03.09.2003

Die Entscheidung bestimmter Gesellschaftsangelegenheiten einer GmbH erfolgt nach Beschlussantrag durch Abstimmung der Gesellschafter mittels Stimmabgabe. Die zu diesem Zwecke abgegebene organschaftliche Willensäußerung der Gesellschafter nennt sich Gesellschafterbeschluss. Problematisch ist, dass das GmbH-Gesetz in den §§ 47 ff. neben einer Reihe wichtiger Regelungen weder solche über das Zustandekommen dieser Beschlüsse, die Art und Weise der Abstimmung noch zur Frage der Fehlerhaftigkeit von Beschlüssen und ihrer Geltendmachung enthalten. Obwohl die Beschlüsse ein  Rechtsgeschäft darstellen, passen auch die allgemeinen Vorschriften über Rechtsgeschäfte nicht zur Behandlung rechtlicher Mängel in Gesellschafterbeschlüssen. Deshalb soll nach allgemeiner Ansicht für die Mangelhaftigkeit von Gesellschafterbeschlüssen die im AktG kodifizierte Differenzierung zwischen nichtigen Beschlüssen und lediglich anfechtbaren Beschlüssen maßgebend sein (§§ 241 ff. AktG analog). Mängel, welche ausnahmsweise die Nichtigkeit des Beschlusses begründen, können somit von jedermann mittels der Erhebung der Nichtigkeitsfeststellungsklage gem. § 249 AktG analog geltend gemacht werden. Anfechtbarkeitsbegründende Mängel hingegen können im Wege der Anfechtungsklage gem. §§ 246 AktG entsprechend nur von einem Anfechtungsbefugten geltend gemacht werden. Zudem soll ihre Erhebung an die Einhaltung einer angemessenen Frist gebunden sein, wobei die aktienrechtliche Monatsfrist gem. § 246 I AktG nach der Rechtsprechung des BGH (z.B. BGH 111, 226) für das GmbH-Recht weder direkt noch analog gilt, aber eine sog. Leitbildfunktion haben soll. Als Anfechtungsgründe kommen gem. § 243 I AktG vor allem Verstöße gegen ein Gesetz oder die Satzung in Betracht. Anfechtungsbefugt ist zumindest jeder Gesellschafter, sofern er nicht dem angegriffenen Beschluss zugestimmt hat und nicht auf sein Anfechtungsrecht verzichtet hat. Dringt die Anfechtungsklage durch, so wird der angefochtene Beschluss durch Gerichtsurteil für nichtig erklärt. Dieses aufgezeigte Konzept hat sich in Anlehnung an das Aktienrecht in einem langen Prozess der Rechtsfortbildung entwickelt und gefestigt

 

Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte sich nunmehr in drei neueren Urteilen mit der Frage zu beschäftigen, ob die  jeweils geltendgemachten Mängel der  Beschlüsse der Gesellschafterversammlung einer GmbH vorliegen und durch Erhebung einer Anfechtungsklage erfolgreich angegriffen werden können. Geltend gemacht wurde dabei vor allem ein Verstoß gegen die jeweils erforderliche Stimmmehrheit und die Missachtung von Satzungsregelungen. In Zusammenhang mit dieser  Problematik hatte der Senat zu klären,

 

  • welcher Stimmenmehrheit ein in der Satzung einer GmbH nicht vorgesehener Gesellschafterbeschluss über die Erhebung einer Ausschließungsklage gegen einen Mitgesellschafter aus wichtigem Grund bedarf
  • ob auch satzungsauslegende Beschlüsse in die Kompetenz der Gesellschafterversammlung fallen
  • wann die Rüge eines Einberufungs- oder Ankündigungsmangels bzgl. der Gesellschafterversammlung gem. § 51 Abs. 2,4 GmbHG erfolgen muss, um die Heilungswirkung des § 51 Abs. 3 GmbHG auszuschließen 
  • wann ein Stimmverbot eines Gesellschafters auf andere Gesellschafter wegen der Gefahr einer Einflussnahme auf das Abstimmungsverhalten bzw. einer unsachgemäßen Ausübung auszudehnen ist
  • ob ein Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtungsklage auch dann besteht, wenn gegen den Gesellschafter bereits die Ausschließungsklage durch die Gesellschaft erhoben wurde und somit hier eine inzidente Überprüfung des Beschlusses möglich erscheint
  • wie eine gegen einen Gesellschafterbeschluss erhobene Anfechtungsklage im Verhältnis zu einer damit verbundenen  Beschlussfeststellungsklage steht
  • inwieweit sich die Rechtskraft eines Feststellungsurteils zwischen zwei GmbH-Gesellschaftern auf ihr Verhältnis zur GmbH erstreckt

 

I. Urteil des BGH vom 13. Januar 2003 ( II ZR 227/00):

 

Sachverhalt:

Der Kläger ist mit einem Anteil von 1 % Gesellschafter der beklagten GmbH und zudem Mitglied und seit 1982 Leiter eines von seinem Schwiegervater gegründeten Familienkonsortiums. Diesem gehören auch die Ehefrau K des Klägers und deren Schwester T an, welche zudem ebenfalls Gesellschafter mit Anteilen von 13 % bzw. 9 % am Stammkapital der Beklagten sind. In einer Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 26. Mai 1999 wurde unter TOP 10 über den Antrag von vier anderen Gesellschaftern abgestimmt, den Kläger aus wichtigem Grunde aus der Gesellschaft auszuschließen, wofür die Satzung der Beklagten keine Regelung enthält. Für den Antrag wurden 30.377, gegen ihn 19.119 Stimmen abgegeben, hiervon 11.000 ablehnende Stimmen der Gesellschafterinnen K und T. Der Kläger selbst stimmte nicht mit ab. Sodann stellte der Versammlungsleiter fest, dass die Gesellschafterinnen K und T aufgrund ihrer Mitgliedschaft in dem Familienkonsortium einem Stimmverbot unterlägen und der Ausschließungsantrag daher mit einer Mehrheit von 78,91 % angenommen worden sei. Mit seiner Klage begehrt der Kläger, den Gesellschafterbeschluss vom 26. Mai 1999 für nichtig zu erklären, weil die Stimmen der Gesellschafterinnen K und T zu Unrecht nicht berücksichtigt worden seien. Er habe von den im Konsortialvertrag verankerten Stimmrechtsvollmachten und Weisungsmöglichkeiten gegenüber den Konsortinnen nie Gebrauch gemacht, deren Stimmrechtsbindung überdies durch einstimmigen Beschluss der Konsortialversammlung vom 25. Mai 1999 aufgehoben worden sei. Die Beklagte vertritt den Standpunkt des Versammlungsleiters und meint im übrigen, für den Ausschließungsbeschluss genüge ohnehin die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Die Klage blieb in den Vorinstanzen erfolglos. Dagegen richtet sich die Revision des Klägers.

 

Die Entscheidungsgründe:

Der BGH hat der Revision stattgegeben und den angefochtenen Gesellschafterbeschluss der Beklagten, den Kläger aus wichtigem Grund aus der Gesellschaft auszuschließen,  für nichtig erklärt und dazu ausgeführt, dass

 

§         ein in der Satzung einer GmbH nicht vorgesehener Gesellschafterbeschluss über die Erhebung einer Ausschließungsklage gegen einen Mitgesellschafter aus wichtigem Grund in Anlehnung an § 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG einer qualifizierten Mehrheit von ¾ der abgegebenen Stimmen – unter Ausschluss derjenigen des Betroffenen – bedarf .

§         formelle Mängel des Gesellschafterbeschlusses, die dessen Anfechtbarkeit begründen, wie z.B. das Fehlen der erforderlichen Stimmmehrheit, nur mit fristgerechter Anfechtungsklage geltend gemacht werden können. Das Rechtsschutzbedürfnis für sie werde auch durch die Erhebung der Ausschließungsklage der GmbH nicht berührt.

§         das den auszuschließenden Gesellschafter treffende Stimmverbot auf die mit ihm in einem Konsortium verbundenen und für seinen Verbleib in der Gesellschaft votierenden Gesellschafter jedenfalls dann nicht übergreift, wenn ihm die Rechtsmacht zur Bestimmung ihres Abstimmungsverhaltens fehlt.

 

II. Urteil des BGH vom 25. November 2002 (II ZR 69/01):

 

Sachverhalt:

Die Klägerin, eine Kommanditgesellschaft (KG), ist an den beiden beklagten Gesellschaften, eine GmbH & Co KG und deren Komplementär-GmbH, mit je 32,2 % beteiligt. Die restlichen 67,8 % der Gesellschaftsanteile sind auf die F mit 1,1 % und vier weitere Gesellschafter mit jeweils 1,1 %, 8,5 %, 24,9 %, 32,2 % verteilt. Im Frühjahr 1998 beabsichtigte die F, die von ihr gehaltenen Gesellschaftsanteile an den beiden beklagten Gesellschaften  zu veräußern. Für die Übertragung von Geschäftsanteilen enthalten die Gesellschaftsverträge (GV) der beiden Beklagten in den übereinstimmenden §§ 10 und 14 ein Erwerbs- bzw. Vorkaufsrecht der übrigen Gesellschafter. Im März 1998 bot die F, wie gem. § 10/14 Abs. 3 a S.1 GV der Satzung vorgesehen, sämtlichen Mitgesellschaftern den anteiligen Erwerb ihrer beiden Gesellschaftsanteile von jeweils 1,1 % zum Kaufpreis von insgesamt über 11 Mio. DM an. Während zwei der Mitgesellschafter sich daraufhin zur Ausübung ihrer und der nicht ausgeübten Erwerbsrechte der anderen Mitgesellschafter bereiterklärten, kündigte die Klägerin lediglich an, sie werde voraussichtlich von dem anteiligen Vorkaufsrecht nach §§ 10/14 Abs. 3 c GV Gebrauch machen, wenn der notarielle Kaufvertrag mit den zwei Gesellschaftern abgeschlossen sei und ihr vorgelegt werde. Nach Abschluss dieser Verträge übte sie ihr Vorkaufsrecht „in größtmöglichen Umfang“ aus und bestritt zugleich die Wirksamkeit des Veräußerungsvertrages wegen Fehlen der erforderlichen Zustimmung der Gesellschafterversammlung gem. §§ 10/14 Abs. 3 a S.4 GV. Daraufhin beschloss die gemeinsame Gesellschaftervollversammlung beider beklagten Gesellschaften über die Frage der Zustimmungsbedürftigkeit der Anteilsveräußerung gegen die Stimmen der Klägerin mit einer Mehrheit von 66, 7 %, dass hinsichtlich der Aufteilung der Anteile auf den HB-Verlag (Klägerin) und die beiden Mitgesellschafter kein zustimmender Beschluss der Gesellschafterversammlungen erforderlich war. Daraufhin klagte der HB-Verlag auf Feststellung, dass dieser Beschluss nichtig ist. Er verstoße satzungswidrig gegen das nur mit einer Mehrheit von 75 % zu erfüllende Zustimmungserfordernis gem. §§ 10/14 Abs. 3 a S.4 iVm. lit. f GV. Zudem sei der Beschlussgegenstand in der Einladung zu der Gesellschafterversammlung gem. 51 Abs.4 GmbHG nicht ordnungsgemäß angekündigt gewesen.        

 

Entscheidungsgründe:

Der BGH hat die Revision der Klägerin abgewiesen und entschieden, dass

 

  • in die Kompetenz der Gesellschafterversammlung einer GmbH grundsätzlich auch satzungsauslegende Beschlüsse fallen, mit denen über die fragliche Satzungskonformität bestimmter Maßnahmen (hier einer Geschäftsanteilsveräußerung, § 15 Abs. 5 GmbHG) entschieden werden soll. Solche satzungsauslegender Beschlüsse über die Zulässigkeit von Maßnahmen hätten regelnden Charakter und seien – wie sonstige Gesellschafterbeschlüsse – auf Anfechtungs- oder Nichtigkeitsklage eines Gesellschafters entsprechend §§ 246, 249 AktG gerichtlich überprüfbar. Denn etwaige bloße Anfechtungsgründe gem. § 243 Abs. 1 AktG analog, wie die Satzungswidrigkeit des Beschlusses, könnten nur im Wege der Anfechtungsklage, nicht aber inzident in einem anderen Rechtsstreit – wie z.B. über die Wirksamkeit der Anteilsveräußerung – geltend gemacht werden (vgl. Senat BGHZ 104, 66).
  • sich die Rechtskraft des in einem Rechtsstreit zwischen Gesellschaftern einer GmbH ergangenen Feststellungsurteils (§ 256 ZPO) über die Auslegung der Satzung im Sinne eines darüber gefassten Gesellschafterbeschlusses nicht auf das Verhältnis zwischen ihnen und der GmbH erstreckt.
  • die in der Vollversammlung der Gesellschafter einer GmbH erst nach der Abstimmung über einen Gesellschafterbeschluss erhobene Rüge eines Einberufungs- oder Ankündigungsmangels gem. § 51 Abs. 2, 4 GmbHG nicht ausreicht, um die Heilungswirkung des § 51 Abs. 3 GmbHG auszuschließen.         

 

III. Urteil des BGH vom 13. Januar 2003 (II ZR 173/02):

 

Sachverhalt:

Der Kläger ist Gesellschafter der beklagten GmbH mit einer Stammeinlage von 0,1 % ihres Stammkapitals, das 5 Mio. DM beträgt. Am 16. Mai 2001 wurde in einer Gesellschafterversammlung der Beklagten unter TOP 7 über den Antrag der Gesellschafterin G. W. abgestimmt, den Kläger aus wichtigem Grunde aus der Gesellschaft auszuschließen und die Geschäftsführer zur Erhebung einer entsprechenden Ausschließungsklage anzuweisen. Für den Antrag wurden 34.811 Stimmen, gegen ihn 15.069 Stimmen abgegeben. Der Kläger selbst stimmte nicht mit ab. Sodann stellte der Versammlungsleiter fest, dass dem Ausschließungsantrag stattgegeben worden sei. Gegen diesen Gesellschafterbeschluss hat der Kläger Anfechtungsklage erhoben und zusätzlich die Feststellung begehrt, dass der Ausschließungsantrag der Gesellschafterin W. in der Gesellschafterversammlung vom 16. Mai 2001 abgelehnt worden sei, weil er nicht die erforderliche ¾ Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefunden habe.

 

Entscheidungsgründe:

1. Der BGH hat die Anfechtungsklage des Klägers als überwiegend begründet erachtet und den angefochtenen Gesellschafterbeschluss für nichtig erklärt.

 

  • Der zweite Senats bestätigte darin seine bereits oben (Urteil I) genannte Auffassung, dass ein in der Satzung einer GmbH nicht vorgesehener Gesellschafterbeschluss über die Erhebung einer Ausschließungsklage gegen einen Mitgesellschafter aus wichtigem Grund in Anlehnung an § 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG einer qualifizierten Mehrheit von ¾ der abgegebenen Stimmen bedarf.

 

2. Die zusätzlich erhobene Klage auf Feststellung der Beschlussablehnung hat der zweite Zivilsenat als unzulässig abgewiesen.

 

  • eine mit der Anfechtungsklage gegen einen Gesellschafterbeschluss verbundene Beschlussfeststellungsklage (§ 248 AktG analog) unzulässig sei, wenn durch den angefochtenen Beschluss einem entsprechenden Beschlussantrag stattgegeben und das Abstimmungsergebnis vom Versammlungsleiter förmlich festgestellt worden sei. Ist das Beschlussergebnis von dem Versammlungsleiter festgestellt worden, kommt eine allgemeine Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO anstelle oder neben der Anfechtungsklage nicht in Betracht (vgl. BGHZ 104, 66, 69; Sen.Urt. v. 1. März 1999 – II ZR 205/98, ZIP 1999, 656). Auch eine Verbindung der Anfechtung mit einer sog. „positiven Beschlussfeststellungsklage“ (analog § 248 AktG) scheidet dann aus, weil diese sich nur gegen die Ablehnung eines Beschlussantrags durch Gesellschafterbeschluss richten kann (vgl. BGHZ 97, 30 f.; 104, 66, 69), während der Kläger hier umgekehrt einen positiven Gesellschafterbeschluss anficht. Ist dieser auf die Anfechtungsklage für nichtig zu erklären, so steht damit zugleich fest, dass der in der Gesellschafterversammlung gestellte Ausschließungsantrag keinen Erfolg hatte.

 

(Verfasser: Daniel Möller, Dipl. jur.)

 

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