31.05.2005 -

Zahlreiche Arbeitsverträge enthalten einzelvertragliche Bezugnahmeklauseln auf Tarifverträge. Die nahezu ausufernde und unübersichtliche Rechtsprechung haben wir bereits an anderer Stelle dargestellt. Ein neues Urteil des BAG (Bundesarbeitsgericht, Urt. v. 01.12.2004 – 4 AZR 50/04-) gibt Anlass, einen bedeutsamen Aspekt, der bei der Vereinbarung von dynamischen Bezugnahmeklauseln beachtet werden muss, hinzuweisen.

I. Sinn und Zweck von Bezugnahmeklauseln

Mit der Vereinbarung von arbeitsvertraglichen Bezugnahmeklauseln werden von Arbeitgeberseite gezielt unterschiedliche Zwecke verfolgt. Im Vordergrund steht die Motivation, möglichst einheitliche Arbeitsbedingungen für das Unternehmen herzustellen, also personalwirtschaftliche Ziele zu verfolgen. Die im Unternehmen beschäftigten Arbeitnehmer sollen insgesamt inhaltlichen und gleichen Arbeitsbedingungen unterworfen sein. Dies sichert den Betriebsfrieden und schafft eine einheitliche, für alle gleichermaßen geltende Betriebsordnung.

Daneben ist die einzelvertragliche Bezugnahme auf Tarifverträge auch darin motiviert, den Gewerkschaftsbeitritt wenn nicht zu verhindern, jedenfalls überflüssig zu machen. Soweit nämlich die Arbeitsbedingungen des einschlägigen Tarifvertrages ohnehin für den Betrieb gelten, ist die Frage des Gewerkschaftsbeitritts für die Arbeitnehmer nachrangig.

II. Anforderungen an eine Gleichstellungsabrede

Die Grundsätze zur so genannten Gleichstellungsabrede sind für das Verständnis arbeitsvertraglicher Bezugnahmeklauseln von besonderer Bedeutung. Folgendes ist zu beachten:

Bei einer arbeitsvertraglichen Gleichstellungsabrede werden regelmäßig die in Bezug genommenen Tarifverträge in der jeweils gültigen Fassung auf das Arbeitsverhältnis angewendet, solange der Arbeitgeber an diese Tarifverträge gebunden ist.

Eine Gleichstellungsabrede selbst damit zwingend die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers bei Abschluss des Arbeitsvertrages voraus.

Das Bundesarbeitsgericht hat dies am 1. Dezember 2004 nun nochmals ausdrücklich klargestellt. Die Tarifgebundenheit des Arbeitgebers an die arbeitsvertraglich in Bezug genommenen einschlägigen Tarifverträge ist logisch zwingende Voraussetzung der Gleichstellungsabrede im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Die Gleichstellungsabrede soll gerade eine eventuell fehlende Tarifgebundenheit des Arbeitnehmers ersetzen. Er soll vertragsrechtlich so gestellt werden, wie ein tarifgebundener Arbeitnehmer tarifrechtlich steht. Für diesen gelten die tarifvertraglichen Rechtsnormen gem. § 4 Abs. 1 TVG jedoch nur, wenn auch der Arbeitgeber tarifgebunden ist.

Mit Hilfe der Gleichstellungsabrede wird damit die Unklarheit und Unsicherheit, ob der Arbeitnehmer ebenfalls tarifgebunden ist, in der Weise überwunden, dass die in Bezug genommenen Tarifverträge auf die Dauer der Tarifgebundenheit des Arbeitgebers gleichermaßen anzuwenden sind.

Mit anderen Worten:Die Gleichstellungsabrede ersetzt insoweit die Tarifbindung des Arbeitnehmers.

III. Kenntnis des Tarifbindung irrelevant!

Dabei kommt es nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts nicht darauf an, ob dem Arbeitnehmer die fehlende Tarifbindung des Arbeitgebers bei Vertragsschluss bekannt war oder nicht. Es ist für das BAG ausreichend, dass der Arbeitnehmer die Möglichkeit der Nachfrage hätte nutzen können. Informiert er sich über die Tarifbindung des Arbeitgebers, der zur Auskunft verpflichtet ist, nicht, ändert dies nach Ansicht des BAG nichts daran, dass bei fehlender Tarifbindung regelmäßig eine Gleichstellungsabrede nicht gewollt ist.

Fazit:

Maßgeblich für die Beurteilung ist damit vorrangig die Tarifbindung des Arbeitgebers. Ist der Arbeitgeber selbst tarifgebunden, bezweckt er die Gleichstellung der organisierten mit den nicht organisierten Arbeitnehmern. Beendet der Arbeitgeber seine Tarifbindung durch Verbandsaustritt, verliert die Gleichstellungsintention ihre Grundlage.

Verfasser: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Nicolai Besgen

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