08.07.2004 -

Arbeitnehmer haben bekanntlich die Möglichkeit, sich für eine dreijährige Elternzeit völlig von der Arbeitspflicht befreien zu lassen. Dies folgt aus dem Bundeserziehungsgeldgesetz (BErzGG). In einem nun bekannt gewordenen Urteil hatte sich das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg mit der praxisrelevanten Frage zu beschäftigen, ob während einer Elternzeit mit völliger Freistellung von der Arbeitspflicht Arbeitnehmer später verlangen können, in Teilzeit beschäftigt zu werden (Urt. v. 6. 5. 2004 – 3 Sa 44/03 -, kann über die Homepage der Arbeitsgerichtsbarkeit in Baden-Württemberg www.arbeitsgerichte.landbw.de weiter unter dem Pfad Entscheidungsdokumentation abgerufen werden). Das LAG hat einen entsprechenden Anspruch jedenfalls dann verneint, wenn er nicht bereits zu Beginn der Elternzeit vorgebracht wird.

 

Der Sachverhalt der Entscheidung:

 

Die Arbeitnehmerin war bis zur Geburt ihres Kindes in Vollzeit bei dem beklagten Krankenhaus als so genannte Diätassistentin beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis richtete sich nach dem Bundesangestelltentarifvertrag (BAT). Von dem Krankenhaus wurden regelmäßig zwei Diätassistenten in Vollzeit beschäftigt.

 

Kurz nach der Geburt ihres Kindes teilte die Arbeitnehmerin ihrem Arbeitgeber mit, dass sie im Anschluss an die 8-wöchige Mutterschutzfrist bis zum Ende der 3-jährigen Elternzeit nicht arbeiten wolle. Weiter schrieb die Klägerin:

 

„Sobald ich einer Teilbeschäftigung während meiner Elternzeit am Kreiskrankenhaus nachgehen kann, werde ich dies 8 Wochen vorher beantragen.“

 

Rund ein halbes Jahr später setzte sie diese Absichtserklärung um und verlangte nunmehr von dem beklagten Krankenhaus, einer Teilzeitbeschäftigung für zwei Arbeitstage in der Woche mit insgesamt 15,4 Wochenstunden zuzustimmen.

 

Das Krankenhaus lehnte dies ab. Für die volle Dauer der beantragten Elternzeit von zwei Jahren war bereits eine vollzeittätige Ersatzkraft eingestellt. Gespräche mit dieser Ersatzkraft als auch der anderen Diätassistentin ergaben dabei, dass beide nicht bereit waren, die mit ihnen vertraglich vereinbarte Arbeitszeit von 38,5 Wochenstunden zu reduzieren. Eine Auskunft bei der Bundesagentur für Arbeit ergab, dass auf dem Arbeitsmarkt ein geeigneter Bewerber für diese Arbeitszeitkonstellation nicht zu finden war.

 

Das Arbeitsgericht hat den Anspruch auf Verringerung der Arbeitszeit abgelehnt. Das Landesarbeitsgericht hat sich der Auffassung des Arbeitsgerichts angeschlossen und die Berufung ebenfalls zurückgewiesen.

 

Die Entscheidung des LAG:

 

I. Elternzeit: Freistellung oder Teilzeitarbeit möglich

 

Arbeitnehmer haben nach § 15 BErzGG die Möglichkeit und Wahl, ob Elternzeit mit der Folge der völligen Suspendierung der beiderseitigen Hauptpflichten oder aber in Form von Teilzeitarbeit genommen wird. Wird Elternzeit mit völliger Freistellung von der Arbeit genommen, bedarf es einer weiteren Zustimmung des Arbeitgebers insoweit nicht. Es handelt sich allein um ein Gestaltungsrecht des begünstigten Arbeitnehmers. Mit der entsprechenden Erklärung ist die Rechtslage nach dem BErzGG herbeigeführt.

 

Ein besonderes Einigungsverfahren ist allerdings nach § 15 Abs. 4 – 7 BErzGG erforderlich, wenn sich der Arbeitnehmer für die Elternzeit mit Teilzeitarbeit entschieden hat und nur teilweise von seiner Arbeitspflicht befreit werden möchte. In diesen Fällen bedarf es der Zustimmung des Arbeitgebers (vgl. auch § 16 Abs. 3 Satz 1 BErzGG).

 

II. Fristen beachten

 

Die Erklärung, Elternzeit zu nehmen, muss nach § 16 BErzGG spätestens 6 Wochen, wenn die Elternzeit unmittelbar an den Zeitpunkt der Geburt des Kindes anschließen soll, ansonsten 8 Wochen vor Beginn der Elternzeit schriftlich abgegeben werden. Gleichzeitig ist zu erklären, für welche Zeiten die Elternzeit genommen wird. Die 8-wöchige Schutzfrist des § 6 Abs. 1 Satz 1 Mutterschutzgesetz (MuSchG) wird dabei auf die Dauer der Elternzeit angerechnet, § 15 Abs. 2 Satz 2 BErzGG.

 

III. Entscheidung des Arbeitnehmers bindend!

 

Die Arbeitnehmerin hatte im Anschluss an die 8-wöchige Mutterschutzfrist Elternzeit für drei Jahre in Anspruch genommen. Die Tatsache, dass sie in ihrem Antrag in unbestimmter Weise ihr Begehren ankündigte, während ihrer Elternzeit eine Teilzeitbeschäftigung aufzunehmen, hat hingegen keine Rechtswirkungen entfaltet. Hierbei handelte es sich allein um eine unverbindliche Absichtserklärung. Unbestimmte und rechtlich unverbindliche Überlegungen über mögliche Zukunftsplanungen binden aber den Arbeitgeber nicht. Er ist daher auch nicht gehalten, für den Fall der möglichen Teilzeitarbeit eine Arbeitnehmerin in der Zukunft erforderliche Dispositionen zu treffen.

 

Ein Antrag ist auch nicht mehr während der Dauer der Elternzeit möglich, denn ein entsprechender Antrag auf Teilzeitbeschäftigung muss vor Beginn der Elternzeit gestellt werden. Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg muss deshalb bereits vor Beginn der Elternzeit wenigstens die Frage geklärt sein, ob der Arbeitnehmer einen völligen Wegfall der Arbeitspflicht oder nur eine Herabsetzung der Arbeitszeit in den Grenzen des § 15 Abs. 4 BErzGG begehrt.

 

III. Fazit

 

Arbeitnehmer müssen sich nach dieser Entscheidung genau überlegen, ob sie für die gesamte Dauer der Elternzeit von der Arbeitspflicht befreit werden wollen oder aber jedenfalls teilweise eine Teilzeittätigkeit aufnehmen. Nicht zulässig ist hingegen, sich eine etwaige Teilzeittätigkeit für einen späteren Zeitpunkt vorzubehalten.

 

Hinweis für die Praxis:

 

Das Landesarbeitsgericht hat die Revision zugelassen. Es bleibt daher abzuwarten, ob das Bundesarbeitsgericht diese strenge Rechtsprechung bestätigen wird. Folgende weitere Fragen sind dabei im Zusammenhang mit der Elternzeit bislang höchstrichterlich ungeklärt:

 

·          Kann eine Elternzeit in der Weise herbeigeführt werden, dass im Antrag von vornherein für bestimmte Zeiten eine völlige Freistellung und für andere bestimmte Zeiträume eine Teilzeitbeschäftigung beantragt wird?

 

·          Besteht ein Anspruch auf Erhöhung der Arbeitszeit während der Elternzeit bei bereits beantragter Teilzeit?

 

Abschließend weisen wir darauf hin, dass einvernehmliche Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer während der Elternzeit selbstverständlich unabhängig von der hier besprochenen Entscheidung jederzeit möglich sind.

  

Verfasser: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Nicolai Besgen

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