnis mit dem Sachvermächtnis gleichgestellt hat. Allerdings hat der BFH bei Übernahmevermächtnissen auch betont, dass die angekündigte Rechtsprechungsänderung zu Sachvermächtnissen auch bei Übernahmevermächtnissen gelten wird. Im Gegensatz zu Sachvermächtnissen gibt es zudem bei Übernahmevermächtnissen kein Vertrauensschutz, sodass bei Übernahmevermächtnissen weiterhin ungeklärt ist, ob Bewertungsgegenstand nun ein Sachleistungsanspruch oder die Sache selbst ist. Gestaltungen mit Übernahmevermächtnisse bleiben daher weiterhin mit diesem Risiko belastet.
Auszeichnungen
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„Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuerrecht“(JUVE Handbuch Wirtschaftskanzleien 2022/2023)
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„Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuerrecht“(JUVE Handbuch Wirtschaftskanzleien 2017-2021)
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