07.09.2005

Sehr klare Worte findet das OLG Schleswig in seinem Urteil vom 10. März 2005 (Aktenzeichen 7 U 166/03) gegenüber einem geschäftsführenden Gesellschafter einer insolventen GmbH. Dieser Gesellschafter-Geschäftsführer hatte der GmbH in der Krise zunächst Gesellschafterdarlehen gegeben, diese aber nicht mit einem Rangrücktritt unterlegt, sondern teilweise an sich zurückgezahlt und bei Erkennen der aussichtslosen Lage die GmbH für 3,00 DM an einen so genannten Firmenbeerdiger oder auch Firmenbestatter übertragen.

Dies brachte ihm u.a. eine Verurteilung wegen Insolvenzverschleppung ein und zudem die persönliche Haftung gegenüber Gläubigern der Gesellschaft.

1.  Insolvenzverschleppung bei Überschuldung einer GmbH

Der Geschäftsführer einer GmbH ist bei Insolvenzreife der GmbH – hier Überschuldung – gemäß § 64 Abs. 1 GmbHG verpflichtet, spätestens binnen drei Wochen Insolvenzantrag zu stellen.

Mit dem Tatbestandsmerkmal der Überschuldung in § 64 Abs. 1 Satz 2 GmbH ist auf § 19 InsO verwiesen. Danach liegt Überschuldung vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Zwar verlangt der BGH zusätzlich zur rechnerischen Überschuldung, dass die Finanzkraft das Unternehmen mittelfristig nicht zu seiner Fortführung ausreichen wird (so genante Fortführungsprognose). Nach § 19 Abs. 2 Satz 2 InsO führt eine positive Fortführungsprognose bei gleichzeitiger rechnerischer Überschuldung der Gesellschaft aber nicht dazu, dass keine Überschuldung vorliegt. Eine positive Fortführungsprognose bewirkt nur, dass in der Überschuldungsbilanz (Überschuldungsstatus) das Vermögen der Gesellschaft mit den um die stillen Reserven erhöhten Fortführungswerten und nicht mit den niedrigeren Liquidationswerten vorzunehmen ist.

In einem solchen Überschuldungsstatus sind auch eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen zu passivieren. Das darf nur dann unterbleiben, wenn diese eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehen mit Rangrücktrittserklärungen verbunden sind, d.h. wenn der Gläubiger erklärt hat, dass er außerhalb eines Insolvenzverfahrens nur aus dem ungebundenen Vermögen und innerhalb eines Insolvenzverfahrens im Rang hinter den einfachen Insolvenzgläubigern bedient werden darf.

2.  Darlegungs- und Beweislast für die Überschuldung

Bei dem Anspruch gegen den Geschäftsführer aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 64 Abs. 1 GmbHG wegen Insolvenzverschleppung hat der Gläubiger die objektiven Voraussetzungen der Insolvenzantragspflicht zu beweisen. Das ist in der Regel sein größtes Dilemma. Das OLG Schleswig hilft dem Gläubiger hier im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH, indem es die Darlegungslast unter bestimmten Voraussetzungen auf den Geschäftsführer verlagert. Wenn nämlich die Überschuldung der Gesellschaft beispielsweise aus einer Jahresbilanz heraus zu einem bestimmten Zeitpunkt feststeht, ist es Sache des Geschäftsführers, Umstände darzulegen, die es rechtfertigen, das Unternehmen trotz Überschuldung fortzuführen. Gelingt dies dem Geschäftsführer nicht, trifft den Geschäftsführer grundsätzlich die Haftung für bestimmte Schulden der Gesellschaft.

3.  Verschulden Geschäftsführers

Für eine Haftung ist allerdings des Weiteren erforderlich, dass der Verstoß des Geschäftsführers gegen seine Insolvenzantragspflicht verschuldet ist, ihm also vorwerfbar ist. Aufgrund der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist der Geschäftsführer für entlastende Umstände darlegungspflichtig. Denn das OLG Schleswig führt zum Verschulden mit sehr klaren Worten aus:

„Wer eine GmbH im Wirtschaftsleben führt, muss wissen, wann Insolvenzreife vorliegt; dass eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen nicht eine rechnerische Überschuldung überwinden, weiß man; die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftführers verlangt, die wirtschaftliche Lage des Unternehmens laufend zu beobachten und zu prüfen; bei Anzeichen einer Krise muss er sich durch Aufstellung eines Vermögensstatus einen Überblick über den Vermögensstand verschaffen; stellt sich dabei eine rechnerische Überschuldung heraus, muss er prüfen, ob sich für das Unternehmen eine positive Fortbestehensprognose stellt.“

Kann der Geschäftsführer nicht darlegen, dass er all diesen Verpflichtungen nachgekommen ist, wird sein Verschulden von Seiten der Rechtsprechung unterstellt.

4.  Haftungsumfang

In welchem Umfang der Geschäftsführer bei einer Insolvenzverschleppung haftet, bestimmt sich danach, ob der Gläubiger ein so genannter Altgläubiger ist, bei dem der Anspruch vor dem Zeitpunkt der Insolvenzantragspflicht entstanden ist, oder Neugläubiger, wenn der Anspruch nach diesem Zeitpunkt entstanden ist.

  • Für Altgläubiger ist der Schadensersatzanspruch gegen den Geschäftsführer auf den Betrag beschränkt, um den sich die Insolvenzquote die der Gläubiger bei rechtzeitiger Insolvenzanmeldung erhalten hätte, durch Verzögerung der Antragsstellung verringert hat (sogenannter Quotenschaden).
  • Der Schadensersatzanspruch eines Neugläubigers besteht in seinem Vertrauensschaden, soweit dieser durch eine auf den Gläubiger entfallenden Insolvenzquote nicht gedeckt ist. Der Gläubiger ist dann so zu stellen, wie er stände, wenn er den Vertrag mit der insolvenzreifen GmbH nicht abgeschlossen hätte (d.h. dem Gläubiger ist nur das so genannte negative Interesse zu ersetzen, nicht aber auch das positive Interesse, das beispielsweise entgangenen Gewinn beinhaltet). Denn ordnungsgemäßes Verhalten des Geschäftsführers der GmbH unterstellt, hätte der Gläubiger das Geschäft nicht abgeschlossen. Dann aber hätte er auch keinen entgangenen Gewinn erlitten – das Geschäft wäre nicht zustande gekommen.

Die Rechtsprechung des OLG Schleswig zeigt wieder einmal, dass mit der sorgfältigen Aufstellung eines Überschuldungsstatus und der sorgfältigen Behandlung eigenkapitalersetzender Gesellschafterdarlehen nicht leichtfertig umgegangen werden darf. Strafrechtliche als auch zivilrechtliche Haftungsfolgen für den Geschäftsführer sind sonst unter Umständen unumgänglich. Dies gilt umso mehr, als Geschäftsführer in ihrer Unsicherheit oder Not bereits damit beginnen, die GmbH bereits auf eigene Faust abzuwickeln oder aber so genannte Firmenbeerdiger einzuschalten. Die Rechtsprechung ist zwischenzeitlich gefestigt und die Rechtslage auch höchstrichterlich weitestgehend geklärt.

Dem GmbH-Geschäftsführer in der Krise der Gesellschaft ist dringend anzuraten, sich mit der Rechtslage bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft eingehend auseinanderzusetzen, wenn er einer persönlichen Haftung entgehen möchte. Indes ist ebenso dringend anzuraten, sich mit rechtlichen und wirtschaftlichen Fragen eines Überschuldungsstatus und einer rechtlichen Überschuldungsprüfung auseinanderzusetzen, weil nur diese sorgfältige Prüfung sicher darüber Auskunft geben kann, ob eine straf- und haftungsrechtliche Überschuldungssituation der Gesellschaft gegeben ist.

Verfasser: RA & StB Andreas Jahn

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