05.05.2005

Rechtssystematische und verfassungsrechtliche Überlegungen zur steuerlichen Behandlung der „Vorsorgeaufwendungen“ nach dem Alterseinkünftegesetz [1]

 RA & StB Andreas Jahn , Bonn [2]

I. Vorbemerkung

Das Alterseinkünftegesetz hat mit Wirkung vom 01.01.2005 erhebliche Änderungen in der Behandlung von Aufwendungen für die Zukunftssicherung von Arbeitnehmern und Selbständigen einerseits und der Besteuerung von Rentenleistungen aus solcher Zukunftssicherung andererseits gebracht. Mit der Entscheidung des Gesetzgebers für das System der nachgelagerten Besteuerung von Renteneinkünften, die spätestens ab 2040 eine Besteuerung der Renteneinkünfte mit 100 % des Jahresbetrages der Rente vorsieht, stellt sich die Frage, ob im Lichte der jüngsten höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des BFH die Behandlung der Beiträge zu Versorgungswerken der Rechtsanwälte als „Vorsorgeaufwendungen“ und damit als Sonderausgaben noch zu rechtfertigen ist.

II. Rechtslage bis 31.12.2004

Nach altem Recht gelten Beiträge zu den Versorgungswerken weder als Betriebsausgaben noch als Werbungskosten, sondern als beschränkt abziehbare Sonderausgaben im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 10 Abs. 3 EStG (a.F.). Sie wurden gleich behandelt mit den Beiträgen zu Kranken-, Pflege-, Unfall- und Haftpflichtversicherungen sowie den gesetzlichen Rentenversicherungen an die Bundesagentur für Arbeit. Der steuerpflichtige Rechtsanwalt konnte die Summe dieser Vorsorgeaufwendungen nur im Rahmen der Höchstbeträge des § 10 Abs. 3 EStG abziehen. Dieser Abzug geschah jedoch nur, soweit ein positiver Gesamtbetrag der Einkünfte vorhanden war (§ 2 Abs. 4 Satz 1 EStG).

Im Gegenzug erfolgte die Besteuerung der Einkünfte aus den Renten des Versorgungswerks nur in Höhe des Ertragsanteils, der sich aus der Tabelle des § 22 Nr. 1 Satz 3 a EStG (a.F.) ermittelte. Nach dieser Vorschrift gehörten nur die Erträge des Rentenrechts, d.h. der in den Rentenzahlungen enthaltene Ertragsanteil der Rente zu den Einkünften im Sinne des § 22 EStG. Der übrigen Teil der Rentenzahlungen war folglich Rückzahlung des Rentenstamms, also der Substanz des Rentenrechts und damit steuerlich unbeachtlich; die Rückzahlung der Substanz des Rentenrechts erfüllte somit keinen Einkünftetatbestand.

Bislang hat der Bundesfinanzhof [3] entschieden, dass Pflichtbeiträge von Angehörigen freier Berufe zu den Versorgungswerken ihrer jeweiligen Kammer nicht als Betriebsausgaben, sondern als Sonderausgaben und auch nur teilweise im Rahmen der Höchstbeträge abziehbar sind. Zur Begründung führt der BFH an, dass die Systematik des Einkommensteuerrechts es verbiete, Vorsorgeaufwendungen als Erwerbsaufwendungen (Betriebsausgaben/Werbungskosten) einzustufen. Vorsorgeaufwendungen sind nach der Auffassung des BFH keine Aufwendungen der Einkommenserzielung, sondern Aufwendungen der Einkommensverwendung, und damit im Grundsatz steuerlich unbeachtlich. Der BFH führt aus, Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung [oder zu den Versorgungswerken] unterschieden sich insoweit nicht von anderen Aufwendungen zum Erwerb einer Kapitalanlage.

In gleicher Weise entschied der BFH mit Urteil vom 11.12.2002 [4], der beschränkte Abzug von Vorsorgeaufwendungen gemäß § 10 Abs.3 EStG sei nicht verfassungswidrig. Denn diese Aufwendungen dienten nicht der aktuellen Existenzsicherung, sondern der Vorsorge für künftige Zeiten und seien nach ihrer Art als Rücklagen und Sparleistungen zu qualifizieren. Der Gesetzgeber sei aber nicht gezwungen, Vorsorgeaufwendungen genauso zum Abzug zuzulassen, wie Erwerbsaufwendungen. Wenn der Gesetzgeber dennoch Beiträge zur Zukunftssicherung in dem so verstandenen Sinn teilweise (im Rahmen der Höchstbeträge) zum Abzug zulässt, so kann dies aus der Sicht des BFH nur eine besondere gesetzgeberische Wohltat sein.

Aus der rechtssystematischen Betrachtung des BFH ist diese Auffassung auch schlüssig. Denn ähnlich den Zuflüssen aus einer sonstigen Kapitalanlage wurden bis 2004 Rückzahlungen aus der Substanz der Kapitalanlage keinem Einkünftetatbestand unterworfen und nur die Erträge besteuert. Unter der Geltung des alten § 22 wurden Renten aus Versorgungswerken genau nach diesem Schema besteuert. Dann aber war die Auffassung des BFH systematisch korrekt, die Beiträge zu den Versorgungswerken nicht als Aufwendungen der Einkommenserzielung anzusehen, sondern als Maßnahmen der Einkommensverwendung in Form einer „besonders gearteten und besonders gesicherten Sparleistung“ [5] .

Sparleistungen sind aber nach geltendem Einkommensteuerrecht nicht abziehbar und auch von der Steuer nicht freizustellen.

III. Verfassungsrechtliche Vorgabe zur Vermeidung von    Doppelbesteuerung

Der Kläger des zuletzt genannten BFH-Verfahrens befürchtete allerdings im Rahmen einer durch die Rentensteuerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts [6] den Übergang zu einer nachgelagerten Versteuerung und damit die Gefahr einer Doppelbesteuerung. Der BFH wies diese Bedenken mit folgendem Zitat zurück:

„Nach dem Auftrag des Bundesverfassungsgerichts (Urteil des BVerfG vom 06.03.2002, 2 BvL 17/99, Leitsatz 3, BStBl. II 2002, 618) hat der Gesetzgeber die Besteuerung von Vorsorgeaufwendungen für die Alterssicherung und die Besteuerung von Bezügen aus dem Ergebnis der Vorsorgeaufwendungen so aufeinander abzustimmen, dass eine doppelte Besteuerung vermieden wird. Dementsprechend wird der Gesetzgeber auch dafür zu sorgen haben, dass bei der Besteuerung der zukünftigen Rentenleistungen aus dem Versorgungswerk der Rechtsanwälte berücksichtigt wird, dass der Kläger seine Ansparleistungen teilweise aus versteuertem Einkommen erbracht hat.“

In der Rentensteuerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts findet sich in der Tat die klare Anweisung an den Gesetzgeber, bei Neuregelung der Besteuerung von Renten, geschehen durch das Alterseinkünftegesetz, eine Doppelbesteuerung „in jedem Fall“ zu vermeiden. Wörtlich heißt es:

„In jedem Fall sind die Besteuerungen von Vorsorgeaufwendungen für die Alterssicherung und die Besteuerung von Bezügen aus dem Ergebnis der Vorsorgeaufwendungen so aufeinander abzustimmen, dass eine doppelte Besteuerung vermieden wird. … Im Übrigen ist … ein weiter gesetzgeberischer Entscheidungsraum eröffnet.“

Damit ist klargestellt, dass „in jedem Fall“ eine Besteuerung von Alterseinkünften nur dann zulässig ist, soweit sie nicht durch Beiträge aus versteuertem Einkommen aufgebracht wurden. Mit dem Nachsatz „Im Übrigen …“ gibt das Bundesverfassungsgericht zu verstehen, dass die Art der technischen Umsetzung, ob durch vor- oder nachgelagerte Versteuerung oder andere Modelle, dem Gesetzgeber überlassen bleibt.

IV. Erfüllung der verfassungsrechtlichen Vorgabe durch das Aterseinkünftegesetz

 § 22 Nr. 1 Satz 3 a, aa EStG in der Fassung des Alterseinkünftegesetzes sieht den Übergang zur nachgelagerten Besteuerung vor. Ab 2005 sind 50 % des Jahresbetrags der Rente steuerfrei. Dieser Prozentsatz steigt bis ins Jahr 2040 in Stufen auf 100 % der Rente. Während der Übergangsphase wird zudem der das Existenzminimum sichernde Grundfreibetrag in den steuerfreien Teil der Rente gelegt. Die Beitragszahlungen selbst bleiben „Sonderausgaben“ im Sinne des § 10 EStG. Von dieser Behandlung ausgenommen bleiben vor dem 01.01.2005 rechtswirksam abgeschlossene Kapitallebensversicherungen, die einer Besteuerung wie bisher nur in Höhe des Ertragsanteils laut Tabelle unterliegen, wobei diese Tabellenwerte noch einmal deutlich abgesenkt worden sind.

Beitragszahlungen noch Vorsorgeaufwendungen?

Hält man sich diese gesetzliche Regelung vor Augen, fragt sich zunächst, ob die Beitragszahlungen zum Versorgungswerk im Lichte des Alterseinkünftegesetzes überhaupt noch „Vorsorgeaufwendungen“ im Rechtssinn sein können. Die Beiträge dienen nach wie vor der Versorgung in der Zukunft. Sind sie aber tatsächlich weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten?

Die Beiträge wären nur dann in der Definition des BFH „Sparleistungen“, wenn sie in der Substanz nicht der Einkünfteerzielung dienen. Das ist dann der Fall, wenn die Rückzahlung der Substanz als bloße Kapitalrückzahlung steuerfrei bleibt. Dann nämlich sind die Beiträge tatsächlich Einkommensverwendung. Dann aber darf auch nur der Ertragsanteil der Rente besteuert werden.

Das Alterseinkünftegesetz hingegen besteuert stufenweise auch die – in diesem Sinne – ausgekehrte Substanz des angesparten Kapitals. Außerdem qualifiziert das Alterseinkünftegesetz schon nach seinem Titel die zukünftigen Rentenleistungen als „Einkünfte“, wohingegen der bisherige § 22 EStG lediglich die Erträge als Einkünfte bezeichnet hatte.

Beitragszahlung als vorverlagerte Aufwendungen: Werbungskosten

In einer rechtssystematisch korrekten Betrachtung können dann unter der Systematik des Alterseinkünftegesetzes die Beitragsleistungen keine steuerlich unbeachtlichen Privatausgaben mehr sein. Denn es werden keine Vorsorgeanwartschaften mehr vom Steuerpflichtigen erworben, die nur mit dem Ertragsanteil steuerpflichtig sind. Vielmehr handelt es sich um vorverlagerte Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von Einnahmen. Genau das aber ist die Definition der Werbungskosten des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG. Eine rechtssystematisch korrekte Betrachtung müsste die Beitragszahlungen demnach als vorweggenommene Werbungskosten qualifizieren. Genauer gesagt handelt es sich dann bei den Beitragszahlungen zu den Versorgungswerken um negative sonstige Einkünfte im Sinne des § 22 EStG. Werbungskosten müssten demnach aus ihrer Natur heraus unbegrenzt abziehbar sein. Solange jedoch stufenweise zu einer vollständigen Rentenbesteuerung übergegangen wird, lässt sich der beschränkte Werbungskostenabzug analog der zukünftigen Quote des steuerpflichtigen Rentenanteils begründen.

Die Idee ist so neu nicht. Bereits § 9 EStG des Karlsruher Entwurfs („Kirchhoff-Entwurf“) sah vor, Beiträge des Steuerpflichtigen zu seiner Zukunftssicherung kraft gesetzlicher Fiktion als Erwerbsausgaben zu behandeln. Diese rechtssystematisch zutreffende Sicht deckt sich auch mit der Stellungnahme der BRAK 10/2004 vom März 2004.

Aber auch außerhalb dieser rechtssystematischen Bedenken setzt sich die Umsetzung des Alterseinkünftegesetzes in Widersprüche zu Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts, beispielsweise zu den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 25.09.1992, BStBl. 1993 II, S. 413 („Existenzminimum“). Der Widerspruch begründet sich in diesem Fall mit der Einbeziehung des Grundfreibetrages in den steuerlichen Rentenzufluss. Dies führt zur Einbeziehung des steuerlich abzuschirmenden Existenzminimums in die Besteuerung. Denn abzuschirmen ist ein Betrag in Höhe des Grundfreibetrages von den „Einkünften“ des Steuerpflichtigen im Veranlagungszeitraum.

Nicht in die Berücksichtigung des Grundfreibetrages fallen grundsätzlich steuerrechtlich irrelevante Tatbestände, beispielsweise steuerlich unbeachtliche Kapitalrückzahlungen aus privaten Kapitalanlagen. Wenn aber die ab 2005 jährlich abnehmende Steuerfreistellung des Jahresbetrages der Renten den Umstand berücksichtigen soll, dass die Renten bislang zum Teil aus versteuertem Einkommen finanziert worden sind, so berücksichtigt dieser Prozentsatz der Steuerfreistellung die „gedachte Kapitalrückzahlung“ im Sinne der vorzitierten BFH-Rechtsprechung. Dann aber verbietet es sich, den Grundfreibetrag hiervon ebenfalls abgedeckt zu sehen. Der Grundfreibetrag muss vielmehr im steuerpflichtigen Teil der Rente Berücksichtigung finden.

Keine Vermeidung der Doppelbesteuerung

Daneben treten einige Widersprüche zur Rentensteuerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts [7] auf. Zur Erinnerung: „In jedem Fall“ muss eine doppelte Besteuerung vermieden werden. Das aber gelingt mit dem Alterseinkünftegesetz in der heute vorliegenden Form nicht.

Bereits der nur beschränkt zulässige Vorsorgeaufwendungsabzug führt zu einer pauschalierten Inkongruenz zwischen dem Grad der Steuerbefreiung in der Ansparphase und der nachgelagerten Versteuerung im Rentenfall. Es besteht hiermit die stete Gefahr einer Doppelbesteuerung, so dass jeder Steuerpflichtige im Zweifel auf 30 und mehr Jahre zurück errechnen müsste, inwieweit seine bisherigen Rentenbeiträge aus versteuertem Einkommen aufgebracht wurden, um diese Zahl ins Verhältnis zu setzen mit dem Grad der prozentualen Steuerbefreiung. Dem Steuerpflichtigen wird dieser Nachweis nicht mehr möglich sein. Der Gesetzgeber hat deshalb wohl sehenden Auges die Gefahr der Doppelbesteuerung in Kauf genommen.

Aber auch bereits die Behandlung der Beiträge als Vorsorgeaufwendungen selbst führt in bestimmten Konstellationen zwingend zu einer Doppelbesteuerung. In den Fällen eines negativen Gesamtbetrags der Einkünfte kann eine Doppelbesteuerung nicht vermieden werden. Denn gemäß § 2 Abs. 4 Satz 1 EStG sind Vorsorgeaufwendungen als Sonderausgaben erst nach einem negativen Gesamtbetrag der Einkünfte zu berücksichtigen. Weil § 10 d EStG aber nicht auf das so ermittelte Einkommen, sondern den Gesamtbetrag der Einkünfte abstellt, ist ein durch Vorsorgeaufwendungen über einen negativen Gesamtbetrag der Einkünfte hinausgehendes negatives Einkommen nicht rück- und vortragsfähig. Die an sich vorgesehene Steuerbefreiung kann deshalb in Verlustjahren nicht greifen und sie kann auch weder zurückgetragen noch in den Folgejahren wieder aufgeholt werden. Beiträge zu den Versorgungswerken in Verlustjahren mit negativem Gesamtbetrag der Einkünfte sind deshalb zwingend aus versteuertem Einkommen erbracht. Da diese Umstände bei der Besteuerung der Rentenzahlungen im Wege der nachgelagerten Besteuerung keine Berücksichtigung finden, führt dies zwingend zu einer Doppelbesteuerung.

Ein weiterer Widerspruch zur Rentensteuerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts ergibt sich durch die Erfassung von Beitragsleistungen vor 2005 in die pauschalierte nachgelagerte Besteuerung ab 2005. Denn wenn die damaligen Höchstbeträge des § 10 Abs. 3 EStG bereits durch Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Risikolebens- oder Haftpflichtversicherung verbraucht waren, konnten Rentenversicherungsbeiträge zwangsläufig nur noch aus versteuertem Einkommen erbracht werden, im Zweifel in voller Höhe. Selbst wenn man dieser Argumentation entgegenhielte, es käme nur auf die Verrechnungsreihenfolge an, wonach ja denkbar der Höchstbetrag zunächst auf die Rentenversicherungsbeiträge und danach erst auf andere Versicherungsbeiträge zu verrechnen wäre, so ist auch dies nur ein Scheinargument. Denn zum einen hat der Gesetzgeber eine Verrechnungsreihenfolge nicht angeordnet, zum anderen ergibt sich ein Überhang von Vorsorgeaufwendungen im Rahmen der geringen Höchstbeträge in nahezu jedem Fall, so dass auch in nahezu jedem Fall die Beiträge zum Versorgungswerk ganz oder teilweise aus versteuertem Einkommen erbracht wurden. Auch dies führt zu einer Doppelbesteuerung und der Gesetzgeber hat diese Problematik ganz bewusst in Kauf genommen.

Der gesetzgeberische Auftrag des Bundesverfassungsgerichts ist bei dieser rechtssystematischen und verfassungsrechtlichen Betrachtung nicht erfüllt worden.

Lösungsmöglichkeiten

Wie aber sehen Lösungsmöglichkeiten aus? Der Karlsruher Entwurf hat die systematisch zutreffende Lösung bereits vorgegeben. Werden Beiträge zur Zukunftssicherung des Steuerpflichtigen als Werbungskosten oder in der Terminologie des Karlsruher Entwurfs als Erwerbsaufwendungen behandelt, ergeben sich auch in Verlustjahren bei negativem Gesamtbetrag der Einkünfte keine Doppelbesteuerungsproblematiken; die Erwerbsaufwendungen wären dann automatisch vor- und rücktragsfähig. Es fehlt dann allerdings noch ein Instrumentarium, um den Gleichlauf der quotalen Steuerbefreiung in der Ansparphase mit der quotalen nachgelagerten Besteuerung herzustellen. Anregungen, wie der Gesetzgeber diese Problematik technisch lösen könnte, hat das Bundesverfassungsgericht im Schlussabsatz der Rentensteuerentscheidung angedeutet. Die zum Teil auch vertretene Auffassung, die Lösung solle über eine Gleichstellung der aus versteuertem Einkommen aufgebrachten Renten aus berufsständigen Versorgungswerken mit Kapitallebensversicherungen im Sinne des § 22 Nr. 1 Satz 3 a, bb EStG erfolgen, erscheint nur partiell zutreffend oder praktikabel. Das kann ein richtiger Lösungsansatz sein für überobligatorische Beitragsleistungen über die 10/10 Pflichtbeitragsgrenze hinaus (so auch vorgesehen auf Antrag über die Öffnungsklausel) und für vor dem 01.01.2005 aufgewendete Beitragsleistungen. Wollte man hingegen die gesamten Beiträge zum Versorgungswerk unter diese Vorschrift fassen, ließe sich das rechtssystematisch mit anderen Rentensystemen kaum in Einklang bringen und führte im Übrigen zu dem systematischen Bruch, dass dann wiederum die Beitragsleistungen nicht Werbungskosten, sondern allenfalls beschränkt abziehbare Vorsorgeaufwendungen im Sinne einer gesetzgeberischen Wohltat sein könnten. Eine Lösung über § 22 Nr. 1 Satz 3 a, bb EStG in der Fassung des Alterseinkünftegesetzes könnte also nur für bestimmte Rentenbestandteile herangezogen werden.

V. Fazit

Dem Gesetzgeber ist es nicht gelungen, mit dem Alterseinkünftegesetz die Vorgaben der Rentensteuerentscheidung des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen. Die rechtssystematisch unzutreffende Einordnung der Beitragsleistung zu den Versorgungswerken als Vorsorgeaufwendung im Sinne des § 10 EStG führt in einer unübersehbaren Vielzahl von Fällen zu einer verfassungswidrigen Doppelbesteuerung. Denn die Besteuerung von Vorsorgeaufwendungen für die Alterssicherung und die Besteuerung von Bezügen aus dem Ergebnis der Vorsorgeaufwendungen ist nicht so aufeinander abgestimmt, dass eine doppelte Besteuerung vermieden wird. Zudem ergibt sich ein Widerspruch zur vom Bundesverfassungsgericht geforderten Abschirmung des zur Sicherung des Existenzminimums erforderlichen Betrags der Einkünfte und der jetzt vorgesehenen Einbeziehung des Grundfreibetrages in den steuerfreien Teil der Rentenleistungen.

Solange diese verfassungsrechtlichen und rechtssystematischen Bedenken nicht ausgeräumt sind, kann dem Steuerpflichtigen nur nahegelegt werden, alle offenen Einkommensteuerveranlagungen durch Einlegung von Rechtsmitteln offen zu halten. Dies kann u.a. geschehen unter Hinweis auf das bereits anhängige Klageverfahren vor dem Finanzgericht Münster (Az. 14 K 608/05 E). Dort wehrt sich ein Arbeitnehmer gegen seinen Steuerbescheid aus dem Jahr 2003. Er wendet ein, seine gesetzlichen Rentenbeiträge seien nur begrenzt anerkannt, obwohl er später die gesetzliche Rente voll versteuern müsste.

Es ist damit zu rechnen, dass zukünftig ungezählte Einspruchs- und Klageverfahren die Finanzämter und Finanzgerichte überschwemmen werden.

(Andreas Jahn, Rechtsanwalt & Steuerberater)

[1] Der Beitrag gibt in gekürzter Fassung das Referat des Autors auf der Fachveranstaltung der Arbeitsgemeinschaft Steuerrecht vom 05.05.2005 anläßlich des 56. Deutschen Anwaltstages 2005 in Dresden wieder.

[2] Der Autor ist Partner der Sozietät Meyer – Köring von Danwitz Privat, Bonn

[3] u.a. in der Entscheidung vom 17.03.2004, BFH/NV 2004, S. 1245.

[4] BFH v. 11.12.2002 –  XI R 17/00 –  BStBl. 2003 II, S. 650

[5] BFH aaO.

[6] BVerfG  v. 06.03.2002 – 2 BvL 17/99BStBl. II 2002, S. 618

[7] siehe FN 6

Lorbeerkranz

Auszeichnungen

  • „Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuer­recht“
    (JUVE Handbuch Wirtschafts­kanz­leien 2022/2023)

  • „Häufig empfohlen wird Andreas Jahn, Steuer­recht“
    (JUVE Handbuch Wirtschafts­kanz­leien 2017-2021)

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