25.01.2006 -

Der Betriebsrat hat bei Fragen der betrieblichen Lohngestaltung ein umfassendes Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. In einem interessanten Beschluss hatte sich nun das Bundesarbeitsgericht mit der Frage zu befassen, ob die Vergütung auch dann betroffen ist, wenn einem Außendienstmitarbeiter ein eigenes und technisch gut ausgestattetes Büro zur Verfügung gestellt wird (BAG, Beschl. v. 31.05.2005 – 1 ABR 22/04 -).

Der Sachverhalt der Entscheidung (verkürzt):

Die Arbeitgeberin ist ein Versicherungsunternehmen mit etwa 60 Vertriebsdirektionen in Deutschland. Für jede der Vertriebsdirektionen sind Betriebsräte gewählt. Die bei der Arbeitgeberin beschäftigten Außendienstmitarbeiter sind den einzelnen Vertriebsdirektionen zugeordnet. Die Vergütung der Außendienstmitarbeiter erfolgt leistungsabhängig.

Das Versicherungsunternehmen stellt es den Außendienstmitarbeitern frei, entweder die Räumlichkeiten der jeweiligen Vertriebsdirektion oder ein häusliches Arbeitszimmer zu benutzen. In beiden Fällen erhalten die Außendienstler eine monatliche Aufwands- und Spesenpauschale von rund 770,00 €. Bei Erfüllung bestimmter Anforderungen ernennt die Arbeitgeberin einen Außendienstmitarbeiter zum so genannten Bezirksdirektor. Den Bezirksdirektionen wird zugleich mit der Ernennung ein eigenes, technisch komplett ausgestattetes und an das zentrale EDV-System angebundene etwa 100 m2 großes Büro zur Verfügung gestellt. Zusätzlich ist mit der Bereitstellung des Büros die Zuweisung eines ausschließlich für den jeweiligen Bezirksdirektor zuständigen Innendienstmitarbeiters verbunden. Diesem gegenüber übt der Bezirksdirektor Vorgesetztenfunktionen aus. Auch der Bezirksdirektor bezieht weiterhin die Aufwandspauschale von 770,00 €. Das Büro steht ihm dabei ausschließlich zu dienstlichen Zwecken zur Verfügung.

Der Gesamtbetriebsrat hat die Arbeitgeberin aufgefordert, mit ihm über die Kriterien für die Zuweisung der Büros zu verhandeln. Dies wurde von Arbeitgeberseite abgelehnt. In dem eingeleiteten Beschlussverfahren hat der Gesamtbetriebsrat insbesondere die Auffassung vertreten, ihm stehe bei der Festlegung der Kriterien für die Zuweisung des Büros ein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zu. Die Vergütung der Bezirksdirektion werde durch die Möglichkeit, ein eigenes und technisch gut ausgestattetes Büro nutzen zu können, zumindest mittelbar beeinflusst.

Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Anträge des Gesamtbetriebsrats abgewiesen.

Die Entscheidung:

Im Rechtsbeschwerdeverfahren vor dem Bundesarbeitsgericht wurden die Anträge ebenfalls abgewiesen.

I. Begriff der betrieblichen Lohngestaltung

Die Zuweisung eines bestimmten Büros und eines gesonderten Mitarbeiters ist keine Angelegenheit der betrieblichen Lohngestaltung im Sinne von § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Betriebliche Lohngestaltung ist die Aufstellung abstrakt genereller Grundsätze zur Lohnfindung. Mitbestimmungspflichtig sind dabei die Strukturformen des Entgelts einschließlich ihrer näheren Vollzugsformen, nicht hingegen die konkrete Höhe des Arbeitsentgelts. Das Mitbestimmungsrecht dient dem Zweck, das betriebliche Lohngefüge angemessen und durchsichtig zu gestalten und die betriebliche Lohn- und Verteilungsgerechtigkeit zu wahren. Gegenstand des Mitbestimmungsrechts sind nach ständiger Rechtsprechung des BAG sämtliche für die Arbeitnehmer vermögenswerten Leistungen des Arbeitgebers. Erfasst werden alle Formen der Vergütung, die der Arbeitgeber aus Anlass des Arbeitsverhältnisses gewährt. Es kommt auch nicht darauf an, ob es sich um Geld- oder Sachleistungen handelt und ob diese freiwillig, nur einmalig oder nachträglich für Leistungen des Arbeitnehmers gewährt werden.

Voraussetzung ist aber, dass es sich um eine vermögenswerte Leistung des Arbeitgebers handelt, mit der das Vermögen des Arbeitnehmers gemehrt wird, sei es mittelbar oder sei es unmittelbar.

II. Zuweisung eines Büros hat keinen Lohncharakter

Die Zuweisung eines eigenen Büros und eines Innendienstmitarbeiters mehrt nicht das Vermögen der betroffenen Arbeitnehmer. Insbesondere sind die Bezirksdirektoren nicht berechtigt, das Büro und die Arbeitskraft des betreffenden Mitarbeiters zu privaten Zwecken zu nutzen. Durch die Maßnahmen werden lediglich die tatsächlichen Grundlagen für die zu erbringende Arbeitsleistung geregelt. Die Mitarbeiter werden in die Lage versetzt, ihre Arbeitsaufgaben effektiver zu bewältigen. Auf diese Weise können die Maßnahmen zwar auch für eine höhere Arbeitsleistung ursächlich werden und wegen der Leistungsabhängigkeit der Vergütung die Höhe der von der Arbeitgeberin zu erbringende Gegenleistung beeinflussen. Dennoch handelt es sich nicht um Lohngestaltung, sondern um Arbeitsgestaltung durch die Veränderung der Bedingungen für die Arbeitsleistungen der Arbeitnehmer. Diese wird vom Mitbestimmungsrecht nicht erfasst.

Hinweis für die Praxis:

Das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG wird von der Rechtsprechung äußerst weit ausgelegt. Der vorliegende Fall macht allerdings deutlich, dass dennoch nicht alle Fallkonstellationen als Maßnahmen der betrieblichen Lohngestaltung anzusehen sind. Maßgebliches Kriterium ist die Frage, ob durch eine betriebliche Maßnahme das Vermögen eines Arbeitnehmers gemehrt wird. Werden Sachmittel allein zur dienstlichen Nutzung überlassen, scheidet dies regelmäßig aus. Dem BAG ist deshalb zuzustimmen.

Verfasser: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Nicolai Besgen, Bonn

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