11.12.2002

Die Zahl der Fälle nimmt zu, in denen sich der im Scheidungsurteil durchgeführte Versorgungsausgleich auswirkt. Dies gilt schon, wenn einer der geschiedenen Ehegatten eine Versorgung bezieht, die wegen des Versorgungsausgleichs erhöht wird. Erst recht kommt es zur – doppelten – Auswirkung, wenn beide ehemaligen Eheleute Rente oder Pension erhalten, weil sich dann wegen des Versorgungsausgleichs die Versorgung des einen ermäßigt und die des anderen erhöht.

Die Versuchung ist groß, in diesen Fällen „wie üblich“ zu rechnen: Es wird entweder die Differenz zwischen den Einkommen ermittelt und hieraus der Unterhalt mit einer Quote berechnet. Oder es wird der Unterhalt zunächst nur aus dem Einkommen des Unterhaltsschuldners ermittelt und hierauf die durch den Versorgungsausgleich erhöhte Versorgung des Unterhaltsgläubigers angerechnet. Tatsächlich muss differenziert gerechnet werden, wie das OLG Hamm (FamRZ 2000, 25) mit Hinweis auf frühere Urteile des Bundesgerichtshofs entschieden und der Bundesgerichtshof selbst jüngst noch einmal bestätigt hat (FamRZ 2002, 88, 91).

Die erste Entscheidung des BGH (FamRZ 1987, 459) betraf den Fall, dass sich der Versorgungsausgleich lediglich einseitig auswirkte, und zwar zugunsten des Unterhaltsberechtigten, der kein eigenes Einkommen gehabt hatte. In diesem Fall ist zunächst der vorläufige Unterhalt allein aus dem Einkommen des Unterhaltsschuldners zu berechnen; hierauf ist die Versorgung des Unterhaltsgläubigers voll anzurechnen, da sie die ehelichen Lebensverhältnisse nicht bestimmt hat.

Die BGH-Entscheidung FamRZ 1988, 817, betrifft den Fall, dass beide Parteien von den Auswirkungen des Versorgungsausgleichs berührt werden. Dort hat der BGH wörtlich folgendes ausgeführt:

„Es wäre in hohem Maße unbillig, dem Rentenbezug nach der Scheidung keinen ausgleichenden Einfluss auf die Bedarfsbemessung zuzuerkennen, den Bedarf vielmehr nur aus dem Ruhegehalt des Klägers zu ermitteln und der Beklagten darauf ihr Renteneinkommen in vollem Umfang anzurechnen. Denn dadurch würde der gesundheits- und altersbedingte Wechsel der Einkommensquellen einseitig die Beklagte belasten und den Kläger entsprechend begünstigen. … Der Unterhaltsberechtigte kann daher verlangen, dass der Bemessungsmaßstab für seinen Bedarf auf dem in der Ehe erreichten Niveau belassen wird, soweit einem nach der Scheidung eintretenden Absinken der Einkünfte des in der Ehe allein erwerbstätigen Unterhaltspflichtigen für den Versorgungsfall vorgesehenen Bezüge ausgleichend gegenüberstehen. Durch das Hinzutreten solcher ausgleichender Einkommensquellen darf jedoch der Bedarf nicht über den gesetzlichen Bemessungsmaßstab hinaus erhöht werden; die Bemessung nach den ehelichen Lebensverhältnissen bildet stets die Obergrenze.“

Somit ist nach BGH FamRZ 1988, 817, in diesem Fall folgendermaßen zu rechnen (wobei der BGH in FamRZ 2002, 88, 91, offenbar die Kontrollrechnung nicht mehr für erforderlich hält):

  • In einer ersten Stufe ist der Unterhalt zu ermitteln aus dem jetzt bestehenden tatsächlichen Gesamteinkommen beider Parteien. Dem Unterhaltsgläubiger steht grds. die hälftige Differenz zwischen den beiderseitigen, für die Unterhaltsberechnung relevanten Teilen der Versorgungen zu.
  • In einer zweiten Stufe ist eine Kontrollrechnung durchzuführen. Mit dieser Kontrollrechnung soll geprüft werden, ob der nach der ersten Berechnung ermittelte Unterhalt nicht höher liegt als der Unterhalt, der sich ergäbe, wenn der Unterhaltsschuldner noch nicht im Ruhestand wäre. Dieser fiktive Unterhalt darf nicht überschritten werden.

Zur Vermeidung von Missverständnissen: Solange nur derjenige frühere Ehegatte Rentner oder Pensionär geworden ist, der dem anderen Unterhalt zu zahlen hat, wirkt sich der Versorgungsausgleich noch nicht aus, wenn ein Antrag gemäß § 5 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich beim Versorgungsträger gestellt wird; in diesem Fall wird die Versorgung ungekürzt weitergezahlt, bis der andere Ex-Ehegatte selbst versorgungsberechtigt ist.
 
Verfasser: Rechtsanwalt Rainer Bosch

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