07.11.2004 -

 

Das LAG Niedersachsen hatte sich in einer nun veröffentlichten Entscheidung aus dem Jahre 2003 mit der Frage zu beschäftigen, wann eine Abfindung zur Auszahlung fällig ist, wenn die Parteien nichts geregelt haben (LAG Niedersachsen, Urt. v. 12. 9. 2003 – 16 Sa 621/03 -, NZA-RR 2004, 478).

 

Der Sachverhalt der Entscheidung (verkürzt):

 

In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt wurde das Arbeitsverhältnis zunächst ordentlich zum 30. Juni 2002 gekündigt. In der Kündigungsschutzklage einigten sich dann die Parteien auf eine Beendigung erst zum 31. Dezember 2002 und Zahlung einer Abfindung in Höhe von 37.000,00 €. Ein Auszahlungszeitpunkt wurde hingegen in dem Vergleich nicht vereinbart.

 

Der Arbeitnehmer forderte seinen Arbeitgeber auf, die Abfindung bereits zum 1. Juli 2002 auszuzahlen. Es kam dann zu einem umfangreichen Streit, auch im Bereich der Zwangsvollstreckung, der hier nicht wiedergegeben werden soll. Gegenstand des Streites war zuletzt die Frage, ob dem Arbeitnehmer wegen der verspäteten Abfindungszahlung ein Zinsanspruch zusteht.

 

Die Entscheidung des LAG:

 

I. Fälligkeitsregelung

 

Haben die Parteien eines Abfindungsvergleichs eine bestimmte Fälligkeitsregelung nicht getroffen, bestimmt sich die Fälligkeit nach § 271 Abs. 1 BGB. Danach kann der Gläubiger die Leistung sofort verlangen, der Schuldner sie sofort bewirken, wenn eine Zeit für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen ist. Wird, wie in solchen Fällen üblich, ein bestimmtes Auszahlungsdatum nicht vereinbart, kommt es damit auf die konkreten Umstände des Einzelfalles an.

 

II. Fälligkeit erst bei Beendigung

 

Das Landesarbeitsgericht entnahm folgenden Umständen, dass die Abfindung erst mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2001 fällig werden sollte:

 

1. Die Parteien haben ausdrücklich vereinbart, dass die Abfindung zum Ausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes gezahlt wird. Dieser Verlust konnte jedoch erst mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Dezember 2002 eintreten. Der Zweck der Zahlung ist deshalb in solchen Fällen auf einen Zeitpunkt ausgerichtet, zu dem der Verlust des Arbeitsplatzes tatsächlich eingetreten ist.

 

2.         Völlig üblich wurde weiter die ordnungsgemäße Abwicklung bis zum Kündigungsablauf (31. Dezember 2002) vereinbart. Der Arbeitnehmer erhielt daher bis zum Kündigungsablauf seine normalen Bezüge. Finanziell wurde er so gestellt, als ob er gearbeitet hätte. Die Nachteile des Arbeitsplatzverlustes entstehen damit im Wesentlichen erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Diese Nachteile sollen aber nach dem Sinn und Zweck einer Abfindung ausgeglichen werden.

 

3.            Darüber hinaus wurde in der Vergleichsregelung auf § 3 Nr. 9 EStG Bezug genommen. Danach sind Abfindungen wegen einer vom Arbeitgeber veranlassten oder gerichtlich ausgesprochenen Auflösung des Dienstverhältnisses bis zu einem Höchstbetrag steuerfrei. Die tatsächliche Auflösung des Arbeitsverhältnisses ist damit Voraussetzung für die Steuerfreiheit, wobei entsprechend den Lohnsteuerrichtlinien Voraussetzung ist, dass ein zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Zufluss der Abfindung und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorhanden ist. Ein erhebliches zeitliches Auseinanderfallen dieser Ereignisse stellt den sachlichen Zusammenhang in Frage.

 

4.            Schließlich steht trotz der vereinbarten Beendigung zum 31. Dezember 2002 nicht abschließend fest, ob das Arbeitsverhältnis nicht noch anderweitig beendet wird. Nach der Rechtsprechung kann auch bei einem bereits aufgehobenen Arbeitsverhältnis während der laufenden Kündigungsfrist sich noch ein Tatbestand ergeben, der eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses rechtfertigen könnte. In solchen Fällen wird eine Abfindung, die im Vorfeld bereits vereinbart wurde, jedoch nicht mehr fällig.

 

Hinweis für die Praxis:

 

Den Ausführungen des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen können wir uns nur anschließen. Sie gelten auch für andere Fälle. Wird nichts vereinbart, wird eine Abfindung erst mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses, also zum Zeitpunkt des tatsächlichen Ausscheidens, fällig. Wir empfehlen dennoch, konkrete Auszahlungszeitpunkte stets zu vereinbaren. Wegen des im Steuerrecht geltenden Zuflussprinzips kann es dabei für den Arbeitnehmer ohnehin einen erheblichen steuerlichen Unterschied machen, ob eine hohe Abfindung noch im Dezember oder schon im Januar zufließt.

 

 

Verfasser: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Nicolai Besgen

Lorbeerkranz

Auszeichnungen

  • TOP-Wirtschafts­kanzlei für Arbeits­recht
    (FOCUS SPEZIAL 2023, 2022, 2021, 2020)

  • TOP-Kanzlei für Arbeitsrecht
    (WirtschaftsWoche 2023, 2022, 2021, 2020)

  • TOP-Anwältin für Arbeitsrecht: Ebba Herfs-Röttgen
    (WirtschaftsWoche, 2023, 2022, 2021, 2020)

  • TOP-Anwalt für Arbeitsrecht: Prof. Dr. Nicolai Besgen
    (WirtschaftsWoche 2023, 2020)

UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME

Sprechblasen

UNVERBINDLICHE KONTAKTAUFNAHME

Sind Sie unsicher, ob Sie mit Ihrer Angelegenheit bei uns richtig sind?
Nehmen Sie gerne unverbindlich Kontakt mit uns auf und schildern uns Ihr Anliegen.
Wir freuen uns auf Ihren Anruf.

Kontakt aufnehmen