29.10.2003

 

 

A.

Einleitung

 

Der Handel mit Gebrauchtgütern (Gebraucht-Pkw, Industriegüter, Maschinen, Büroausstattung etc.) ist ein florierendes Geschäft, nicht nur in Zeiten allseits steigenden Kostenbewusstseins. Neuanschaffungen werden durch die Verwertung der vorhandenen Gebrauchtgüter zumindest teilweise finanziert, Käufer schrecken oft vor Neuanschaffungen zurück und wenden sich lieber preiswerteren Alternativen, z.B. Gebrauchtgütern zu. Vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes und der Einführung der Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf erfolgte der Verkauf zulässigerweise oft unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung.

 

Durch die Schuldrechtsreform wurde die bisherige 6-monatige Gewährleistungsfrist auf nunmehr 2 Jahre verlängert (§ 438 BGB). Dies allein wäre nicht weiter tragisch, könnte man wie bisher die Gewährleistung durch Vereinbarung völlig ausschließen.  Allerdings wurde im Zuge der Schuldrechtsreform die Vorschrift des § 475 BGB neu eingeführt, der zufolge Vereinbarungen, die zum Nachteil des Verbrauchers von den Gewährleistungsregeln – und damit der 2-jährigen Gewährleistungsfrist – abweichen, unwirksam sind.

 

Seither ist jedenfalls beim Verkauf von Gütern durch einen Unternehmer an Verbraucher ein Ausschluss der Gewährleistung nicht mehr möglich.

 

Im Folgenden sollen diverse Gestaltungen, als Unternehmer die Vorschrift des
§ 475 BGB zu umgehen, am Beispiel des Verkaufs von Gebrauchtwagen untersucht werden.

 

I.

Anwendbarkeit der Regelungen zum Verbrauchsgüterkauf, §§ 474 bis 479 BGB

 

Das in § 475 Abs. 1 BGB enthaltene Verbot, von den Gewährleistungsregeln zum Nachteil des Verbrauchers abzuweichen, gilt, wie schon der Standort der Vorschrift zeigt, nur für den sog. „Verbrauchsgüterkauf“ gem. § 474 Abs. 1 BGB.

 

1.  Persönlicher Anwendungsbereich

     Voraussetzung für einen Verbrauchsgüterkauf ist zunächst, dass ein Verbraucher von einem Unternehmer eine bewegliche Sache kauft. Von vornherein nicht hierunter fallen die Geschäfte zwischen Unternehmern („B2B“) und die Verkäufe von Privat an Privat.

 

     Als Verbraucher im Sinne des § 474 Abs. 1 Satz 1 BGB gilt dabei jede natürliche Person, die nicht im Rahmen einer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt (§ 13 BGB).

 

     Verkäufer muss ein Unternehmer sein, d.h. eine natürliche oder juristische Person bzw. rechtsfähige Personengesellschaft, die bei Abschluss des Kaufvertrages in Ausübung ihrer gewerblichen oder selbständigen beruflichen Tätigkeit handelt. Auf die Absicht einer Gewinnerzielung kommt es nicht an.[1]

 

2.  Sachlicher Anwendungsbereich

     Grundsätzlich ist gleichgültig, ob die gekaufte Sache neu oder gebraucht ist. Ausgenommen hiervon sind lediglich Gebrauchtgüter, die in einer öffentlichen Versteigerung nach § 156 BGB verkauft werden. MERKE: Internet-Auktionen sind keine Versteigerungen im Sinne des § 156 BGB!

 

II.

Einzelne Gestaltungsmöglichkeiten

 

Aus dem sachlichen wie personellen Anwendungsbereich des Rechts des Verbrauchsgüterkaufs ergeben sich gleichzeitig auch die Gestaltungsmöglichkeiten: Denn immer bzw. nur dann, wenn kein Verbrauchsgüterkauf vorliegt, kann ein Gewährleistungsausschluss wirksam vereinbart werden. Dabei ist allerdings das Umgehungsverbot des § 475 Abs. 1 Satz 2 BGB zu beachten. Eine Umgehung liegt immer dann vor, wenn eine Gestaltung, die außerhalb des Wortlauts des § 475 Abs. 1 Satz 1 BGB liegt, nur der Verringerung der Haftung des Verkäufers dient und sie nicht durch wirtschaftliche Gründe gerechtfertigt ist Auf das Bestehen oder den Nachweis einer Umgehungsabsicht kommt es dabei nicht an.

 

Im Folgenden sollen die in Betracht kommenden Möglichkeiten, das Eingreifen der Regelungen über den Verbrauchsgüterkauf zu verhindern, untersucht und an dem Umgehungsverbot des § 475 Abs. 1 Satz 2 BGB gemessen werden.

 

1.  „Bastlerfahrzeug“

 

     Oft wird versucht, das zu verkaufende Fahrzeug vertraglich als „Bastlerfahrzeug“ zu bezeichnen, womit die prinzipielle Reparaturbedürftigkeit zur Beschaffenheit des Kaufgegenstandes erklärt wird mit der Folge, dass die Notwendigkeit späterer Reparaturen keinen Mangel im Sinne des § 434 Abs. 1 S. 1 BGB darstellt.

 

     Maßgeblich für die Beschaffenheit des Kaufgegenstandes ist vorrangig die vertragliche Vereinbarung. Die Parteien sind in der Definition der Sollbeschaffenheit frei. Gleichwohl ist nicht jede Beschaffenheitsvereinbarung zulässig, sondern kann im Einzelfall einen unzulässigen Ausschluss der Haftung für Mängel darstellen. Die Beschaffenheitsvereinbarung „Bastlerfahrzeug“ stellt zwar keine pauschale Umgehung des § 475 Abs. 1 BGB dar, weil diese Beschaffenheitsangabe auf manche Autos zutrifft. Es kann Händlern nicht zugemutet werden, offenkundig reparaturbedürftige Autos detailliert zu untersuchen und umfassende Mängellisten zu erstellen. Umgekehrt haben viele Käufer ein Interesse an Bastlerfahrzeugen, weil diese schon wegen der fehlenden Mängelhaftung preiswerter sind. Die Beschaffenheitsvereinbarung „Bastlerfahrzeug“ kann deshalb durchaus den Käuferinteressen entsprechen, was eine pauschale Qualifizierung als Umgehung verbietet.

 

     Eine Umgehung ist aber z.B. dann anzunehmen, wenn die Angabe „Bastlerfahrzeug“ nicht deutlich herausgestellt wird. Ferner muss die Vereinbarung „Bastlerfahrzeug“ im Rahmen der Verkehrsanschauung vertretbar sein. Bei jüngeren Fahrzeugen, die nur wenige Jahre alt sind, wird eine Qualifikation als Bastlerfahrzeug in der Regel nur aufgrund besonderer Umstände, z.B. eines Unfalls, in Frage kommen.

 

     Als weiteres Kriterium für eine Umgehung kann der Preis des Fahrzeugs herangezogen werden, indem geprüft wird, ob sich die Notwendigkeit des Bastelns im Preis niederschlägt, z.B. im Vergleich zu dem sonst für vergleichbare Fahrzeuge üblichen „Schwacke-Wert“.

 

2.  Unternehmer als Käufer

 

     Eine weitere Möglichkeit, den Regelungen des Verbrauchsgüterkaufs und damit
§ 475 Abs. 1 BGB zu entgehen, ist der Verkauf an einen Unternehmer im Sinne des § 14 BGB. Wird der Gebrauchtwagen tatsächlich an einen Händler verkauft, gelten die Regelungen des Verbrauchsgüterkaufs nicht.

 

     ABER VORSICHT: Hiervon auszunehmen sind die Fälle, in denen der Kunde im Kaufvertrag bestätigt, dass er Unternehmer ist, unabhängig davon, obwohl diese Angabe tatsächlich nicht zutrifft. Für die Beurteilung kommt es darauf an, ob der Verkäufer die Tatsachen, welche die Verbrauchereigenschaft begründen, gekannt hat oder sie wenigstens hätte kennen müssen. Die Frage, wann der Verkäufer, ohne fahrlässig zu handeln, keine Kenntnis von der in Wahrheit doch bestehenden Verbrauchereigenschaft des Käufers hat, ist zur Zeit in der Rechtsprechung noch stark umstritten. Um hier als Verkäufer sicherzugehen, sollten Sie sich in Zweifelsfällen vor Abschluss des Vertrages vorsorglich den Gewerbeschein zeigen und kopieren lassen.

 

3.  Beschaffenheitsangaben im Kaufvertrag

 

     Auch durch detaillierte Beschaffenheitsangaben im Kaufvertrag können Gewährleistungsansprüche jedenfalls für die bei Vertragsschluss bereits vorhandenen Mängel ausgeschlossen werden. Wird das Fahrzeug vor Veräußerung durch den TÜV oder andere Sachverständige besichtigt und im Kaufvertrag auf das Mängelgutachten Bezug genommen, gehören die durch den Sachverständigen festgestellten Mängel zur vertraglichen Beschaffenheit.

 

     Gleichwohl lässt sich hiermit nur die Gewährleistung für bereits bei Gefahrübergang vorhandene Eigenschaften des Fahrzeugs ausschließen. Bei innerhalb von 6 Monaten auftretenden Mängeln wird vermutet, diese seien schon bei Gefahrübergang vorhanden gewesen. Der Verkäufer trägt dann die Beweispflicht dafür, dass der Mangel erst nach Gefahrübergang aufgetreten ist (§ 476 BGB). Dies gilt nur dann nicht, wenn die Vermutung mit der Art der Sache oder des Mangels unvereinbar ist. Treten z.B. Verschleißerscheinungen auf (Kupplung, Bremsen o.ä.), lassen diese keinen Rückschluss darauf zu, dass ein Mangel bereits bei Gefahrübergang vorlag. In diesen Fällen muss der Käufer das Bestehen des Mangels bei Gefahrübergang nachweisen.

 

4.  Verkauf über Mittelsmänner

 

     In der Praxis wird auch versucht, die Regelung des § 475 BGB durch Einschaltung von Mittelsmännern auszuhebeln, welche die Gebrauchtfahrzeuge ankaufen und dann ihrerseits privat unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung weiterveräußern. Hier ist schon fraglich, ob der Letztkäufer nicht durch entsprechende Angaben im Fahrzeugbrief (Übernahme des Fahrzeugs durch den Mittelsmann und Weiterverkauf nach kurzer Zeit) stutzig wird und eine Umgehung nach § 475 Abs. 1 S. 2 BGB behauptet. Ungeachtet dessen wäre aber jedenfalls die Veräußerung der Fahrzeuge an den Mittelsmann selbst zweifelsfrei ein Verbrauchsgüterkauf, es sei denn, der Käufer wäre seinerseits Unternehmer (dann könnte er aber beim Weiterverkauf selbst die Gewährleistung nicht ausschließen). Eine Vereinbarung des Verkäufers mit dem Mittelsmann, der zufolge letzterer keine Gewährleistungsansprüche gegen den Verkäufer geltend macht, wäre ihrerseits als Umgehung unwirksam.

 

5.  Versteigerung der Fahrzeuge gem. § 156 BGB

 

     Gem. § 474 Abs. 1 Satz 2 BGB gelten die Regeln des Verbrauchsgüterkaufs (mithin auch § 475 BGB) nicht für gebrauchte Sachen, die in einer öffentlichen Versteigerung verkauft werden, an der der Verbraucher persönlich teilnehmen kann. Darunter fallen alle öffentlichen Versteigerungen, für die § 156 BGB gilt, wobei „öffentlich“ bedeutet, dass die Versteigerung frei zugänglich sein muss. Sofern die Fahrzeuge also im Rahmen einer Versteigerung nach § 156 BGB angeboten werden, könnte die Gewährleistung ausgeschlossen werden.

 

     Zu beachten ist dabei, dass es sich um eine Versteigerung im Sinne des § 156 BGB handeln muss, d.h. einen öffentlichen Verkauf, bei dem für eine angebotene Leistung durch Konkurrenz der Bieter eine möglichst hohe Gegenleistung erzielt werden soll und die Annahme durch Zuschlag erfolgt.

 

     In der Entscheidung „ricardo.de“ des BGH (Az. – VIII ZR 13/01 -) stellte dieser fest, dass eine Internetauktion jedenfalls dann keine Versteigerung im Sinne des
§ 156 BGB sei, wenn auf das Gebot des Höchstbieters kein Zuschlag erfolge. Die bloße Mitteilung per Email durch den Anbieter der Auktionsplattform, er habe den „Zuschlag“ erhalten, sei keine entsprechende Willenserklärung im Sinne dieser Vorschrift. Der BGH ließ dabei offen, ob Onlineauktionen überhaupt den Tatbestand einer Versteigerung im Sinne des § 156 BGB erfüllen könnten. Wegen der in diesem Bereich noch bestehenden Unsicherheiten ist die Veräußerung von Fahrzeugen oder anderen Gebrauchtgütern über Internet-Auktionen deshalb für Unternehmen ebenfalls kein sicherer Weg, die Gewährleistung auszuschließen.

 

     Allerdings könnten die Fahrzeuge zwecks Ausschluss der Gewährleistung nach
§ 156 BGB, also öffentlich versteigert werden. Ob dieser Weg tunlich ist, darf indes bezweifelt werden, da zum einen die Kosten für die Durchführung einer solchen Auktion den zu erwartenden Veräußerungsgewinn schmälern und zudem im Rahmen einer solchen Auktion immer damit gerechnet werden muss, dass Bieter einzelne Fahrzeuge zu Konditionen erhalten, die gegenüber einem Verkauf der Fahrzeuge zum Händlereinkaufspreis an einen Gebrauchtwagenhändler nachteilig sind.

 

 

III.

Fazit

 

Soll die Gewährleistung wirksam ausgeschlossen werden, empfiehlt es sich für Unternehmen, ihre Gebrauchtgüter und -wagen von vornherein an einen Gebrauchtwagenhändler unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung zu verkaufen, da dann kein Verbrauchsgüterkauf vorliegt und ein Gewährleistungsausschluss zulässig ist.

 

Sofern im Einzelfall ein Verkauf an Privatpersonen beabsichtigt ist, sollte das Fahrzeug zuvor ausführlich inspiziert und die dabei festgestellte Beschaffenheit zum Bestandteil des Kaufvertrages gemacht werden. Gleichzeitig sollte dann die Gewährleistungsfrist gem. § 475 Abs. 2 BGB auf ein Jahr verkürzt werden. Damit lässt sich das Gewährleistungsrisiko immerhin halbieren, wenn auch nicht völlig ausschließen.

 

Die übrigen Gestaltungsalternativen sind aus wirtschaftlichen Gründen nicht empfehlenswert oder bergen jeweils das Risiko, als Umgehung gem. § 475 Abs. 1 Satz 2 BGB eingestuft zu werden mit der Folge, dass der Verkäufer dann der Gewährleistung in vollem Umfange unterliegt.

 

Verfasser: RA Alexander Knauss

 

[1] (vgl. Palandt/Heinrichs, BGB, 62. Aufl., § 14 Rn. 2)

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