16.03.2005 -

 

Die Bundestagesfraktion von SPD und Bündnis 90 / Die Grünen haben am 15. Dezember 2004 den offiziellen Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung europäischer Antidiskriminierungsvorschriften vorgelegt. Das 139 Seiten starke Dokument kann im Internet auf der Homepage der SPD-Fraktion heruntergeladen werden (www.spdfraktion.de).

 

1. Ausgangslage

 

Die Bundesregierung ist aufgrund von drei EU-Richtlinien europarechtlich gezwungen, einen umfassenden arbeitsrechtlichen Schutz vor Diskriminierungen gesetzlich einzuführen. Es handelt sich um die Richtlinien 2000/43/EG vom 29. Juni 2000, 2000/78/EG vom 27. November 2000 sowie 2002/73/EG vom 23. September 2002. Die Umsetzungsfristen liefen bereits Ende 2003 ab. Der nun vorliegende Entwurf wird im Januar in den Bundestag eingebracht. Eine Zustimmung des Bundesrates zu dem Gesetz ist nicht erforderlich, so dass der geplante Entwurf mit der Regierungsmehrheit durchgesetzt werden kann.

 

2. Aufbau des Gesetzes

 

Der Entwurf ist insgesamt in vier Artikel aufgeteilt. Unter Artikel 1 findet sich das hier relevante so genannte Antidiskriminierungsgesetz – ADG, das 34 Paragraphen enthält. Die ursprünglich geplante Aufteilung in ein arbeitsrechtliches und ein zivilrechtliches Antidiskriminierungsgesetz wurde nicht aufrecht erhalten. Beide Rechtsbereiche wurden vielmehr in einem einheitlichen Antidiskriminierungsgesetz zusammengefasst; Kern des ADG ist freilich der Diskriminierungsschutz im Arbeitsrecht. Artikel 2 enthält das so genannte Gesetz zum Schutz der Soldatinnen und Soldaten vor Diskriminierungen mit 20 Vorschriften, die hier nicht weiter behandelt werden. Artikel 3 des Gesetzentwurfes befasst sich mit den notwendigen Änderungen in anderen Gesetzen aufgrund des neuen Antidiskriminierungsschutzes, bspw. im Arbeitsgerichtsgesetz, dem Bundespersonalvertretungsgesetz, dem Betriebsverfassungsgesetz, dem Sprecherausschussgesetz und auch den einzelnen Sozialgesetzbüchern. Artikel 4 regelt schließlich das in Kraft treten der neuen Gesetze.

 

3. Ziel des ADG

 

Ziel des Gesetzes ist es nach § 1 ADG, Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität zu verhindern oder zu beseitigen.

 

4. Anwendungsbereich

 

Der Anwendungsbereich ist denkbar weit. Er erstreckt sich von der Bewerbung, den Auswahl- und Einstellungskriterien, bis hin zu den Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich Arbeitsentgelt und Entlassungsbedingungen.

 

5. Unmittelbare und mittelbare Benachteiligung

 

Sanktioniert wird sowohl die unmittelbare als auch die mittelbare Beteiligung. Dabei gilt eine Verletzung vertraglicher Pflichten nicht nur bei Diskriminierung durch den Arbeitgeber selbst, sondern auch durch andere Beschäftigte, insbesondere wenn eine weisungsberechtigte Person zur Benachteiligung angewiesen wurde. Umgekehrt ist die unterschiedliche Behandlung im Einzelfall zulässig, bspw. wenn das Geschlecht wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit unverzichtbare Voraussetzung für die Tätigkeit ist. Auch eine bestimmte Religion oder Weltanschauung kann eine rechtmäßige unterschiedliche Behandlung rechtfertigen. Eine unterschiedliche Behandlung wegen der Alters ist zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist.

 

6. Pflichten des Arbeitgebers

 

Der Arbeitgeber ist nach dem Gesetzesentwurf verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligung zu treffen. Dieser Schutz umfasst auch vorbeugende Maßnahmen. Der Arbeitgeber soll zudem in geeigneter Art und Weise, insbesondere im Rahmen der beruflichen Aus- und Fortbildung, auf die Unzulässigkeit solcher Benachteiligungen hinweisen und darauf hinwirken, dass diese unterbleiben. Verstoßen Beschäftigte gegen das Benachteiligungsverbot, so hat der Arbeitgeber die im Einzelfall geeigneten, erforderlichen und angemessenen Maßnahmen zur Unterbindung der Benachteiligung wie Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder sogar Kündigung zu ergreifen, § 12 Abs. 2 ADG.

 

7. Beschwerderecht der Arbeitnehmer

 

Beschäftigte haben das Recht, sich bei einer zuständigen Stelle des Betriebs, des Unternehmens oder der Dienststelle zu beschweren, wenn sie sich im Zusammenhang mit ihrem Beschäftigungsverhältnis vom Arbeitgeber, von Vorgesetzten, anderen Beschäftigten oder Dritten benachteiligt fühlen. Die Beschwerde ist dabei zu prüfen und das Ergebnis dem beschwerdeführenden Beschäftigten mitzuteilen. Die Beschwerderechte nach den §§ 84 ff. BetrVG bleiben ausdrücklich unberührt und können damit zusätzlich geltend gemacht werden.

 

8. Zulässige Arbeitsverweigerung

 

Ergreift der Arbeitgeber keine oder offensichtlich ungeeignete Maßnahmen zur Unterbindung einer Benachteiligung, haben die betroffenen Beschäftigen nach dem Gesetzesentwurf ausdrücklich ein Leistungsverweigerungsrecht. Sie sind also berechtigt, ihre Tätigkeit ohne Verlust des Arbeitsentgelts einzustellen, soweit dies zu ihrem Schutz erforderlich ist. Wegen der Leistungsverweigerung dürfen die Arbeitnehmer nicht abgemahnt werden.

 

9. Entschädigung und Schadensersatz

 

Daneben steht dem Arbeitnehmer bei einem Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot zum Ausgleich ein Schadensersatzanspruch zu. Anders als in dem bereits im BGB normierten geschlechtsbezogenen Benachteiligungsverbot nach § 611 a BGB sieht das Antidiskriminierungsgesetz keine Begrenzung auf drei Monatsgehälter vor. Der Anspruch ist innerhalb einer Frist von 6 Monaten schriftlich geltend zu machen. Keinesfalls begründet ein Verstoß gegen das Be­nachteiligungsverbot jedoch einen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungs­verhältnisses. Schließlich sieht der Gesetzentwurf auch eine Entschädigung durch den Arbeitgeber bei Benachteiligung durch Dritte vor, sofern bestimmte weitere Voraussetzungen vorliegen. Zur Absicherung der Rechte ist ein Maßregelungsverbot vorgesehen, wonach der Arbeitgeber Beschäftigte nicht wegen der Inanspruchnahme von Rechten aus dem Antidiskriminierungsgesetz benachteiligen darf (vgl. auch § 612 a BGB).

 

10. Klagerecht des Betriebsrats

 

Im Falle von groben Pflichtverletzungen des Arbeitgebers gegen Vorschriften aus dem Antidiskriminierungsgesetz sind der Betriebsrat oder eine im Betrieb vertretene Gewerkschaft unter den Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 Satz 1 BetrVG berechtigt, die dort genannten Rechte gerichtlich geltend zu machen. Insbesondere besteht damit ein Unterlassungsanspruch und die Berechtigung, die Verhängung eines Ordnungs- und Zwangsgeldes zu beantragen.

 

11. Beweislast

 

Macht der Arbeitnehmer im Streitfall Tatsachen glaubhaft, die eine Benachteiligung vermuten lassen, trägt der Arbeitgeber die Beweislast dafür, dass andere, sachliche Gründe die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen oder eine zulässige unterschiedliche Behandlung vorliegt. Die Regelung entspricht der bereits bekannten Vorschrift des § 611 a Abs. 1 Satz 3 BGB.

 

12. Ausblick

 

Welche Auswirkungen das Antidiskriminierungsgesetz auf die Praxis haben wird, ist zurzeit nicht abzusehen. Die europarechtlichen Vorgaben verpflichten jedenfalls den nationalen Gesetzgeber zum handeln. Über den weiteren Verlauf des Gesetzgebungsverfahrens werden wir sie zeitnah informieren.

 

Stand: 30. Dezember 2004

  

Verfasser: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Nicolai Besgen

 

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