16.07.2007

Nach heftigen politischen Kontroversen ist das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) am 18.08.2006 in Kraft getreten. Das AGG, das dem Schutz vor Benachteiligungen in bestimmten Bereichen im Arbeitsleben und im Zivilrechtsverkehr dient, war und ist berechtigter Kritik ausgesetzt. Doch trotz allem Jammerns ob des Erlasses dieses Gesetzes, die Praxis muss mit dem AGG in seiner jetzigen Form leben.

Es sollte für die Systemzentralen in ihrer Funktion als Arbeitgeber selbstverständlich sein, die arbeitsrechtlichen Vorschriften des AGG sorgfältig zu beachten, um etwaige Schmerzensgeld- und Schadensersatzansprüche ihrer Arbeitnehmer und weitere Rechtsfolgen zu vermeiden. Überraschend dürfte dagegen sein, dass sich die Stimmen in der Literatur mehren, wonach auch Franchisenehmer unter die Vorschriften des AGG fallen können. Zwar wird es letztlich Aufgabe der Rechtsprechung sein, die Frage der Anwendung des AGG auf das Franchising ebenso wie die zahlreichen im AGG verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe zu klären. Doch werden die Gerichte dabei auch die bisherigen Veröffentlichungen beachten, so dass die Franchisegeber umgehend ausreichende Vorsichtsmaßnahmen treffen sollten.

1. Keine Anwendbarkeit des zivilrechtlichen Teils des AGG auf das Franchising

Das AGG regelt in §§ 6 ff. AGG ein Benachteiligungsverbot im Beschäftigungsbereich und in §§ 19 ff. AGG den Schutz vor Benachteiligungsverboten im Zivilrechtsverkehr. Es erscheint einleuchtend, dass, wenn überhaupt, der in den §§ 19 ff. AGG geregelte zivilrechtliche Bereich dieses Gesetzes auf das Franchising Anwendung findet. Dies ist aber wohl nicht der Fall.

Der Anwendungsbereich des zivilrechtlichen Bereichs des AGG ist beschränkt auf Massengeschäfte, vergleichbare Schuldverhältnisse und alle privatrechtlichen Versicherungen. Massengeschäfte sind nach diesem Gesetz Geschäfte, bei denen das Ansehen der Person keine oder nur eine nachrangige Rolle spielt und die typischerweise deshalb auch zu vergleichbaren Bedingungen begründet und durchgeführt werden. Zwar stellt dies keine eindeutige Definition dar und es fehlt momentan noch an Urteilen, in denen dieser Begriff ausgelegt wird. Allerdings werden in der Literatur als Beispiele für Massengeschäfte „Geschäfte im Einzelhandel, in der Gastronomie oder im Transportwesen“ genannt. Grund hierfür ist, dass in diesem Bereich die Unternehmen im Rahmen ihrer Kapazitäten Verträge mit jeder zahlungswilligen und zahlungsfähigen Person abschließen. Dagegen werden Kreditverträge von diesen Massengeschäften ausgenommen, obwohl sie zu gleichen Bedingungen und in einer großen Vielzahl von Fällen abgeschlossen werden. Hier hat nämlich das Ansehen der Personen, insbesondere ihre Bonität, entscheidende Bedeutung.

Genau diese Argumentation dürfte aber auch auf den Abschluss von Franchiseverträgen zutreffen. Die Eigenschaften und Fähigkeiten der Person des Franchisenehmers sind für die Systemzentrale von herausragender Bedeutung. Die Voraussetzung für die Anwendbarkeit der §§ 19 ff. AGG, dass das Ansehen der Person keine oder nur eine nachrangige Rolle spielt, ist im Franchising daher nicht erfüllt.

2. Anwendbarkeit des arbeitsrechtlichen Teils des AGG auf das Franchising

Während die Anwendbarkeit des zivilrechtlichen Bereichs des AGG auf das Franchising noch von niemandem vertreten wird, gehen zahlreiche Stimmen in der Literatur von der Anwendbarkeit zumindest eines Teilbereichs der arbeitsrechtlichen Vorschriften des AGG auf das Franchising aus.

a) Keine vollständige Anwendbarkeit des arbeitsrechtlichen Bereichs des AGG

Sollte der gesamte Bereich des AGG auf Franchisenehmer anwendbar sein, so würde dies für Franchisegeber bedeuten, dass letztlich jede Maßnahme, die einen Franchisenehmer besser oder schlechter stellt, künftig aufgrund des AGG angegriffen werden könnte. Diesbezüglich kann aber Entwarnung gegebenen werden, denn nur dann, wenn der Franchisenehmer als arbeitnehmerähnliche Person im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 3 AGG anzusehen ist, kann dies gelten. In der Regel ist dies bei Franchisenehmern aufgrund ihrer wirtschaftlichen Selbstständigkeit nicht der Fall.

b) Anwendbarkeit des Bereichs der Bestimmungen über Zugangs- und Aufstiegsbedingungen

Anders dürfte sich die Situation allerdings im Hinblick auf § 6 Abs. 3 AGG darstellen. Demzufolge gelten die arbeitsrechtlichen Vorschriften des AGG, soweit es die Bedingungen für den Zugang zur Erwerbstätigkeit sowie den beruflichen Aufstieg betrifft, auch für Selbstständige.

Zwar steht zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht fest, welche Verträge in Bezug auf eine selbstständige Tätigkeit erfasst werden und es fehlt ebenfalls noch an klärenden Urteilen. Allerdings fallen nach der Ansicht verschiedener Autoren solche Verträge darunter, die den Rahmen und die Grundlage für die Tätigkeit als Selbstständiger bieten. Genau diese Anforderung erfüllen Franchiseverträge, denn sie werden in der Regel mit Existenzgründern abgeschlossen, die im Anschluss daran als selbstständige Unternehmer im jeweiligen Franchisesystem tätig werden.

3. Auswirkungen möglicher Verstöße

Demzufolge werden die Zugangsbedingungen zu einem bestehenden Franchisesystem und die Aufstiegsbedingungen in einem Franchisesystem von den arbeitsrechtlichen Vorschriften des AGG umfasst. Zu befürchten ist zudem, dass die Rechtsprechung auch die Entscheidung über das „ob“ einer Vertragsbeendigung mit einem Franchisenehmer an den Kriterien des AGG messen wird.

Das AGG beinhaltet ein Benachteiligungsverbot wegen der Rasse und ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion und Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters und der sexuellen Identität. Verstößt die Systemzentrale gegen eines dieser Benachteiligungsverbote sieht § 15 AGG als zentrale Rechtsfolge einen Anspruch auf eine angemessene Entschädigung in Geld für immaterielle Schäden (Schmerzensgeld) und Schadensersatz für materielle Schäden vor. Da im AGG grundsätzlich keine Entschädigungshöchstgrenze festgelegt wurde, können die Entschädigungsansprüche beispielsweise eines abgelehnten Franchisenehmer-Interessenten in einem sehr hohen Bereich liegen. Etwas anderes gilt nur, wenn der Franchisegeber nachweisen kann, dass mit diesem Benachteiligten auch sonst kein Franchisevertrag abgeschlossen worden wäre. Dieser Nachweis ist allerdings nicht einfach zu führen.

Dagegen hat der abgelehnte Franchisenehmer-Interessent gemäß § 15 Abs. 6 AGG keinen Anspruch auf Begründung eines Franchiseverhältnisses oder der nicht beteiligte Franchisenehmer keinen Anspruch auf Aufstieg innerhalb des Franchisesystems.

4. Maßnahmen der Systemzentrale

Um sicherzustellen, dass die Systemzentrale zukünftig nicht finanziellen Ansprüchen aufgrund des AGG ausgesetzt ist, sollte sie grundsätzlich in den genannten Bereichen der Zugangs- und Aufstiegsbedingungen sowie der Beendigung des Franchisevertrags die Vorsichtsmaßnahmen treffen, die ihr bereits aus dem Verhältnis zu ihren Arbeitnehmern bekannt sein dürften.

Daher sollte die Systemzentrale sicherstellen, dass ihre Ausschreibungen für Franchisenehmer nicht nur geschlechtsneutral formuliert sind, sondern auch keine konkreten Altersangaben oder sonstige Formulierungen enthalten, die nach Rasse, ethnischer Herkunft, Religion oder Weltanschauung, Behinderung oder sexueller Veranlagung ausgrenzen. So wird beispielsweise dazu geraten, Formulierungen wie „erfahrener alter Hase“, „akzentfreies Deutsch“ und „jung dynamisch“ zu vermeiden. Gleiches gilt selbstverständlich für die mit Franchisenehmer-Interessenten zu führenden Gespräche.

Nutzt der Franchisegeber Fragebögen, so sind auch diese zu überarbeiten und diskriminierungsfrei zu gestalten. Schreiben an Franchisenehmer-Interessenten, in denen diesen der Beitritt in das Franchisesystem versagt wird, sollten möglichst neutral und inhaltsleer abgefasst werden. Dies gilt auch für Abmahnungen und Kündigungen.

Die einer Entscheidung zugrunde liegenden Fakten sollten zu Beweissicherungszwecken nachvollziehbar dokumentiert werden. Alle relevanten Informationen (z. B. Stellenausschreibungen, Bewerberunterlagen, Entscheidungen über Aufnahme bzw. Ablehnung, Kündigungen, Telefonnotizen, Gesprächsprotokolle) sollten wenigstens für die Dauer von zwei Monaten aufbewahrt werden.

Die Manager und Mitarbeiter der Systemzentrale sollten zudem geschult werden, wie sie eine Benachteiligung verhindern können bzw. welche Informationen zu dokumentieren und aufzubewahren sind.

5. Schlussfolgerungen

Es bleibt das erstaunliche Ergebnis, dass der zivilrechtliche Bereich des AGG für das Franchising nicht gilt, während der arbeitsrechtliche Bereich für die Aufstellung von Zugangs- und Aufstiegsbedingungen bzw. die Beendigung des Franchisevertrages anwendbar ist.

Solange die Rechtssprechung noch nicht abschließend geklärt hat, ob Franchising tatsächlich unter § 6 Abs. 3 AGG fällt, sollten die Franchisegeber Rat bei ihren Rechtsanwälten einholen und vorsorglich ihre Dokumente und Vorgehensweise an die Anforderungen des AGG anpassen. Dabei können sie auf ihre für den Bereich ihrer Arbeitnehmer getroffen Maßnahmen zurückgreifen. Beispielsweise bei der Anwerbung potentieller Franchisenehmer, den Gesprächen mit Franchisenehmer-Interessenten und dem Vertragsabschluss sollte ebenso vorgegangen werden, als ob für die Arbeitnehmer Stellenausschreibungen, ein Einstellungs- und Auswahlverfahren sowie ein Antwortschreiben mit einer etwaigen Absage angefertigt werden müssten. Berücksichtigt die Systemzentrale diese Anforderungen, bedeutet die Anwendbarkeit des AGG zwar einen zusätzlichen Zeit- und Kostenaufwand, es werden jedoch etwaige Prozesse über Schmerzensgeld- und Schadensansprüche vermieden.

 

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